Eng mit der Geschichte verbunden

Vor 25 Jahren starb Dr. Eduard Eisenburger, ehemaliger Chefredakteur unserer Wochenschrift

Dr. Eduard Eisenburger (1928 – 1990). Foto: KR-Archiv

Kurz nach der politischen Wende vom Dezember 1989 verstarb, am 8. März 1990, nach einem schweren Leiden unser ehemaliger Chefredakteur Dr. Eduard Eisenburger. Viele fragten sich, wie hätte er sich den neuen Gegebenheiten im Lande angepasst? Wie wäre er weiter von seinen Mitbürgern eingeschätzt worden, nachdem er in den vergangenen Jahren der „Goldenen Epoche“ so hochrangige Ämter als Vertreter der deutschen Minderheit im Lande bekleidet hat?

Sicher hätte er sich der neuen politischen Lage angepasst, da er besonders in den letzten Jahren seines Lebens als aktiver Journalist längst nicht mehr aus Überzeugung den Ideen einer sich zum Ende  neigenden geschichtlichen Epoche nahestand. Auch hat er selbst, so wie andere Tausende unserer Mitbürger in seiner Jugendzeit Flucht, Deportation, Enteignung miterleben müssen. Die ihm im Laufe der Jahre dann erteilten Aufgaben als politischer Vertreter der Minderheit, der er angehörte, führten ihn in hochrangige Ämter wie Mitglied des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei, des Staatsrates, Vorsitzender des Rates der Werktätigen deutscher Nationalität in Rumänien, Mitglied der Großen Nationalversammlung.

Persönlich habe ich ihn im März 1965 kennengelernt und gehörte  bis zu seinem Tod zu seinen engen Mitarbeitern. Ich war mir immer mehr auch bewusst, dass zwischen seinen Aussagen und innerlichen Gefühlen ein immer größerer Abstand sich breit machte. Das konnte ich nicht nur in der Redaktion, sondern auch bei gemeinsamen Ausfahrten zu Brauchtumsfesten feststellen. Aber auch in den späteren Jahren, wenn er einem erlaubte, einen Blick in die „Siebenbürgische Zeitung“ zu werfen, eine in jenen Zeiten „feindliche“ Publikation, die nur er erhielt, oder als er uns aufmerksam machte, von politischen Witzen abzusehen, die in unserem Raum, in dem ich mit Redaktionssekretär Hannes Schuster saß, zusammen mit anderen Kollegen  gemacht wurden. Oder, nachdem wir unsere Geburtstage in der Redaktion  mit dem ganzen Team feierten und auch kritische Bemerkungen fielen, betonte er, auf diese Feiern zu verzichten. Wir waren uns somit noch mehr bewusst, dass es „Wanzen“ in den Räumen gab. So wurden wir davor bewahrt, von unliebsamen Stellen Fragen gestellt zu bekommen. Und wenn es trotzdem geschah, konnte er, wie er sagte, mit „seinem breiten Rücken“ sich für einen einsetzen.

Geboren wurde Eduard Eisenburger am 4. April 1928 in Treppen, nahe Bistritz. Hier besuchte er auch die Grundschule, dann das Gymnasium in Bistritz. Schöne Tage seiner Kindheit  verbrachte er bei seinen Großeltern. Der eine Großvater war Pfarrer, der andere Notar. Er erlebte 1944  die Evakuierung der Sachsen aus Nordsiebenbürgern. Als 16-Jähriger kam er bis an die Weichsel, dann nach Österreich, wo er wieder auf seine Mutter und Großeltern traf, nachdem er von diesen während der Flucht getrennt worden war. Auf der Heimfahrt wurde er aus dem Waggon geholt und nach Russland deportiert. Da er erkrankte, wurde er mit einem Krankentransport in die Heimat geschickt und schloss  das Lyzeum 1948 in Mediasch ab. Anschließend studierte er in Bukarest Wirtschaftswissenschaften. Da lernte er auch seine spätere Lebensgefährtin Maria Berger kennen, die da eine Ausbildung als Zahntechnikerin machte. Der Ehe entsprangen die beiden Söhne, Edwin und Uwe. Letzterer kehrte von einem Besuch im Westen vor der Wende nicht mehr zurück, Edwin verstarb vor zwei Jahren in Kronstadt.

Nach dem Studium wurde Eduard Eisenburger dem Regionsvolksrat in Baia Mare zugeteilt, doch nach kurzer Zeit zur Tageszeitung „Neuer Weg“ in Bukarest berufen. Da begann auch seine journalistische Laufbahn. 1957 wird er nach Kronstadt delegiert, um da 1957 die deutschsprachige  Wochenpublikation „Volkszeitung“ zu gründen. Deren erste Ausgabe erschien am 30. Mai gleichen Jahres, als Organ des damaligen Regionsparteikomitees und des Regionsvolksrates Stalin, der eine große geographische Fläche umfasste und dem mehrere der heute bestehenden Kreisgebiete angehörten. Nach 13 Jahren, nachdem im September 1944 die „Kronstädter Zeitung“ untersagt wurde, sollte das neue Blatt nun die Politik des Herausgebers unter die deutschsprachigen Leser bringen. Eisenburger nahm die Gelegenheit der neuen administrativen Einteilung des Landes im Jahre 1968 in Kreise wahr, um die Publikation, auch mit Hilfe neuer Mitarbeiter, in eine landesweite Wochenschrift für Gesellschaft, Politik und Kultur umzuwandeln, die seither als „Karpatenrundschau“ erscheint. Diese hat dann auch die  Sparmaßnahmen 1974 überstanden, als sie statt wie bis dahin in 16 Seiten,nur noch in acht erscheinen konnte, und als die Anzahl der Redaktionsmitglieder ebenfalls halbiert wurde. Am  1. April 1989 trat er in Krankenrente. Auch auf seinem Krankenbett war er noch in den wenigen Wochen seines Lebens nach der Wende daran interessiert, wie es um die weitere Existenz der KR steht.

