Die Honterusgemeinde: Rück- und Ausblick

Pfingstsonntag 2022 in der Schwarzen Kirche Foto: Daniel-Maximilian Milata

Für unsere Kirchengemeinde war das Jahr 2021 mit großen Herausforderungen verbunden. Zu den erfreulichen Entwicklungen gehörte nach den strengen Ausgangsbeschränkungen des Jahres 2020 der leichte Rückgang der Pandemie: Wir konnten wieder Präsenzgottesdienste feiern, einige Konzertaufführungen erleben, wir feierten Konfirmation und Weihnachten in festlichem Rahmen, die freiwilligen Helfer und Helferinnen trafen sich wieder, u. v. m. Zu den positiven Höhepunkten gehörte auch die Impfkampagne an der Schwarzen Kirche – rumänienweit die erste überhaupt, die in einer Kirche stattfand: Wir traten offen für die Überzeugung ein, dass Glaube und Wissenschaft sehr wohl miteinander vereinbar sind, Wissenschaft und Aberglaube aber nicht. Die größten Magenschmerzen bereitete uns das Haushaltsdefizit: der signifikante Rückgang der Einnahmen aus dem Besucherbetrieb der Schwarzen Kirche und der Vermietung von Handels- und Wohnräumen waren die wichtigsten Ursachen.

Diakonische Arbeit ist für unsere Gemeinde ein zentrales Anliegen, denn immer noch geraten Altgewordene und Kranke hierzulande allzu leicht in kaum vorstellbare Not, wenn die Gemeinschaft sie nicht auffängt. Und die häusliche Altenpflege ist während der Pandemie erneut so wichtig geworden wie unmittelbar nach der Wende von 1989. Für 2021 hatten wir uns zwei unterschiedliche Ziele gesetzt: Die Betreuung der uns anvertrauten Menschen zu optimieren und die Lizenzierung unseres sozialen Dienstes zu erreichen. Uns ist es dabei wichtig, dem altgewordenen Menschen offen zu begegnen, ihn mit seiner Geschichte wahrzunehmen und im Heute zu begleiten. Die Auswirkungen der Pandemie, die deutlichen Einschränkungen des familiären und privaten Lebens mit ihren Effekten auf die körperliche und geistige Gesundheit forderten uns in besonderem Maße heraus und führten uns zu neuen Ideen, an deren Verwirklichung wir jetzt arbeiten. Und freilich blieb die Gemeinde auch in den Jahren der Pandemie der wichtigste Geldgeber des Altenheims in der Kronstädter Blumenau. Bei ihm handelt es sich um das einzige innerhalb der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, das nicht von der Landeskirche, sondern weitgehend von einer Gemeinde gestützt wird.

Eine geistige Brücke zwischen Öffentlichkeit und Gemeinde
Wir haben eine Reihe von Dienstleistungen, die wir im Laufe der Zeit für die breite Öffentlichkeit entwickelt haben, einer gemeindeeigenen Firma anvertraut: die Konzerte und Kirchenführungen, ein Café und einen Geschenkeladen. Die Aufgabe unserer Firma ist eine zweifache: die Angebote sollen sowohl eine geistige Brücke zwischen Öffentlichkeit und Gemeinde schlagen, als auch zur Deckung der Kosten von aufwendigen Konservierungs- und Restaurierungsprojekten beitragen.
Darüber hinaus haben wir Maßnahmen eingeleitet, die zu einer effizienteren Verwaltung von Mietgebäuden führen. Es wird uns leider nicht mehr in dem Maße wie bisher möglich sein, sozialen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, denn die Kosten für die laufende Instandhaltung und Sanierung der sozial genutzten Gebäude mussten bislang teils aus anderen, inzwischen erschöpften Quellen gedeckt werden. Und an einer weiteren Stelle wurde hart gearbeitet: Wir haben unsere Bemühungen, Übereinkünfte mit Stadt- und Kreisrat bezüglich der Mietzahlungen für große Gebäude, die von diesen seit Jahrzehnten trotz unseres mehrfachen Einspruchs für Schulen, Museen und einen Kindergarten mietfrei benutzt wurden, zu treffen, vervielfacht. Wir waren hier jahrelang in einem heiklen Dilemma. Jetzt ist es kategorisch nicht mehr tragbar, dass staatliche Einrichtungen mit dem Argument des Gemeinnutzens oder unter der Drohung, die deutsche Schule an den Stadtrand zu verlegen, auf der kostenfreien Nutzung kircheneigener Schul- und anderer Gebäude bestehen und die Gemeinde auf sämtlichen Kosten – Versicherung, Steuern, Reparaturen etc. – sitzen lassen – so, wie es bis vor Kurzem passierte. Das haben wir im Gespräch mit den Behörden, mit dem Deutschen Wirtschaftsklub Kronstadt und deutschen Diplomaten klargemacht, und wir bauen fest auf ein gemeinsames Eintreten für die deutschsprachigen Schulen, deren Existenz die Attraktivität Kronstadts für Firmen aus Deutschland mitbegründet.

