„Die Leidenschaft zahlt keine Gehälter, aber es ist ein Beruf, der viel zurückgibt“

Interview mit der deutsch-namibischen Journalistin Sybille Moldzio-Schonecke

„Hallo liebe Elise. Hier ist die Bille aus Namibia“. Mit diesen Worten begann eine E-Mail, die ich im Oktober bekommen habe. Die Absenderin, Sybille Moldzio-Schonecke , wohnt in Windhoek und  ist Moderatorin und Mitbetreiberin des privaten deutschsprachigen Senders Hitradio Namibia. Dass es im afrikanischen Staat südlich des Äquators eine deutschsprachige Zeitung und zwei deutsche Radiosender gibt, habe ich während einer Recherche vor ein paar Jahren erfahren. Ebenfalls die Tatsache, dass Deutsch neben Afrikaans und der offiziellen Amtssprache Englisch in Namibia eine wichtige Verkehrssprache ist. Neben der Sprache bleibt ein landesweiter Einfluss der Deutschnamibier vor allem in Ess- und Festkultur, Vereinswesen sowie Wirtschaftsstruktur lebendig. 

2011 gaben ca. 20.000 Namibier Deutsch als Muttersprache an. Sybille Moldzio ist eine von ihnen. Sie wurde 1984 in Windhoek, Namibia, geboren. Nach ihrem Schulabschluss war sie für drei Jahre beim deutschen Hörfunk der Namibian Broadcasting Corporation (NBC) als Redakteurin und Sprecherin tätig. Danach vertiefte sie ihre erste Berufserfahrung mit Praktikumstätigkeiten bei verschiedenen Radiosendern und Medienunternehmen in Deutschland und lernte reisend Europa kennen. Sybille Moldzio studierte im Anschluss daran Multimediadesign in Kapstadt und kehrte im Jahr 2010 wieder zur NBC zurück. 2013 wechselte sie als Redakteurin und Sprecherin zum neugegründeten deuschsprachigen Sender Hitradio Namibia in Windhoek (hitradio.com.na/livestream).  Mit ihren Sendungen versucht sie, die deutsche Sprache wie auch die deutsche Kultur insgesamt in Namibia zu pflegen und zu erhalten. 2021 wurde sie von der Internationalen Medienhilfe zur Auslandsdeutschen des Jahres gewählt. 

Sybille schrieb mir, um mich in ihre Sendung einzuladen. Während unseres Radio-Interviews merkte ich, dass ich ebenfalls viele Fragen an sie habe. Also fragte ich sie, ob sie einverstanden ist, ein Interview für die Karpatenrundschau zu geben. Unser Gespräch lesen Sie in den folgenden Zeilen.         

Liebe Sybille, wie sieht dein heutiger Tag aus? Laut den Informationen, die ich aus dem Internet habe, sind es gerade 35 Grad Celsius in Windhoek… Also richtiger Sommer. 
Ja, liebe Elise, momentan tatsächlich so um die 33 Grad. Es ist gerade Sommer bei uns. Wir hatten gerade eine Hitzewelle, bei 42 Grad. Viel zu heiß und auch viel zu trocken. Wir warten sehnsüchtig auf die Regenzeit. Jeder sagt was anderes. Der eine meint, es wird ausreichend Niederschlag geben, der nächste sagt, nur stellenweise und der andere sagt, es wird keine gute Regenzeit für die kommende Saison geben. Die kleine Regenzeit, die meistens so September, Oktober ansteht, ist in diesem Jahr leider ausgefallen. Wir warten gespannt. 

Aus dem Internet habe ich erfahren, dass Deine Eltern beide deutschstämmig sind und dass die Vorfahren Deines Vaters bereits in der deutschen Kaiserzeit ins Land kamen. Du hast eine deutsche Schule besucht und immer zu Hause Deutsch gesprochen. Welches ist Dein Verhältnis zu Deutschland? Hast Du noch Verwandte dort? 

Ich liebe Deutschland und bin gern dort zu Besuch. Leider viel zu selten, da es finanziell doch eine Herausforderung ist und jetzt habe ich auch noch eine kleine Familie, mit zwei kleinen Kindern. Da ist das Reisen dann doch ein wenig anstrengend und gern möchte ich, dass meine Kinder dann auch etwas mitbekommen und es auch verstehen, wo die Vorfahren hergekommen sind. Daher warte ich noch ein wenig und fange jetzt schon mal an zu sparen. Für einen Euro zahlen wir schon über 20 Namibia-Dollar. Das sind dann schon happige Verhältnisse. 

