Einige Gedanken zu den Pocken in Kronstadt und in Siebenbürgen

Vor einiger Zeit wurde an dieser Stelle über die Verbreitung einiger epidemisch auftretenden Krankheiten in Kronstadt gesprochen, dabei wurden auch die Pocken kurz erwähnt. Nach längerer Zeit fiel mir der Band „Medizin im alten Siebenbürgen“ von A. Huttmann wieder in die Hände.  Hier fand ich in einem Beitrag einige interessante Angaben, von denen ich glaube, dass sie allgemeines Interesse verdienen.

Wir erinnern uns kurz: 1980 hat die WHO (Weltgesundheitsorganisation) die Pocken als ausgerottet bezeichnet, die letzte Epidemie fand 1977 in Somalia statt. Seither ist durch die umfassende, weltweite Impfpflicht diese Geißel der Menschheit, im Gegensatz zu Pest und Cholera, nicht mehr aufgetreten.  Im allgemeinen wird angenommen, dass der englische Arzt Edward Jenner der erste war, der eine Pockenimpfung erfunden habe. Huttmann berichtet aber, dass im 17.Jh. in Istanbul ein griechischer Arzt Impfungen mit dem Inhalt von Pockenbläschen durchgeführt habe und die Frau des englischen Gesandten, Lady Wrtley Montague diese Methode nach England gebracht habe.

1715 hatte der griechische Hofarzt der Fürsten der Wallachei, [erban Cantacuzino und Constantin Brâncoveanu Dr. Jacob Pylaring, in Venedig ein Buch über diese Methode veröffentlicht.

In Siebenbürgen wendeten die rumänischen Hirten diese Behandlung seit altersher an, obwohl sie ein Risiko der Möglichkeit einer Erkrankung behielt, jedoch war die Gefahr der Sterblichkeit gegenüber einer echten Pockenerkrankung viel geringer. 

Dr. Edward Jenner nahm am 14. Mai 1796 die erste Pockenimpfung mit dem Inhalt der Kuhpocken  vor. Er veröffentlichte diese Methode  1798. In Siebenbürgen führte der englische Chirurg Scott auf der Durchreise in Hermannstadt 1800 die erste Pockenimpfung durch, die aber erfolglos war, denn der Impfstoff war nicht wirksam.

1801 impfte der Militärchirurg Joseph Endlicher in Hermannstadt erfolgreich, im gleichen Jahr in Târgu Mure{ Dr. Jozsef Szotyori und später Dr. Joseph Barbenius und Dr. Georg Tartler in Kronstadt, die über 100 Kinder geimpft haben sollen. Im Oktober 1801 impfte Dr. Ferenc Nyulas in Klausenburg, der auch für die Verbreitung des Impfstoffes in den verschiedenen Städten sorgte. 

In Folge erschienen in Siebenbürgen mehrere Broschüren in den drei Landessprachen, durch die die Pockenimpfung bekannt gemacht und für sie geworben wurde. 1809 wurde die Pockenimpfung in den Schulen (in Siebenbürgen) verpflichtend eingeführt. Der Großteil der Bevölkerung stand der Impfung skeptisch gegenüber, deshalb wurde 1809 verfügt, dass Nichtgeimpfte keinerlei Stipendium erhalten sollten und in keine Schule oder Internat aufgenommen werden durften. Trotz dieser Verfügung wurden noch 1821 im Burzenland von 1226 Kindern nur 631 geimpft.
1833 erfolgte die Verordnung, dass niemand, der nicht gegen die Pocken geimpft sei,  ein öffentliches Amt bekleiden oder in einer Zunft arbeiten dürfe. 1826 schlug Dr. Szotyori die Wiederholung der Impfung vor, da er beobachtet hatte, dass die Wirkung der ersten Impfung in ihrer Wirksamkeit nachließ.  1864 waren in Siebenbürgen, laut Dr. Daniel Pataki, 60.000 Kinder geimpft. Zu Beginn wurde der Impfstoff aus Wien beschafft, jedoch in der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde auch in Arad produziert, in Tartlau stellte ihn Dr. Pichler her. 

Wegen der Verweigerung der Bevölkerung und des sehr ungleichmäßigen Impfstoffes, kam es im 19. Jh. immer wieder zu Ausbrüchen der Pocken, bis per Gesetz die allgemeine Pockenimpfung durchgesetzt wurde.

Zum Schluss noch die eigene Erinnerung an die Wiederholung der  Pockenimpfung: Es  war zu Beginn des Schuljahres, d.h. des Kindergartens. Die große Gruppe trat in der „Halle“, ein halb offener Querbau im Hof des Kindergartens, an. Auf einem Tisch mit weißem Tischtuch stand eine kleine Spirituslampe, ein Gefäß mit Verbandzeug und einige Flaschen. Die Schulschwester hatte einen Federhalter in der Hand in dem eine spitze Schreibfeder steckte. Die Kinder traten der Reihe nach an, mit hochgestreiftem Hemdsärmel, es war ja noch sommerliches Wetter. Die Schwester wischt mit einem in Alkohol getränktem Wattebausch eine Stelle am Oberarm, fuhr mit der Feder durch die Flamme der Lampe, tauchte sie in ein Fläschchen und ritzte dann an der Stelle, die sie mit Alkohol „desinfiziert“ hatte, einige Mal die Haut. Danach noch ein Wischer mit dem Wattebausch und die Operation war geschehen. Da ganze hört sich heute, da Hygiene groß geschrieben wird, abenteuerlich an, aber meiner Erinnerung nach hat niemand Schaden genommen, auch die Pocken hat keiner bekommen.  

Zum Schluss drängt sich noch ein Gedanke auf: Die Impfmüdigkeit, respektive die Impffeindlichkeit, die sich immer weiter ausbreitet. Da wird mit allen möglichen und unmöglichen Argumenten gegen das Impfen gewettert, dass aber nur durch das konsequente Durchführen der Impfprogramme Krankheiten wie Pocken ganz, andere, wie die Kinderlähmung, stark zurückgedrängt wurden und so unsägliches Leid verhindert wurde, wollen die Apostel, die das Impfen verteufeln, nicht wahr haben. Ein aktuelles Beispiel sind die Masern, die bis vor Kurzem kein Problem darstellten. Seit aber die verpflichtende Impfung eingestellt wurde und nur noch freiwillig geimpft wird, sind sie wieder explosionsartig aufgetreten mit vielen Todesopfern und noch mehr Folgeschäden. Man sollte es sich also gut überlegen, gegen diese Maßnahmen, aus welchen Motiven immer, religiösen, ethischen, naturbeflissenen, zu propagieren.