Eine Vernetzung der Energieressourcen und -flexibilitäten

Kurzinterview mit Prof. Dr.-Ing. Frank Truckenmüller, Hochschule Reutlingen

Prof. Dr.-Ing. Frank Truckenmüller
Foto: Ralf Sudrigian

Beim X. Energietag Kronstadt/Brașov waren virtuelle Kraftwerke das Thema eines von REPOM-Direktor Martin Moise moderierten Workshops. Dazu eingeladen war auch Prof. Frank Truckenmüller der an der Hochschule Reutlingen ein Demonstrationsprojekt zu diesem Thema betreut. In einem nach Abschluss der Konferenz geführten Kurzinterview sprach Prof. Truckenmüller über die Vorteile, die ein virtuelles Kraftwerk vorweisen kann.

Was versteht man unter einem „virtuellen” Kraftwerk? Eines, das es noch nicht gibt?

Nein, der Name ist ein bisschen irreführend. Wir gehen immer mehr zu erneuerbaren Energien über, das heißt Wind, Sonne sind zum Beispiel die Hauptsäulen der europäischen Energieversorgung in Zukunft. Hinzu kommt noch Kraft-Wärme-Kopplung. Wenn ich viel Wind habe, habe ich genug Energie - umgekehrt, wenn ich keinen Wind habe, habe ich keine Energie. So entsteht eine „schwarze Flaute“. Das ganze System muss also stabilisiert werden. Das macht ein virtuelles Kraftwerk. Man versucht, Wind und Sonne am Markt zu verkaufen, oder auch zu speichern. Wenn viel Wind ist, ist der Preis der Wind-energie günstig, dann ist sehr viel Strom da. Dann mach ich z.B. meine Waschmaschine an. Das Ganze wird über das virtuelle Kraftwerk gesteuert, im Endeffekt wird versucht, alles über Steuerprozesse und -impulse auf einer Plattform zu verwalten. Wenn der Strom billig ist, dann lade ich zum Beispiel mein elektrisches Fahrzeug. Wir werden immer mehr mit fluktuierender Energieerzeugung zu tun haben. In Deutschland haben wir zum Beispiel keine Kernkraftwerke, Kohlekraftwerke werden wir abschalten. Bei dieser sehr volatilen Energieerzeugung muss ich von der Marktseite her reagieren und das ist die Aufgabe eines virtuellen Kraftwerkes.

Wir befinden uns in einem Transformationsprozess vom zentralen zum dezentralen System, wo jeder mitmachen kann, z.B. mit seiner Photovoltaikanlage. Das virtuelle Kraftwerk ist die Steuerungs- und Kommunikationsplattform, um am Markt teilzunehmen auch als kleiner Besitzer einer Photovoltaikanlage.

Die räumliche Distanz spielt dabei keine Rolle?

Das ist nicht ausschlaggebend. Es gibt virtuelle Kraftwerke, die sind deutschlandweit. Biogas-Anlagen, die Next-Kraftwerke sind so eine Vorzeigeprojekt. Dort kann man schon mit 50 KW Leistung teilnehmen – die Stadtwerke machen das schon. Unser gesamter Lebensbereich wird davon beeinflusst werden.

Wie steht es mit den Speicherkapazitäten für erneuerbare Energie?

Das ist der nächste Schritt. Das virtuelle Kraftwerk ist die Vernetzung von all den Energieressourcen und -flexibilitäten. Es gibt ja auch virtuelle Speicher: eine Waschmaschine kann das sein in dem Sinn: ich wasche dann, wenn ich (günstigen) Strom habe. Viele Photovoltaik-Systeme werden heute in Deutschland mit Speicher verkauft. Diesen Speicher kann ich dann wiederum am Markt platzieren.

Die ganze Gesellschaft wird von diesem Konzept durchdrungen sein. Es hört sich an, als wäre alles noch weit weg, aber das wird sehr schnell in den Markt gehen. Denn in Deutschland haben wir einen vergleichsweise hohen Strompreis.

Bei der Sonneneinstrahlung von hier, in Rumänien, lohnt sich schon eine kleine PV-Anlage zu bauen. Es wird irgendwann schon interessant, wenn man sich mit anderen zusammentut: der eine hat einen Speicher, der andere ein elektrisches Auto.

Was bringt das Projekt an der Uni Reutlingen?

Wir wollen dort ein virtuelles Kraftwerk aufbauen. In Reutlingen haben wir sehr viel Mittelstand, der selber ein Blockheizkraftwerk in Photovoltaik hat. Das wird im Moment nicht netzdienlich betrieben. Es wird an den Zeitpunkt gedacht, wo ich mich frage: „ Was mache ich mit dem Strom den ich produziere?“ Im virtuellen Kraftwerk habe ich dann die Möglichkeit den Strom zu vermarkten, dann geb ich meine Anlagen aus der Hand, krieg dafür den Strom etwas günstiger und versuch, aus meinen Anlagen über die Börse, etwas Geld zu generieren.

Vielen Dank für dieses Gespräch!