Das zweitälteste Bad im Burzenland

Heldsdörfer Volksbad wieder in Betrieb

Das Strandbad in der ersten Badesaison 1910.
Quelle: alte Postkarte

In diesem Zustand wurde das Bad der evangelischen Kirchengemeinde Heldsdorf rückerstattet.
Fotoarchiv K-H. Brenndörfer

Das neu hergerichtete Strandbad im Jahre 2012.
Foto: K-H. Brenndörfer

Seit über 100 Jahren besteht nun das Heldsdörfer Strandbad schon. Es ist eine von den wenigen Einrichtungen, die den Kommunismus überlebt haben und in der postkommunistischen Zeit mehrmalig verwahrloste aber wie Phönix aus der Asche immer wieder in Betrieb gesetzt wurde.

Im Jahre 1909 wurde mit einem Kostenaufwand von 15.764 Kronen das Heldsdörfer Volksbad von der Vorschussverein-GmbH errichtet. Wer die Anregung dazu gab, oder ob es nur die weitsichtigen Ideen des damaligen Vorschussvereins-Direktors Karl Wagner und des Gemeindearztes Dr. Friedrich Neustädter waren, ist nicht bekannt.

Nach Fertigstellung wurde es der evangelischen Kirche mit dem Wunsche geschenkt, es mögen nie Geschäftsrücksichten walten, sondern niedrig gehaltene Badetaxen sollen es zum wirklichen „Volksbad“ machen. Diesem Namen sollte es in den folgenden Jahren voll gerecht werden. Später übergab die ev. Kirchengemeinde das Bad der HEWAG (Heldsdörfer Elektrizitätswerk AG) zur Verwaltung. Diese wiederum nutzte einen Teil ihrer Gewinne für den Betrieb des Bades und um Verbesserungen durchzuführen, denn mit den geringen Badetaxen wäre das nicht möglich gewesen.

Das Strandbad wurde im Süden Heldsdorfs auf Kirchengrund errichtet. Hier gab es bereits die Kropich-Mühle oder das Mühlchen, wie sie in Heldsdorf genannt wurde. Dieses war eine mit Wasserrad betriebene Mühle. Das Wasser lieferte die Kropich, ein auf der Zeidner Weide  entspringender Bach (Bächlein), der unweit dieser Mühle in den Neugraben mündet. Um die Wasserkraft nutzen zu können, musste ein Oberkanal (der zum Mühlrad führt) und ein Unterkanal oder auch Umgehungskanal, der danach das Wasser abführt, vorhanden sein.

Zwischen diesen beiden Kanälen wurde das Becken errichtet. Es war eine einfache, aber äußerst geniale Lösung. Aus dem Oberkanal konnte das Becken über eine betonierte und mit Brettern abgedeckte Rinne gefüllt werden. Entleert wurde es über ein unterirdisches Rohr in den Umgehungskanal. Die Höhendifferenz zwischen den beiden Kanälen erlaubte eine maximale Beckentiefe von 2,3 m.

Sämtliche Erdarbeiten wurden von Hand von slowakischen Arbeitern, die zuvor das Elektrizitätswerk errichtet hatten, durchgeführt. Diese wurden nach Kubikmeter entlohnt und erhielten so den Beinamen „Kubikasch“. Ursprünglich war es ein Becken von 14 x 28 m mit einer Tiefe von 1 m bis 2,3 m mit stetigem Gefälle. Dieses Becken war mittels Ketten in drei geteilt. Das erste oder das kleine für Nichtschwimmer, das zweite oder mittlere für Anfänger und das dritte oder das große für Schwimmer.

Da das Bad der Kirche gehörte und die Kirche damals für „Zucht und Ordnung“ zuständig war, herrschte eine strenge Badeordnung. Männer und Frauen durften nur getrennt baden, nach einem ausgeschriebenen Stundenplan. Vormittags und um die Mittagszeit hatten die Frauen da nichts zu suchen, sie waren an den Herd verbannt. Kinder dagegen hatten ständig freien Zutritt.

