Etwas Neues

Osterbotschaft des Kronstädter Altdechanten Klaus Daniel

Im Rahmen eines beeindruckenden Festgottesdienstes und bei großer Beteiligung wurden am Sonntag in der Schwarzen Kirche von Kronstadt zehn Jugendliche konfirmiert.
Foto: Dieter Drotleff

Wann geschieht etwas Neues! Wir wünschen uns tief in unserer Seele etwas Neues. Nicht bloß eine neue Mode, ein neues Auto oder einen neuen Nachbarn, nein wir sehnen uns nach einem Ereignis, das uns in guter Weise ganz neu macht. Freilich, immer wieder machen wir die Entdeckung, dass das vermeintlich Neue doch nur eine Spielart des alt Bekannten ist.

Wie kann Neues geschehen? Jedenfalls nicht, indem man vor den alten Problemen davonläuft. Das erzählt doch sehr deutlich die Ostergeschichte. Die Männer sind fortgelaufen, sie halten sich fern. Zwei Frauen dagegen, Maria aus Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus und des Josef, sie halten dem toten Jesus die Treue. Sie gehen hin zum Grab, um dem Verstorbenen Ehre zu erweisen. Sie laufen nicht vor ihrer Trauer davon, sondern stellen sich ihr, indem sie nach dem Grab sehen wollen.

Dort bekommen sie freilich etwas völlig anderes zu sehen, als sie erwartet hatten: Ein Erdbeben geschieht, der Stein vor dem Grabe wird weggewälzt, die Grabwächter fallen wie tot zu Boden und ein gleißender Engel hat auf dem Stein Platz genommen! Gott handelt. Er greift in die Geschichte ein. Er setzt durch seinen Engel ein Zeichen für das Neue, das geschehen ist. Doch das, was da geschieht, das beschreibt nicht den Vorgang der Auferstehung.

Der Evangelist Matthäus hält sich zurück. Den Vorgang der Auferstehung, den versteht Matthäus so wie in dem alten Osterliedvers geschildert: Des morgens früh am dritten Tag, da noch der Stein am Grabe lag, erstand er frei ohn alle Klag. Matthäus beschreibt die Erscheinung des Engels als Osterboten. So wie ein Engel dem Josef die Geburt des Gottessohnes eröffnet hatte, so gibt hier der Engel die Osterbotschaft an die Frauen weiter.

Es gibt Neuigkeiten, die hauen einen um. Bei den Grabwächtern ist dies der Fall. Der Bote des Lebens führt sie an eine Todeserfahrung heran. Die Grabeswächter sollen die Verhältnisse hüten, die Gewalt und Tod hergestellt haben. Denn ausgerechnet die Gegner Jesu haben seine Worte ernst genommen. – Die Wächter sollen aufpassen, dass es mit dem getöteten Jesus so bleibt wie es ist. Jesus soll eine Gestalt der Vergangenheit bleiben. Darauf haben die Grabwächter zu achten. Mit festem Blick zurück, das sind sie.

Aber nun bricht Ostern über die Gefängniswärter des Todes herein! Sie müssen erkennen, dass sie untauglich sind, den Heiland der Menschen in einem Grab festzuhalten! Sie müssen erkennen, dass es Irrtum und Lüge ist, Jesus in tote Vergangenheit einsperren zu wollen! Das kommt zu Ostern ans Licht.  Nicht Jesus Christus ist in der Hand der Wächter, sondern sie sind in seiner! Solange sie das nicht begreifen können, sind sie Gestalten der Vergangenheit.

Bei den Frauen ist das anders. Die haben Jesus gesucht. Und darum dringt bei aller Furcht die Anrede des Engels an ihr Ohr: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus den Gekreuzigten sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden. Der Auferstandene ist kein anderer als der Gekreuzigte. Die Vergangenheit mit all ihren Schrecken wird nicht übersprungen. Aber die Vergangenheit bestimmt nicht mehr Gegenwart und Zukunft! – Der Engel ist ein Bote Gottes.

So wie Gott das Nichtseiende ins Leben rief durch sein schöpferisches Wort, so setzt er hier durch die schöpferische Anrede die Frauen als Osterzeuginnen ein. Natürlich ist das nicht bequem oder gemütlich. Das Neue, das Gott schafft, löst Schrecken und Entsetzen aus. Gott ist nicht der freundliche Mensch von nebenan, der so handelt, wie es mir und meinem Weltbild gerade passt! Ostern, das sprengt Weltbilder, Ideen und Ideologien!

Es gibt Neuigkeiten, die gehen durch Mark und Bein. Für die Frauen war die Osterbotschaft so eine. Sie lassen sich sofort zu den Jüngern Jesu schicken, um die Nachricht von der Auferstehung Jesu weiter zu sagen. Sie sind von der Botschaft so mitgerissen, dass sie nicht ins Grab schauen.

Jedenfalls erzählt Matthäus davon nichts. Es wäre aber auch schwer vorstellbar, dass die Frauen fragen: Können wir bitte erst noch nachsehen, ob das Grab wirklich leer ist? Nein. Die ruhige Überlegung, die gemütliche Diskussion, das gelehrte Gespräch, das ist nicht Sache in der frühen Morgenstunde damals am ersten Tag der Woche.

Aber da, wie sie so zitternd vor Furcht und Freude dahinlaufen, da begegnen sie auch dem Auferstandenen selbst. In dieser Geschichte ist es einmal so: Nicht die Begegnung mit dem Auferstandenen bewirkt den Glauben, sondern der Glaube führt zur Begegnung mit dem Auferstandenen. Und so gibt es Zukunft: Für die Frauen, die sich zum Leben erschrocken haben, für die Jünger, denen der Auferstandene nach Galiläa vorangehen wird, für alle, die auf die Worte und Taten Jesu Christi setzen! Gott schafft Neues, etwas Neues, das nicht veralten kann!

Wir hören die Osterbotschaft  und wir dürfen uns von dieser Neuigkeit zum Leben fortreißen lassen! – Sicher. Es kann sein, dass ein Stein mich blockiert, mir den Blick auf das offene Grab verstellt, mir den Glauben an den Auferstandenen nicht ermöglicht. Es gibt sie: die Steine des Zweifels, der Dunkelheit und der Gleichgültigkeit. Steine des Zweifels an der Auferstehung. Es gibt Schrecknisse im Leben, die alles und jedes zu verdunkeln drohen.

Davor ist niemand gefeit. Aber soll die Dunkelheit wirklich das eigene Ich beherrschen dürfen? Mich tröstet da das Bild von dem Engel. Der sitzt lässig locker auf dem Stein, den er weggewälzt hat. Steine sind also nicht von Dauer, sie sind Gott sei Dank, seit Ostern beweglich. Denn Er ist auferstanden!