Kronstädter Ehrenbürger und ihr Gegenteil

Am 15. November werden 36 Jahre verstrichen sein seit der Arbeiterrevolte beim Kronstädter Lkw-Werk und der Protestkundgebung vor dem damaligen Sitz des Kreiskomitees der allmächtigen kommunistischen Partei. Wie in jedem Jahr nach der Wende von 1989 wird auch diesmal durch Kranzniederlegung, Crosslauf auf der 5 km langen Strecke des Protestzuges, Filmvorführung und weiteren Veranstaltungen an dieses Ereignis erinnert, das international für Aufsehen gesorgt hatte und den Sturz Ceau{escus ankündigte. Der Stadtrat Kronstadt hat auf Vorschlag des Vereins „15 Noiembrie 1987“ drei weitere Teilnehmer am damaligen Protest (Iuliana Biro, Sebastian Ciorășeteanu und Aurel Bejenariu) zu Ehrenbürger Kronstadts ernannt, wie das bereits über sechzig Personen sind, die damals verhaftet, verurteilt und aus Kronstadt verbannt wurden.

Bürgermeister Allen Coliban erinnerte an den Mut derjenigen, die 1987 so viel Zivilcourage gezeigt haben. Vor allem jene, die nicht direkt die kommunistische Diktatur miterlebt haben, sollten die Umstände und die Bedeutung dieses Protestes verstehen und würdigen.

Um so unverständlicher erscheint in diesem Kontext ein Vorschlag der von der Kronstadt-Filiale der Nationalliberalen Partei kommt. PNL will einen ehemaligen Securitate-Major namens Nicolae Paraschiv in den Vorstand der Regie für Wohnraumbewirtschaftung (RIAL) berufen. Der Ex-Securitate-Mann, heute ein rüstiger Rentner, ist kein Unbekannter. 17 Jahre lang in der Amtszeit von Bürgermeister George Scripcaru (damals PNL-Mitglied) war er Generalsekretär des Bürgermeisteramtes. Paraschiv leugnet seine Vergangenheit als Geheimdienstoffizier nicht und behauptet, wie das immer wieder auch von anderen Securisten dargestellt wird, er hätte seine Pflicht für die Wahrung der öffentlichen Ordnung und die Sicherheit des Staates getan. Er sieht sich als Opfer von Verleumdungen und hatte sogar erfolglos gegen den Beschluss des Landesrates zum Studium des Securitate-Archivs (CNSAS) prozessiert, der ihn als Mitglied der politischen Polizei entlarvt hatte. Denn Paraschiv hatte Leute bespitzeln lassen, die die kommunistische Partei und die Staatsführung kritisiert hatten oder die einfach ihre Absicht kundtaten, das Land zu verlassen. Außerdem soll er zeitweilig auch für das Gesundheitswesen zuständig gewesen sein und Druck ausgeübt haben, um damals verbotene Abtreibungen zu klären und die Schuldigen zu bestrafen. Seine Rolle bei den Dezemberereignissen ist nicht restlos geklärt.

Paraschiv mag wohl die nötigen Rechtskenntnisse mit sich bringen und seinen Posten als Generalsekretär in der Stadtverwaltung auf Grund eines Wettbewerbes gewonnen haben. Moralisch ist er aber im höchsten Maße kompromittiert. Ihn wieder zu aktivieren und ihm die RIAL-Geschäfte anzuvertrauen, sei 2023 unmöglich, sagte Coliban und zog diesen Punkt von der Tagesordnung der Sitzung zurück, weil ja die PNL-PSD-Mehrheit dieser Nominierung vielleicht sogar zugestimmt hätte.

Für PNL Kronstadt ist es also, 36 Jahre nach dem 15. November 1987 dennoch möglich, einen Ex-Securitate-Mitarbeiter zu unterstützen. Unglaublich, aber wahr.