Ich habe tatsächlich noch Verwandte dort. Und auch noch Kontakt zu ihnen, auch wenn selten. Aber der Kontakt ist noch da und das ist auch sehr wichtig für mich. Außerdem habe ich einige Freunde dort und ehemalige Praktikanten, mit denen ich noch in Kontakt bin. Da ist der Austausch dann schon öfter und intensiver, im Sinne von Informationsaustausch. 

Im Internet lese ich: „In Namibia gibt es 20.000 Deutsche und Deutschstämmige, die eine wichtige Stütze der namibischen Wirtschaft darstellen und eine beeindruckende Infrastruktur mit eigenen Schulen, Buchhandlungen, Brauereien, Cafés, Ärzten, Karnevalsvereinen, zwei Radioprogrammen und sogar einer Tageszeitung in der eigenen Muttersprache geschaffen haben.“ Wie sieht die Kulturlandschaft aus? Gibt es Veranstaltungen in deutscher Sprache? 

Ja, tatsächlich gibt es Veranstaltungen in deutscher Sprache, die sich aber mit der englischen Sprache zusammentun, um diejenigen unterzubringen, die der Deutschen Sprache nicht mächtig sind, ob das gerade stattgefundene Oktoberfest in Windhoek oder viele Oktoberfeste in kleineren Städten wie Swakopmund oder Otjiwarongo. Und dann haben wir fast das ganze Jahr über Karneval, in der Hauptstadt, an der Küste, in den ländlichen Gebieten und in kleineren Orten, diese Veranstaltungen sind fast ausschließlich in deutscher Sprache. Aber es gibt auch kleinere Feste, wie Kasperletheater, Weihnachtsmärkte, Konzerte, Buch-Vorlesungen etc. 

In Namibia gibt es die „Allgemeine Zeitung“ in deutscher Sprache und gleich zwei deutschsprachige Radiosender. Wie verbreitet ist die deutsche Sprache? Kann man sie noch auf der Straße hören? 

Die letzte Volkszählung war 2011, also wissen wir nicht wirklich, wie es um die Deutschsprachigen steht, hier in Namibia. Aber wir nehmen an, dass es um die 25.000 sind – ob da die deutsche Sprache als Fremdsprache mit drin ist, können wir leider auch nicht sagen. Aber ja – an bestimmten Orten und in manchen Städten kann man tatsächlich noch Deutsch auf der Straße hören, wie zum Beispiel Swakopmund und Otjiwarongo und mancherorts auch in Windhoek. Um nur ein paar zu nennen. 

Woher kommt Deine Leidenschaft zum Journalismus?  

Tatsächlich von meiner Mutter. Meine Mutter hat über 25 Jahre für Funkhaus Namibia (nbc) gearbeitet, den öffentlich-rechtlichen Sender in Namibia, der eben auch einen deutschen Zweig hat. Meine Schwester und ich haben meiner Mutter immer im Radio zugehört und das hat mich so fasziniert, dass ich es auch irgendwann machen wollte und einige Jahre später war ich dann auch bei Funkhaus Namibia angestellt, bis ich zu Hitradio Namibia im Jahre 2013 gewechselt bin. 

Seit 3 Jahren bist Du Eigentümerin des privaten Radiosenders Hitradio Namibia. Wie kam es dazu? 

Ich hatte 2013 bei Hitradio Namibia angefangen und musste den Sender aus finanziellen Gründen 2018 verlassen. Mein damaliger Chef hatte dann aber im Jahr 2020 den Sender verkaufen wollen. So kamen wir damals ins Gespräch und am 31. Juli 2020 unterschrieben wir dann den Vertrag und der Sender gehörte uns. Heute noch weiß ich nicht, ob es wirklich das Schlauste war, inmitten Corona einen deutschsprachigen Sender in Namibia zu kaufen. Eines weiß ich aber, es war das Schönste. Denn die Leidenschaft zahlt zwar keine Gehälter, aber es ist ein Beruf, der viel zurückgibt. Denn auch wenn es Knochenarbeit ist und wir immer noch finanziell sehr schwierig dastehen, macht dieser Beruf unheimlich viel Spaß und wir tun was Gutes für die deutsche Sprache und die deutschsprachige Gesellschaft.
 