Um den Urlaubern von den Fronten des Ersten Weltkrieges den Badespaß zu ermöglichen, wurde von dieser Badeordnung abgerückt. Interessant die Bademode von damals. Das Material eines damaligen Frauenbadeanzugs würde leicht für zwei Dutzend Bikini von heute reichen, wo nur noch das Allernötigste bedeckt wird. Das Bad war immer in tadellosem gepflegtem Zustand. Von Anfang an waren Umkleidekabinen vorhanden. Später wurden Kinderschaukeln montiert und ein „Sonnenbrett“ (Liege aus Brettern) errichtet. Im Becken schwammen drei runde Balken, auf denen man sitzen und rudern konnte. Wie schon erwähnt, waren die Eintrittsgebühren äußerst gering, so dass sich jeder den Badespaß leisten konnte. Der Zweck wurde bald erreicht: es gab kaum einen Heldsdörfer, der nicht schwimmen konnte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Bad von der HEWAG bis zur Enteignung im Jahre 1948 weiterbetrieben. Danach wurde es von der Konsumgenossenschaft übernommen und betrieben. Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts übernahm es der landesweit bekannte Sportklub Recolta. Dieser wiederum wurde von der Heldsdörfer Staatsfarm finanziert (heute würde man gesponsert sagen). Das Strandbad sollte nochmals zur Blüte gelangen.

1955 wurde das Nichtschwimmerbecken durch eine Trennwand aus Beton mit Startblöcken abgetrennt und das Schwimmerbecken auf Olympiagröße (L = 33,33 m) erweitert. Bei der Erweiterung musste die nördliche Beckenwand abgetragen werden. Der Beton war so hartnäckig, dass man mit herkömmlichen Mitteln nicht viel ausrichten konnte. Das Militär aus der Kaserne wurde für eine Sprengungsübung herangezogen.

Leider wurde für die neuen Wände nicht die gleiche Betonmischung verwendet, denn diese waren von Anfang an undicht. Die Anzahl der Kabinen wurde erweitert, das Sonnenbrett erneuert, ein Sprungbrett und Halterungen für Fahrräder errichtet. Der betonierte Zuflusskanal zum ehemaligen Mühlenrad leicht angestaut, wodurch ein wunderbarer Tummelplatz für Kleinkinder geschaffen werden konnte. Für uns Kinder wurde das Bad zum beliebtesten Aufenthaltsort im Sommer. Wenn dann sonntags noch ein Handballspiel stattfand und das ganze Dorf zum Sportplatz ging, wurden diese Tage zu wahren Volksfesten. Schwimmwettkämpfe innerhalb der Sommerspartakiade der Jugend (so hieß die kommunistische Schöpfung) konnten hier abgehalten werden, da Kronstadt kein Schwimmbecken für solche Zwecke (Olympia-Größe) hatte.

Jeden Donnerstag musste das Wasser aus dem Becken abgelassen, die Wände mit Kalkmilch gestrichen und dann neu gefüllt werden. Die Staatsfarm, später auch die LPG, bauten ihre Gemüsefelder entlang der Kropich an. Diese wurden mit dem Wasser der Kropich künstlich beregnet. Fast das ganze Wasser wurde zur Berieselung verwendet. Das Schwimmbad konnte nur noch nachts oder bei Regenwetter gefüllt werden. Durch die undichten Wände ging weiter Wasser verloren. Das Niveau des Umgehungskanals hatte sich inzwischen durch Schotterablagerungen erhöht, wodurch das Becken nicht mehr ganz entleert werden konnte. Trotz dieser Unzulänglichkeiten konnte der Badebetrieb irgendwie aufrechterhalten werden.

Während der großen Überschwemmung 1975 wurde die Schleuse buchstäblich fortgerissen und bei den folgenden Entwässerungsarbeiten auch nicht mehr instand gesetzt. Das Schwimmbecken konnte auf natürliche Weise nicht mehr gefüllt werden. Das Aus für das Heldsdörfer Volksbad schien gekommen zu sein. Inzwischen waren der Sportklub und damit auch das Schwimmbad in die Obhut der LPG übergegangen. 

Diese installierte 1977 eine Pumpe, um damit das Wasser aus dem Unterkanal in das Becken zu pumpen. Der Badebetrieb konnte wieder aufgenommen werden. Die Ziegen des Bademeisters Plotogea störten eigentlich niemanden.  
1980 wurde hinter dem Sportplatz eine 600 m tiefe Probebohrung (Suche nach Bodenschätzen) niedergebracht. Aus dieser Bohrung quoll durch artesischen Druck ständig mineralhaltiges Wasser. Diese künstliche Quelle wurde gekappt und das Wasser in Berieselungsrohren aus Aluminium zum Schwimmbad geleitet. Mit diesem Wasser konnte das Bad zeitweilig betrieben werden. Es war keine dauerhafte Lösung, denn das mineralienhaltige Wasser reizte die Schleimhäute.

