Mehr als nur Schulmann

Friedrich Wilhelm Seraphin, 1861-1909, Historiker, Schriftsteller und Lehrer

Friedrich Wilhelm Seraphin, 1861-1909

Wilhelm Seraphin frisch verheiratet mit Charlotte, geborene Müller

Das ehemalige Haus der Wollenweberzunft der Familie Seraphin in der Burggasse, in dem auch Gernot Nussbächer 20 Jahre mit Eltern und Großmutter gelebt hat

Gedenktafel in der Gruft C27 des Kaufmanns Julius Müller im Friedhof Innere Stadt

„Er stammt aus einem seit der Einwanderung unter uns nachweisbaren Geschlecht, das unserem Volke viel treffliche Handwerker, nicht wenig tüchtige Beamte und Gelehrte gegeben hat, gar einen Sachsenkomes Valentin Seraphin, dessen Witwe wegen ihres, ihre Zeit überragenden Geistes, vom damaligen Aberglauben 1650 in Hermannstadt als Hexe hingerichtet wurde, sowie einige bedeutende Pfarrer.“
Diese Information entnehmen wir der Familienchronik seines Schwagers Johannes Reichart (1861-1953) Pfarrer in Wolkendorf, Heldsdorf und Zeiden und Dechant in den Jahren 1913-1935.

Friedrich Wilhelm Seraphin ist am 5. Mai 1861, als Sohn des geachteten Schustermeisters Wilhelm Seraphin, Presbyter und seiner Gattin Julie Bruckner in Hermannstadt geboren worden. Nach dem Gymnasium in Hermannstadt studiert er, beraten von seinem kinderlosen Pfarronkel Theologie und Philologie (Lateinisch und Griechisch) in Bern, Tübingen und Berlin, um einst Pfarrer zu werden. Nach kurzen Anstellungen in Hermannstadt und Bistritz wird er am 1. November Angestellter des Honterusgymnasiums in Kronstadt -  „ein gottbegnadeter Lehrer, ein großer Lateiner, der durch die Fülle sicheren Wissens, durch lebendige Gabe der Darstellung, durch sein mannhaft festes und frohes Auftreten die Schüler einnahm und durch seinen zeitgerechten Sarkasmus die Faulen aufrütteln und die Frechen klein zu kriegen prächtig verstand.“

Wilhelm Seraphin heiratet 1887 Charlotte Müller, die zweite Tochter des Kaufmanns Julius Müller, mit der er drei Kinder hat.
Die ältere Tochter des Julius Müller ist mit dem Lederhändler Ludwig Miess verheiratet, einem Bruder des Malers Friedrich Miess und die jüngere Tochter ist mit dem, schon genannten, Pfarrer Johannes Reichart verheiratet.

In Kronstadt trat er gleich in den Männergesangverein ein, der gerade sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert hatte und sang als 2. Tenor bei den Proben und Veranstaltungen eifrig mit bis 1895, als er wegen seiner vermehrten wissenschaftlichen Tätigkeit darauf verzichtete.
Seraphin schloss sich bald der Forschergruppe an, die an den „Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt“ arbeitete, und zu der die Professoren Franz Herfurth, Julius Groß, Oskar Netoliczka, der Stadtarchivar Friedrich Stenner und der Stadtprediger Carl Nussbächer gehörten. 

Im Jahr 1887 kaufte er mit Hilfe des Schwiegervaters das alte Haus der Wollweberzunft in der Burggasse Nr. 126. In dem großen dazugehörigen Garten pflanzte er viele Apfelbäume. Das war seine Freizeitbeschäftigung neben seiner intensiven wissenschaftlichen Tätigkeit.

Wilhelm Seraphin hatte drei Kinder und seine erste Tochter Herta, verheiratet mit dem früh verstorbenen Rechtsanwalt Oskar Dieners, war die Großmutter unseres Lokalhistorikers Gernot Nussbächer. Gernot ist in der Burggasse Nr. 120 geboren, aber nach zwei weiteren kurzen Wohnorten zog er in das Haus seiner Großmutter Nr. 126, wo er 20 Jahre seiner Jugend gelebt hat bis zu seiner Heirat 1964.
Neben vielen wissenschaftlichen Arbeiten, erschienen im Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, erschien 1903 der erste Führer durch die evangelische  Stadtpfarrkirche A.B. in Kronstadt. Aber Seraphin war nicht nur Lehrer und Wissenschaftler, sondern auch Schriftsteller. Im gleichen Jahr, 1903, erschien sein Roman „Die Einwanderer“. Sein wohl bekanntestes Gedicht ist sein Sachsenlied, welches von Rudolf Lassel vertont wurde.

„Ich bin ein Sachs, ich sag`s mit Stolz, / vom alten edlen Sachsenstamm. / Wo gibt`s ein adliger Geschlecht, / da keiner Herr und keiner Knecht?“

„Seraphin war eine durchgreifende Persönlichkeit. Unaufdringlich drang er durch im Presbyterium, wohin sie ihn bald wählten. Er redete nur, wenn er etwas zu sagen hatte, dann aber wohlbegründet, klar überzeugend. Je länger je höher stieg er in der Achtung Kronstadts. Er war mitbestimmend auch in politischen Beratungen in der Stadtvertretung.” (Reichart).

Er stirbt viel zu früh, nach kurzem Leiden am 1. Januar 1909 im 47. Lebensjahr.

In Eduard Gusbeths Tagebuch finden wir folgenden Eintrag zum frühen Tod von Seraphin.

„Spaziergänge machte er nie, dagegen arbeitete er gern in seinem Garten; das war seine ganze körperliche Übung. In geistiger Beziehung war er einer der bestbegabten unseres Volkes, hatte scharfen Verstand, vorzüglichstes Gedächtnis, unermüdliche Arbeitslust, und dazu die entsprechende Kraft und Ausdauer; er arbeitete in der Woche 6-mal am Abend bis 11 Uhr, wobei er immer in einer Dunstwolke von elendem Tabaksqualm saß. Auf unserem Gymnasium trug er Philologie vor, in einer Weise, dass die Schüler es selbst anerkannten, wie sie in seinen Stunden gefördert wurden.

Der Tod Seraphins war ein schwerer Verlust, nicht nur für Kronstadt, sondern unser ganzes sächsisches Volk. Am 3. Januar wurde er bei geringer Kälte aus seinem Hause, Burggasse Nr. 126 auf den Friedhof überführt und bestattet, und zwar in der Gruft C 27, gegen die Stadt zu, die seinem Schwiegervater gehört.“

In der gleichen Gruft wurde 2018 auch sein Urenkel Gernot Nussbächer bestattet.