Im Programm gibt es stündliche Nachrichten in deutscher Sprache und viel Musik. Gibt es auch Sendungen zu bestimmten Themen? 

Wir haben eigentlich nur die Livesendung am Morgen, während der Woche, von 6 bis 9 Uhr und dann wird eben noch vorab am Mittag und am Nachmittag Inhalt aufgezeichnet. Spezifische Sendungen gibt es nur im Musik-Format, wie zum Beispiel der Deutsche Dienstag, der 2 Stunden jeden Dienstag von 19 bis 21 Uhr läuft, währenddessen wird nur deutsche Musik gespielt – so hat jeder Abend einen Themen-Abend. Mittwochs ist es der Wild Wednesday, da gibt es nur Country Musik und an Donnerstagen spielen wir zum Beispiel Rock für 2 Stunden etc. Wir haben aber noch einen Podcast, den wir parallel laufen lassen. Er heißt Namibia Hören und da besuchen wir bestimme Orte in Namibia und sprechen aber auch mit Personen, die sich für Namibia einsetzen und einen Unterschied machen möchten.

Welches sind die wichtigsten Herausforderungen der deutschsprachigen Medien in Afrika?

Für uns persönlich ist es Geld und Personal. Wir leben rein von Werbung. Das tut Funkhaus zum Beispiel nicht, da es Teil eines großen Medienhauses ist und zudem halbstaatlich. Mit anderen Worten werden sie durch Steuern etc. noch zusätzlich unterstützt. Die Allgemeine Zeitung zum Beispiel wird durch ein Privatunternehmen mitfinanziert, also ist ebenfalls Teil eines Medienhauses, welches jedoch privat ist. Neben finanziellen Schwierigkeiten bei Hitradio Namibia haben wir zusätzlich auch noch große Probleme, neue Leute an Land zu ziehen. Das liegt daran, dass junge Leute nach der Schule nach Südafrika oder Deutschland gehen, um dort zu studieren und nicht immer kommen sie wieder zurück und irgendetwas zu studieren, was mit Medien zu tun hat, scheint auch nicht unbedingt beliebt zu sein, zudem der Beruf auch nicht gut bezahlt wird. Zumindest können wir uns nicht große Gehälter leisten. 

Wer hört Hitradio Namibia? Habt Ihr Kontakt zu Eurer Hörer-Gemeinschaft? Bekommt Ihr Feedback und Anregungen? 

Wir haben ein recht enges Verhältnis zu unseren Hörern. Wir haben über WhatsApp recht viel Kontakt zu unseren Stammhörern, durch Infokanäle, Gewinnspiele und Sonstiges. Daher sind wir in regem Austausch mit unseren Hörern und das ist uns auch wichtig, dass wir ein persönlicher Radiosender sind, mit Familien-Flair. 

Wie sieht es mit dem Medienkonsum bei deutschsprachigen Jugendlichen in Namibia aus? 

Sie sind sehr viel auf Tik Tok, Instagram und Spotify unterwegs und sie haben nun ja auch wenig Kaufkraft und gehören somit nicht wirklich zu unseren Hörern, da unsere Hörer bei 30 anfangen und bis 60 hoch gehen. 

Gemeinsam mit dem Goethe-Institut hat Hitradio Namibia das Projekt „LaboRadio“ in Schulen geschlossen. Kannst Du uns mehr über dieses Projekt verraten? 

Da geht es um die Pasch-Schulen in Namibia, das sind Schulen die u.a deutsch als Mutter- oder Fremdsprache anbieten und da hatte das Goethe Institut Schüler aus den Pasch-Schulen eingeladen, die Deutsch als Fremdsprache gewählt haben, um mit ihnen in die Welt des „Radiomachens“ einzutauchen. Wir haben ihnen beigebracht, wie man Vox-Pops sammelt, also die Stimmen der Leute, die auf den Straßen unterwegs sind. Zusätzlich haben wir ihnen beigebracht, wie man einen gebauten Beitrag macht, auch generelle Info über die Radio-Welt in Namibia und auch die Technik hinter den Aufnahmen und dem Schnitt haben wir in dem einwöchigen Kurs an Wissen weitergegeben. Letztendlich entstanden Beiträge zu relevanten Themen in Namibia. 