1987 unter Leitung des damaligen Vizebürgermeisters Günther Zell wurden die Wände des Erweiterungsbaues abgedichtet und auf den Boden eine Schicht aufbetoniert, damit das Becken wieder vollständig entleert werden kann. Am 12. Juli 1987 konnte das Schwimmbad feierlich wiedereröffnet werden.
Das letzte Mal habe ich im August 1990 darin gebadet. Es war aber mehr ein Bad in der Erinnerung. Bilder der Jugend und Kindheit kamen zum Vorschein, als ob es die Zeit dazwischen nicht gegeben hätte. Ich sah, wie wir im Rasen neben dem Sonnenbrett Fußball spielten und danach massenweise ins Becken sprangen, wie wir „Pick“ spielten oder den einen und andern ins Wasser warfen. Wie wir donnerstags mithalfen, das Becken zu kehren und zu weißeln, um damit uns einige Eintritte zu verdienen.

Nach der Auflösung der LPG kam das Volksbad in die Obhut des Bürgermeisteramtes. Im Jahre 1991 wurde es mehr schlecht als recht betrieben. 1993 hatten es zwei rumänische Familien gepachtet. Neben dem Sonnenbrett errichteten sie eine betonierte Tanzfläche, mit elektrischer Beleuchtung und einen Kiosk. Die Pächter hatten zwar große Pläne aber ohne Badegäste waren sie schnell pleite. Das Bad begann zu verwahrlosen, die Kabinen wurden demoliert und gestohlen.

2001 nahm sich die gegenüber dem Friedhof ansässige Holzbaufirma Pasconmat des Bades an und setzte es erneut in Betrieb. Die übriggebliebenen Umkleidekabinen und andere Anlagen wurden repariert, das Becken mit Trinkwasser gefüllt. Die Firma kam schnell zur Einsicht, dass mit einem Schwimmbad kein Geld zu verdienen ist und ließ davon ab. Auch im Westen sind die Strandbäder nur defizitäre Einrichtungen der Kommunen, denn mit den wetterbedingten zwei- bis dreimonatigen Einnahmen kann ein Bad nicht das ganze Jahr betrieben werden, egal wie hoch die technische Ausstattung ist.

Das Heldsdörfer Volksbad begann nun noch mehr zu verwahrlosen, im Becken wuchsen sogar Sträucher. In diesem unansehnlichen Zustand wurde nun das Bad der evangelischen Kirchengemeinde Heldsdorf rückerstattet. Diese hat das ganze Anwesen einem privaten Investor und Betreiber verpachtet.
Das Becken wurde saniert, ein Betonweg ums Becken gebaut, der ganze Oberkanal geschleift und dadurch die Liegeflächen im Rasen geebnet und erheblich erweitert. Der Eingang ist an das Nordende versetzt, Fahrradhalter, einige Umkleidekabinen und richtige Spül-WCs eingebaut.

Solarunterstützte Duschen und sogar ein Fußspülbecken sind ebenfalls vorhanden. Auf der vorhandenen Betonfläche wurde ein Gebäude errichtet und davor rustikale Sitzgelegenheiten unter Sonnenschirmen. Bierzapfstelle und Grillplatz fehlen natürlich nicht. Dem Betreiber ist es bewusst, dass er nur mit Schwimmbad mit den begrenzten Einnahmen nicht überleben kann und hat deshalb noch Pläne (Eislaufplatz, Inlineskater usw.), um auch außerhalb der Badesaison Einnahmen zu erzielen. Das Becken wird größtenteils mit Trinkwasser gefüllt und das wird dann aufbereitet um den strengen Hygiene-Vorschriften zu entsprechen.  

Ob die Eintrittspreise unter solchen Bedingungen noch erschwinglich sein werden und ob es dann noch dem Namen Volksbad gerecht sein wird, ist eine andere Frage. In der Badesaison 2012 war das Bad allenfalls sehr gut besucht.
Inzwischen gibt es in Heldsdorf in den oft gigantisch errichteten Villen noch etliche private Swingingpools.

In der über 100-jährigen Geschichte war das Bad nur einige Jahre nicht in Betrieb. Auf unser Volksbad können wir Heldsdörfer genauso stolz sein, wie auf unser Elektrizitätswerk. Es war das zweite des Burzenlandes nach dem Zeidner Waldbad. Heute müssen wir die Tüchtigkeit, die Weitsichtigkeit und den Gemeinschaftssinn unserer Vorfahren bewundern.