Eduard Eisenburger war es daran gelegen, sich für die Reflektion von Geschichte, Literatur und Volkskunde in der Publikation einzusetzen. Das geschah durch Gespräche am Runden Tisch, die von der Redaktion geleitet wurden und an denen namhafte Persönlichkeiten teilnahmen, deren Ergebnisse auch veröffentlicht wurden.  Selbst oder in Zusammenarbeit brachte er einige Bücher heraus. 1976 wurde die „Sächsisch-Schwäbische Chronik“, ein Kompendium zur Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien, herausgebracht. Ein Jahr darauf folgte ein neuer Band, den er als Autor zeichnete: „Die Zeit in der Zeitung“, in der er eine Übersicht der rumäniendeutschen politischen Publizistik bot. Intensiv setzte  sich Eisenburger mit der geschichtlichen Rolle von Rudolf Brandsch, Hans Otto Roth u.a. auseinander. Auf seine Initiative hin wurde der ersten Band  der ursprünglich drei vorgesehenen „Die Geschichte der Deutschen in Rumänien“ herausgebracht. Der zweite Band sollte dann in der Bundesrepublik erscheinen, der dritte kam nicht mehr zu Stande.

In jenen Jahren wurden von der Redaktion Autoren- und Mundartautorentreffen organisiert, es wurde der Silberdistel-Literaturpreis ins Leben gerufen und verliehen, Chor- und Bläsertreffen organisiert, es fanden Kulturabende der Redaktion in Ortschaften mit kompakter deutscher Bevölkerung statt. Auf seinen Ausfahrten wurde er meist von einem der zuständigen Redakteure begleitet. Selbst war ich mit ihm in mehreren Ortschaften des Banats, in den  Repser und Fogarascher Gebieten, von wo ich von diesen Veranstaltungen berichten konnte. Unsere letzte gemeinsame Ausfahrt war zum Urzellauf in Agnetheln (siehe KR 6/1989). Auf der Rückreise eröffnete er mir von den ersten Anzeichen seiner Krankheit, die ihm schwere Schmerzen verursachte. Er wurde öfters in Bukarest behandelt und von Prof. Dr. Sedlacec operiert.

In der Redaktion bestanden freundschaftliche Beziehungen. Er konnte auch streng mit seinen Mitarbeitern sein, baute auf Pünktlichkeit der Abgabe der Materialien, misstrauisch gegenüber Mitarbeitern, wenn sie ihn nicht genau über aufkommende Probleme informierten. So erinnere ich mich daran, als ich 1987 von einer Auslandsreise heimkehrte und am Montag in der Redaktion eintraf, dass er mit mir drei Tage kein Wort sprach. Danach ging ich zu ihm und fragte, was ich verbrochen habe? Was hätte ich mit westlichen Journalisten gesprochen, die meine Aussagen in der „Washington Post“ veröffentlicht haben und innerhalb einer Woche vier Mal auf dem Radiosender Freies Europa wiedergegeben wurden, wollte er wissen? Dann erinnerte ich mich, eine westliche Journalistengruppe begleitet zu haben. Auf deren Fragen bezüglich der Versorgung mit Lebensmitteln, hatte ich sie in das Kronstädter Kaufhaus geführt, damit sie die leeren Regale ohne viele Kommentare sähen. Auf die Frage nach dem Los der Lehrer, die den Ausreiseantrag gestellt hatten, antwortete ich, dass diese  aus dem Unterrichtswesen entfernt werden. Selbst hatte ich nicht geahnt, welchen Wirbel das in den Medien verursacht hatte, doch wieder, dank seines „breiten Rückens“, hat es für mich keine weiteren Folgen gehabt. Auch war  Eisenburger, wie gewohnt, wieder freundlich zu mir.
In vielen Situationen hat er sich für Mitarbeiter der Redaktion und Personen eingesetzt, damit sie einen Besuch in die Bundesrepublik Deutschland zu Verwandten unternehmen können. Einige von ihnen kehrten nicht mehr heim, wofür er wiederum  seinen breiten Rücken hinhalten musste.

Durch seine politischen Ämter hatte er sich von der Kirche distanziert. Ob es aus Überzeugung war? Doch war er getauft und konfirmiert. Die Beziehungen zur Kirche, besonders nachdem die Diktatur immer  erschreckendere Ausmaße annahm, führten dazu, dass sich Eisenburger  auch für einige kirchliche Belange einsetzte. Daraus entstanden auch freundschaftliche Verhältnisse zu einigen Theologen, wie beispielsweise zu Pfarrer Johann Orendi, später Dechant des Kronstädter Evangelischen Kirchenbezirkes. Eisenburger war sich der wichtigen Rolle bewusst, die die Kirche in unserer Geschichte gespielt hat. Eng verbunden war er mit der Geschichte. Und er hat versucht, nach bestem Wissen und Gewissen, unsere Gemeinschaft in den damaligen schweren Jahren zu vertreten.