Lebenserfahrungen einer sensiblen kritischen Zeitzeugin in Ost und West (I)

Zu Bettina Schullers Erzählungsband „Transsylvanien Spielplatz der Gedanken“

„Transsylvanien Spielplatz der Gedanken“ Schiller Verlag Hermannstadt/Sibiu-Bonn 2010, 171 Seiten, 16 Euro ISBN 978-3-941 271-38-8

Der beziehungsreiche Titel „Transsylvanien Spielplatz der Gedanken“ weist auf die souveräne Lockerheit Bettina Schullers hin, mit der sie es versteht, wesentliche Aspekte der Ost-West-Thematik aus dem Korsett der Kalten-Krieg-Auseinandersetzung in allgemein menschliche Befindlichkeiten in den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen zu überführen.

Bis zu ihrer Spätaussiedlung in die Bundesrepublik 1976 (mit 47 Jahren) hatte die 1929 Geborene bereits zwei Gesellschaftssysteme erlebt.

Die inzwischen erwachsene 19-jährige Bettina Schuller musste die kommunistische Diktatur 28 Jahre lang am eigenen Leibe erfahren. Dabei kam sie noch relativ glimpflich davon, weil dank ihrer Intelligenz ihre grundsätzliche Kritik am Gegebenen oft ironisch so verpackt war, dass selbst ihre Vorgesetzten es hinnehmen konnten. So äußerte sie als Deutschlehrerin zu den seltenen Bananenverkäufen, dass sie sich diese als Mutter nicht leisten könnte, weil das stundenlange Anstehen dafür ihr den ganzen Tag verderben würde, den sie lieber ihren Kindern widmen wollte.

Nach dem Abitur studierte Bettina Schuller Psychologie und Pädagogik in Klausenburg/Cluj-Napoca, um dann von 1953-1976 als Deutschlehrerin – sie hatte noch einen Lehrgang als Deutschlehrerin absolviert – mit einer Unterbrechung von 2 Jahren als Dramaturgin an der deutschen Theaterabteilung in Hermannstadt tätig zu sein.

Die meiste Zeit ihrer Lehrertätigkeit hat sie in Kronstadt/Brasov ausgeübt und da wiederum überwiegend an der Kronstädter Vorortschule Nr. 14 in Bartholomä/Bartolomeu einem sozialen Brennpunkt.

Hier in den schwierigen Bedingungen am Rande der Großstadt, hat Bettina Schuller es geschafft, durch ihren unkonventionellen kreativorientierten Deutschunterricht eine ganze Reihe für die rumäniendeutsche Kultur wichtigen Persönlichkeiten heranzubilden, die ohne ihr Dazutun höchstwahrscheinlich unentdeckt geblieben wären, da ihre Begabungen nicht gefördert und gefordert worden wären. Dazu zählt die auch im Westen bekannte Lyrikerin und Prosaautorin Carmen Elisabeth Puchianu – heute Lehrstuhlinhaberin für Germanistik/Anglistik an der Transsilvania Universität Kronstadt/Brasov – wie auch der ebenfalls in der alten Heimat und auch in der Bundesrepublik in Fachkreisen bekannte und mitunter auch umstrittene Historiker Klaus Popa, sowie der Journalist Hans Butmaloiu – und Deutschlehrerin Sabine Morres, ebenfalls noch in der alten Heimat in Kronstadt tätig.

Ihr kreativer Deutschunterricht, in dem auch Texte szenisch umgesetzt wurden, um dann von den Schülern innerhalb der Deutschstunden aufgeführt zu werden, sollte ihr dann später in ihrer Tätigkeit als Dramaturgin in Hermannstadt zugutekommen. Sie dramatisierte selbst auch Grimm-Märchen.
Auch ihre erste Veröffentlichung „Eine Mäusegeschichte“, Bukarest 1966, verdankt ihre Entstehung ihrer Arbeit und Erfahrung als Deutschlehrerin.
Ihr zweiter in Rumänien erschienener Prosaband, „Die tägliche Straße“, Bukarest 1966, ist eine Auseinandersetzung mit ihrem Alltagsleben als Deutschlehrerin in Kronstadt-Bartholomä.

Ihre über zwei Kilometer entfernte Schule erreichte Bettina Schuller, die mitten im Zentrum Kronstadts geschichtsträchtig am Rathausplatz hinter der Schwarzen Kirche wohnte, meist zu Fuß, wobei sie sich nicht nur Gedanken über den Unterricht machte, sondern auch ihren eigenen Alltag so wie den Alltag im Allgemeinen im rumänischen Ostblocksozialismus.
Bettina Schuller vergisst dabei nie, dass sie auch das große Glück hatte, von Haus aus einer typisch siebenbürgisch-sächsischen bildungsbürgerlichen Familie zu entstammen.

Ihr Vater war ein brillanter Rechtsanwalt, der es über seine beruflichen Erfolge zu Wohlstand und Ansehen gebracht hatte, und ihre Mutter hatte musikalische Studien auch in Deutschland absolviert.

Nicht nur die deutsche Sprache wurde in ihrem Elternhaus gepflegt, auch die rumänische wie auch die ungarische Sprache wurden vor allem von ihrem Vater beachtet. Auch das Kunstverständnis und der Kunstgenuss war in ihrer Großfamilie schon fast ein Selbstverständnis.

(Fortsetzung folgt)