Bauprojekte für das Jahr 2022
Wir unterscheiden ökonomisch relevante Projekte wie die Sanierung von Mieträumen von solchen, die unmittelbar der Gemeinde und ihrer Entwicklung dienen. Für beide Bereiche möchten wir jährlich aus dem Überschuss des Vorjahres anteilig Summen bereitstellen. Das Presbyterium entscheidet über die Genehmigung, kann aber auch jederzeit Projekte stoppen, wenn sich die ökonomischen Parameter ändern; in diesem Jahr war dies bei den Arbeiten an der Zentralheizung der Schwarzen Kirche der Fall. Ökonomisch relevant ist in diesem Jahr die Instandsetzung einer Reihe von Mietwohnungen und Mietgebäuden. Auf der Seite der Projekte für die Gemeinde stehen u. a. die Instandsetzung der Glockenaufhängung und Läutwerke sowie der Vorhalle der Schwarzen Kirche, des Daches der Obervorstädter Kirche. Eine ganz andere Dimension hat das Projekt der Neugestaltung des Honterus-Hofes: hier haben wir neue Gespräche mit der Stadtverwaltung aufgenommen, um gemeinsam eine Finanzierung aus Drittmitteln zu beantragen, nachdem unser Antrag auf EEA-Grants gescheitert war.

Reorganisation der Gemeindeverwaltung
An einer neuen Verwaltungsstruktur für die Gemeindeverwaltung wurde bereits seit einem Jahrzehnt, insbesondere seit 2018 gearbeitet. Ziel ist auch hier, die Leitungseffizienz zu steigern und das wiederholte Ungleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen zu beheben. Dazu wurden auch mehrfach externe Berater zurate gezogen.

Diese Neuordnung ist aufgrund der äußeren Umstände nun zu einer Dringlichkeitsaufgabe geworden. Die Pandemie hat, wie bereits erwähnt, dazu geführt, dass die Einnahmen aus dem Tourismusbetrieb der Schwarzen Kirche und aus dem Mietgeschäft 2020 und 2021 weitgehend weggefallen sind, und es bleibt angesichts der äußeren Umstände fraglich, inwiefern in diesem Jahr mehr Stabilität einkehren wird. Schaffen wir keinen Ausgleich, besteht die Gefahr, dass das Haushaltsdefizit untragbar wird.

Als Maßnahme zur Senkung der Ausgaben haben wir die Sanierung einer Reihe leerstehender Mieträume priorisiert, damit sie im Anschluss für die Vermietung freigegeben werden können. Gleichzeitig überprüfen wir systematisch Einsparungsmöglichkeiten im Bereich von Betriebs- und Nebenkosten. Auch die Personalkosten der Gemeinde müssen gesenkt werden. Aufgabenbereiche wurden zusammengelegt und Personal wurde umgeschichtet. Aus bisher zehn Bereichen, denen jeweils ein Bereichsleiter vorstand, wurden nun drei Bereiche mit erweitertem Aufgabenfeld. Dadurch konnten etwa 20 Prozent der Verwaltungsstellen eingespart oder umgeschichtet werden. Diese Maßnahmen sind uns nicht leicht gefallen. Wir mussten sämtliche Aufgaben auf das verbliebene Personal umverteilen. Immerhin konnten wir alle in die Hände integrer und bewährter Hände legen. Dadurch wird den Anforderungen der Gemeinde in Zukunft in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Nach erfolgter Einarbeitungsphase ist die neue Arbeitsteilung nun bereits derart effektiv, dass durchaus der Eindruck entstehen kann, dass das Pfarramt aus der Umstrukturierung gestärkt hervorgegangen sei.

Ein ereignisreicher Sommer
Für die nächste Zeitspanne rechnen wir mit einem noch weitergehenden Abklingen der Pandemie und beten für Frieden in Europa. Auf vielfachen Wunsch haben wir die Öffnungszeiten der Schwarzen Kirche deutlich ausgeweitet. Der Orgelsommer wird voraussichtlich im beliebt gewordenen Format des Vorjahres im Inneren der Schwarzen Kirche stattfinden, doch zusätzlich wird es zahlreiche Sonderkonzerte von Künstlern aus dem In- und Ausland geben. Auf dem Vorplatz serviert unser Café den Besuchern erfrischende Getränke, der Geschenkeladen lädt zum Flanieren ein - und wir arbeiten darauf hin, den Turm der Schwarzen Kirche für die Besichtigung freizugeben und den Besuchern Perspektiven auf das alte und das neue Kronstadt zu eröffnen. Weiterhin wünschen wir uns, dass wir Reformationstag, Erntedank und Weihnachten wieder ungehindert begehen dürfen; dass die Schulgottesdienste, die Ferienlager und der Laternenzug am Martinstag wieder ohne Hemmnisse stattfinden und die Generationen einander begegnen und erleben können. Dies ist das innerste Anliegen unserer Gemeinde, ihr Epizentrum; denn „wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“, sagt Christus.