Ich nehme an, wie jeder Privatsender finanziert sich das Radio durch Werbung. Wie stehen die Zukunftsperspektiven? Und wie sah der Alltag in der Corona-Zeit aus? 

Ja, das ist nach wie vor schwierig, sich über Wasser zu halten. Aber wir geben nicht auf und blicken positiv in die Zukunft. Wir zahlen nach wir vor in den Sender rein, also das Produkt trägt sich immer noch nicht und während Corona, war es auf jeden Fall noch schwieriger, finanziell zu überleben, aber wir bleiben dran und geben vorerst noch nicht auf. Während Corona haben wir oftmals von zuhause gearbeitet. Das geht heute mit Technik alles recht einfach. 

Das Programm soll auch den Umweltschutz und die Verständigung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Lande fördern. Wie gelingt das? 

Es ist ein langwieriger Prozess, aber es gibt Reaktionen und sehr sehr viele großartige Initiativen, die wir gern auch unterstützen, eben um das Bewusstsein unserer Hörer zu stärken. Ich sehe es aber auch Teil unserer Aufgabe, an diese Themen anzuknüpfen und das Wissen weiterzugeben und vor allem Bewusstseinsschaffung stark zu „pushen“. 

2021 wurdest Du zur Auslandsdeutschen des Jahres gewählt. Was bedeutet diese Auszeichnung für Dich? 

Ich habe es nicht erwartet und als das dann der Fall war, haben sich dann einige aus Deutschland und anderen Ländern bei mir gemeldet. Sogar aus Australien gab es einen Anruf und ein Radio-Interview. In vielen Zeitungen wurde über den Sender und die deutsche Minderheit in Namibia geschrieben und Sender wie der WDR zum Beispiel haben ebenfalls Interviews mit mir geführt. Das war eine großartige Sache. Es hat den Sender auf jeden Fall ein kleines bisschen „berühmter“ gemacht und hat geholfen, auch über Namibia und die Deutschsprachigen hier aufzuklären. Das war schon eine großartige Initiative. 

Mir hat es sehr viel bedeutet, zudem es somit ja auch gezeigt hat, dass was wir hier machen, auch gesehen und gehört wird und wir auch dadurch eine gewisse Aufgabe den deutschsprachigen Namibiern gegenüber haben, wir aber nicht nur für Namibier, sondern auch Deutsche in Deutschland, Österreich und in der Schweiz und weitere Deutschsprachige im Ausland Radio und Podcast machen. 

Was sollte man unbedingt machen, wenn man zum ersten Mal als Tourist in Namibia ist? 

Alles! Am wichtigsten ist wohl der Etosha National Park, wo die Tierwelt umwerfend ist. Dann ist Swakopmund einfach wegen der Atlantik-Küste interessant, und es ist tatsächlich noch das deutscheste Örtchen, was wir in Namibia haben, vom Flair her und dann ist auch wichtig, Sossusvlei, die höchste Düne der Welt zu besuchen und wer noch ein bisschen mehr Zeit mitbringt, sollte sich den Fish River Canyon nicht entgehen lassen und sich die Wilden Pferde bei Aus anschauen. Kleine Insider Tipps sind aber auch Plätze wie Erongo Rocks (www.erongorocks.com/) oder Donkerhuk Safaris (www. donkerhuk.com.na/) sowie die Tiras- Berge und der Spreetshoogte Pass. 

Was tust Du in Deiner Freizeit?

So viel Freiheit habe ich nicht mehr, haha – wir haben zwei kleine Kinder im Alter von 2 Jahren und 8 Monaten. Aber mit ihnen fahren wir zu uns auf die Farmen – dort genießen sie die Natur und die Tiere. Wir gehen mit unseren Hunden aber auch sehr gern spazieren und wandern. Und wenn wir in Windhoek, dort wo wir wohnen, bleiben, dann sind wir oftmals mit Freunden unterwegs und machen am liebsten Lagerfeuer und Braai (das heißt so viel wie grillen). Wenn wir dann mal zur Küste fahren, ist Angeln angesagt und für die Kinder ganz viel Strand. 

Vielen Dank für das Gespräch!