Der Sinn der Auferstehung

Osterbotschaft von Pfarrer Dr. Johannes Klein, Fogarasch

Der Ädikula-Altar im Chorraum der evangelischen Kirche von Fogarasch stellt im Mittelbild die Kreuzigung dar. Das Bild wird von korinthischen Doppelsäulen umgeben. Vor dem Altar finden immer wieder Chor- oder Orchesterkonzerte, geleitet von Musikwart Christiane Neubert (links), statt.
Foto: Dieter Drotleff

Auf dem Friedhof treffe ich eine weinende Frau vor dem Grab ihres Sohnes. Ich spreche sie an. Da erzählt sie mir die ganze Geschichte ihres Sohnes. Ich begleite sie nach Hause. Auf dem Weg weiß sie vieles zu erzählen. Der Blick ist nicht mehr auf den Friedhof gerichtet, sondern auf ihr eigenes Leben.
Eine Rentnerin kämpft mit den Erinnerungen an ihren frühzeitig verstorbenen Mann. Sie hatte schon vorher über seine Krankheit gewusst, trotzdem traf sie der Tod als schwerer Schlag. Alles, was sie tat, schien verkehrt zu sein. Die Trauer hatte sie überwältigt. Sie geht auf den Friedhof, kümmert sich um das Grab, legt neue Blumen darauf, weint, spricht Gebete. Es will und will ihr nicht besser gehen, bis ein gütiger Nachbar sie wahrnimmt und anspricht: „Frau, raff dich auf! Ich kenne eine Arbeitsstelle, wo du mit Menschen zusammenkommst. Überlege, ob du nicht noch einmal aktiv werden möchtest!“ Nach einem Jahr sagt sie: „Der Umgang mit Menschen hat mich gerettet. Ich lebe nicht mehr in die Vergangenheit, sondern blicke nach vorne. Jetzt weiß ich, dass das Leben weiter geht.“
Die Ostergeschichte der Maria Magdalena aus dem Johannes-evangelium (Joh 20,11-18) passt zu diesen Geschichten. Auch sie geht auf den Friedhof. Sie trauert um Jesus, sucht seine Nähe, obwohl er schon tot ist. Aber nun, o Schreck, ist auch der Leichnam nicht mehr da. Nicht einmal den kann sie betrauern.

Die Trauer um den Toten entstellt ihren Blick. Den, der sie anspricht, erkennt sie nicht. Vor lauter Trauer wähnt sie den Gärtner, dabei erscheint ihr gerade der, den sie sucht. Als Jesus sie anspricht, erkennt sie aber, dass das, was sie sucht, nicht am Friedhof zu finden ist. Darauf geht sie hin zu ihren Freunden und erzählt ihnen, was sie erlebt hat. Ihr Leben geht weiter, denn sie hat Gemeinschaft gefunden.
Auch uns beschäftigen die Toten. Wir trauern um sie, gehen auf den Friedhof, legen Blumen auf das Grab, gehen in die Kirche und nennen die Namen der Verstorbenen und beten für sie. Wir merken gar nicht, wie sehr sich unser Blick entstellt, sehen es aber manchmal bei anderen, wenn sie beispielsweise mit viel Energie Kleinigkeiten am Zustand des Friedhofs kritisieren, die nur deshalb Wichtigkeit bekommen, weil sie emotional aufgeladen sind.
Maria Magdalena geht es da ähnlich. Sie sieht etwas ganz anderes als das, was um sie herum geschieht. Aber durch die Begegnung mit Jesus erhält sie den Blick nach vorne wieder zurück. Sie sucht die Gemeinschaft auf, erzählt von ihrem Erlebnis und findet wieder Sinn im Leben.

Was genau zu Ostern geschehen ist, kann historisch nicht aufgeklärt werden. Es gibt viele ganz unterschiedliche Geschichten über den Tod und die Auferstehung Jesu.  Aber an einem Punkt decken sich alle Erzählungen: sie sprechen davon, dass Menschen nach dem Tod ihres Meisters und Leiters wieder Mut gefunden haben und zwar nachdem sie in der Gemeinschaft von anderen Menschen aktiv geworden sind und dadurch neuen Lebenssinn gefunden haben. Das ist Auferstehung.
Als Christen wissen wir auch etwas davon. Wir suchen die Gemeinschaft im Gottesdienst, teilen unsere Erlebnisse mit den Menschen, die uns nahe stehen und gehen gestärkt nach Hause. Auch damit verbinden wir Auferstehung.