Eine „etwas andere“ Jura-Konferenz in Kronstadt

Gespräch mit der Koordinatorin Emanuela Laura David

Begeisterung und Initiative: Emanuela Laura David koordiniert die Jura-Konferenz in Kronstadt.
Foto: privat

Stellen Sie sich diese düstere Situation vor: Ihr bester Freund gesteht Ihnen, dass er Mord begangen hat. Wie reagieren Sie? Für das Verschweigen der Tat sieht das rumänische Strafrecht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis drei Jahren vor. Denunzieren Sie? Oder nicht?

Wer am 30. und 31. Oktober an der Jura-Konferenz in Kronstadt teilnehmen will, muss im Anmeldeformular unter anderem diese schwierige Frage beantworten. Das Tagungsthema lautet „Die Gerechtigkeit aus juristischer, politischer, sozialer und theologischer Perspektive“. Die Veranstalter sind Kronstädter Jurastudenten, Dozenten der Fakultät für Rechtswissenschaften und Mitglieder der Studentenvereinigungen BEST und AIESEC.

Ihnen geht es nicht „nur“ um Gesetzesartikel, wissenschaftliche Analysen, Fachvorträge, Informationen für Insider, sondern um mehr: um die Frage der Gerechtigkeit in der heutigen Gesellschaft oder in der rumänischen Politik, um Frauenrechte, Armut, Freiheit oder Gefängnis, um Gott als Quelle der Gerechtigkeit und um „das Böse“ in der Welt. Zielgruppe der Tagung sind nicht nur die angehenden Juristen, sondern alle Studenten, die mitdiskutieren möchten. Zu den Plenarsitzungen, Referaten, Workshops und praktischen Übungen werden in der Aula der Kronstädter „Transilvania“-Universität insgesamt 700 junge Teilnehmer erwartet.


Jung ist auch die Koordinatorin der Konferenz, Emanuela Laura David (25). Sie ist gebürtige Kronstädterin und Absolventin der pädagogischen Abteilung des Lyzeums „Andrei Mureşanu“ sowie der Juristischen Fakultät Kronstadt. „Ich glaube an die Gerechtigkeit“, schreibt sie auf der Homepage der Konferenz, www.conferintadedrept.ro Ob diese feste Überzeugung auch ihre Kommilitonen überzeugen wird? Mit Emanuela Laura David sprach KR-Redakteurin Christine Chiriac.


Wieso diese „etwas andere“ Jura-Konferenz in Kronstadt?

Zur Idee, eine Konferenz zu veranstalten, kam es in erster Linie aus Begeisterung. Mich faszinieren die Rechtswissenschaften – ich habe dieses Studium aus reinstem Spaß gemacht, keineswegs für den „sicheren“ Abschluss oder für gute Noten. Deshalb habe ich immer wieder auch weiterführende Infos gesucht.

Ich wusste zum Beispiel, dass Harvard als außergewöhnlich gute Universität berühmt ist und habe mich nach Online-Seminaren von Harvard umgeschaut. So habe ich die Seminarreihe „Die moralische Seite des Mordes“ von Michael Sandel entdeckt. Ich war begeistert.

Andererseits habe ich hier in Kronstadt inspirierende Menschen und sehr gute Juristen kennengelernt, sodass ich schließlich beides verbinden und die außergewöhnliche Seminarreihe nach Kronstadt bringen wollte.

Gab es bisher vergleichbare Tagungen in Kronstadt?

Ich kann nicht sagen, ob im Rahmen unserer Fakultät jemals ähnliche Konferenzen veranstaltet wurden, aber ich habe des Öfteren an sehr interessanten Seminaren und Symposien mit exzellenten internationalen Rednern  teilgenommen. Zudem organisieren auch die hiesigen Studentenvereinigungen Seminare zu einer Vielfalt von Themen.

Die Veranstaltungen, die mich am meisten inspiriert haben, sind diejenigen von Music Camp International in Rumänien – das ist ein ganz anderer Bereich, aber ich engagiere mich ehrenamtlich im Rahmen dieser Organisation. Die Leiterin, Dr. Connie Fortunato, ist für mich ein persönliches Beispiel von Hingabe, Durchsetzungskraft, Durchhaltevermögen für ein nobles Ziel, für die Würde und das  Vertrauensgefühl der Kinder.

Wer macht im Organisationsteam der Jura-Konferenz mit?

Das Projekt der Konferenz habe ich zuerst dem Dekan unserer Fakultät, Prof. Dr. Cristinel Murzea, vorgestellt. Er hat Frau Prof. Dr. Carmen Gheorghe gebeten, mich bei der Koordination zu beraten und zu unterstützen. Seither konnte ich mit ihr jeden einzelnen Schritt besprechen und vorbereiten. Zugleich habe ich auch Studentenvereinigungen angefragt, und die Vertreter von BEST und AIESEC sind meiner Einladung sofort gefolgt. Auch einzelne Studenten haben sich für das Organisationsteam angemeldet. 

Sicherlich wird eine Konferenz nicht nur von zwei Personen organisiert: je mehr Helfer, desto besser das Ergebnis, denn Aufgaben gibt es genug: man muss Referenten anfragen, Übernachtungsmöglichkeiten für die Teilnehmer finden, Werbung für das Event machen, den Kontakt zu den Medien pflegen, möglichst viele Sponsoren und ehrenamtliche Helfer begeistern.

Ohne die Genehmigungen, die Empfehlungen und die Beratung seitens unserer Dozenten hätten wir gewiss viel weniger erreicht. Eine schöne Überraschung kam auch von den Medien, die uns sofort unterstützt haben.

Wieso eine interdisziplinäre Annäherung und die Öffnung für Teilnehmer aus allen Studienrichtungen?

Um diese Frage zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen: Ich habe drei Jahre lang als Kindergartenerzieherin gearbeitet und habe den Wandel im rumänischen Unterrichtssystem unmittelbar in der Praxis erlebt. Zunehmend fällt der Schwerpunkt auf den „integrierten“ Unterricht. Das bedeutet zum Beispiel, dass das Schnee-glöckchen nicht nur aus der Perspektive der Pflanzenkunde vorgestellt wird. In der Musikstunde singt man ein Schneeglöckchen-Lied, im Zeichenunterricht wird das Schneeglöckchen gemalt und so weiter. Nach einer Woche ist die Information bei den Kindern gründlicher gefestigt, als im „getrennten“ Unterricht.

Auch das Thema unserer Konferenz, die Gerechtigkeit, ist sehr breit gefächert. Ich bin überzeugt, dass eine Annäherung aus unterschiedlichen Blickwinkeln auch an der Uni erfolgreich sein wird. Weltweit tendieren die Konferenzen heutzutage eher zu einer interdisziplinären Perspektive. Zudem gehört unser Thema zur Allgemeinbildung, weniger zu einem bestimmten akademischen Fachbereich.