„Mit Gott gehen“ heißt auch mit gutem Beispiel vorangehen

Ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen in Kronstadt

Drei Pfarrer – Istvan Koszta, ungarisch-evangelische Kirche, Claudiu Sita, griechisch-katholische Kirche und Uwe Seidner, evangelische Kirche A.B.(von links) – zusammen mit Klinik-Leiterin, Frau Stoica, vor dem gespendeten Nutzfahrzeug. Foto: privat

Vom 18. zum 25. Januar 2013 fand in Kronstadt die Ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christenheit statt. Geistliche der historischen Konfessionen nahmen an den acht Gottesdiensten in den unterschiedlichen Kirchen teil. Auch galt der Kanzeltausch unter den verschiedenen Geistlichen.

Die Gebetswoche ist ein Schritt zur geistlichen Verbundenheit der Kirchen.
Seit sieben Jahren findet die ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen auch wieder  in Kronstadt statt. Seit fünf Jahren sind alle historischen Konfessionen Teil dieser Gebetswoche. Als historische Konfessionen betrachten wir: die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche, die evangelische Kirche in deutscher und ungarischer Sprache, die reformierte, die unitarische, und die griechisch-katholische Kirche. Vor sieben Jahren also wurde auf Anregen des katholischen Priesters Attila Nagy die Gebetswoche wieder ins Leben gerufen. Seit dem vergangenen Jahr leitet er als Rektor das katholisch-theologische Seminar in Karlsburg/Alba Iulia.

Heute ist die ökumenische Gebetswoche ein fester Bestandteil der Kronstädter Glaubenswelt in ihrer Vielfalt. Kronstadt ist genauso wie auch viele andere siebenbürgischen Städte eine multikonfessionelle und multikulturelle Stadt.
Den Auftakt erfuhr die Gebetswoche in der Römisch-Katholischen Sankt Peter-und-Paulskirche in der Klostergasse. Ihren Abschluss fand sie in der Griechisch-Katholischen Sankt Peterskirche in der Zizinului-Straße.

Vonseiten der Honterusgemeinde war die Schwarze Kirche Gastgeberin. Alle Gotteshäuser waren bis zum letzten Platz belegt. Es kommt sicherlich selten vor, dass in den Gotteshäusern auch „Stehplätze“ freigehalten werden müssen.
Das Thema der diesjährigen Gebetswoche, aus dem Buch des Propheten Micha entnommen, lautete: „Mit Gott gehen“ (Micha 6, 6-8). Das Thema ist ein sichtbarer Aufruf für die Einheit der Christen. Anregung für das Thema war der Kampf der „Dalits“ in Indien. Ein Kampf also gegen das sogenannte Kastensystem. „Dalits“, das sind die „gebrochenen Menschen“.

Das Kastensystem in Indien ist bekannt vor allem für seine Abgrenzung und hierarchische Ordnung. Vor allem das „Verheiraten“ und die Arbeitsverteilung sind von diesem System betroffen. Für uns Europäer ist ein „Verheiraten“ innerhalb eines Systems kaum noch vorstellbar. Auch wenn ich zu behaupten wage, dass bis zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in großen Teilen der siebenbürgisch-sächsischen Gesellschaft auch eine Art „Kastensystem“ vorherrschte.

Davon können wir heute nicht mehr sprechen. Globalismus und Pluralismus sind die Stichworte, die unsere heutige Zeit und Gesellschaft prägen. In Indien aber ist es anscheinend in manchen Gesellschaftsstrukturen immer noch anders. Diskriminierung steht auf der Tagesordnung. Ein kleines Beispiel: „Dalits“ werden in vielen Gaststätten nicht bedient. Sie müssen draußen bleiben und ihren Tee abgesondert von anderen Gästen trinken.

Das Thema Gerechtigkeit stellt den eindringlichen Aufruf des Propheten Micha in den Mittelpunkt. In der Einleitung zur Gebetswoche heißt es: „In vielerlei Hinsicht gleicht die Lebenssituation des Volkes Gottes zur Zeit des Propheten Micha der Lebenssituation der Dalits in Indien heute. Auch die Dalits sind der Unterdrückung und Ungerechtigkeit ausgesetzt. Ihre Rechte und ihre Würde werden ihnen vielfach abgesprochen.“

Was übertragen wir nun in unsere heutige siebenbürgische Lebenslage? Mit Gott gehen und für Gerechtigkeit einstehen, gilt auch für uns. In der ökumenischen Gebetswoche stellen wir fest, dass wir trotz unserer Unterschiede und Eigenarten nicht allein gehen müssen. Im Gegenteil, der Zusammenhalt wird gefördert. Und das soll nicht nur innerhalb der ökumenische „Oktave“ gelten. Die Wirkungsgeschichte der ökumenischen Gebetswoche hat gezeigt, dass sie auch in den Alltag hineinwirken kann.

Auch nachdem die Gottesdienste ihren Abschluss gefunden hatten. Nachbarn, die sich vorher kaum kannten, aber im Gottesdienst begrüßten, gingen ab diesem Zeitpunkt mit mehr Vertrauen aufeinander zu. Im Alltag kann das von Nutzen sein, wenn sich Nachbarn aushelfen. Als gutes Beispiel galt sicherlich auch das gute Einvernehmen der Geistlichen der unterschiedlichen Konfessionen. Nach dem Motto: „Wenn unsere Pfarrer sich gut verstehen, warum sollte das nicht auch unter uns so sein“.

Das gute Einverständnis unter den Geistlichen bewies auch die Aktion, die im vorgegangenen Jahr ins Leben gerufen wurde: nach jedem Gottesdienst wurde eine Kollekte eingesammelt die sozialen Zwecken dienen sollte. Im vergangenen Jahr ging die Kollekte an das Krankenhaus für chronisch Kranke in Obertömösch/Timişul de Sus. Aus den Einnahmen der Kollekte konnte eine industrielle Waschmaschine gekauft werden, die dringend nötig war.

Dieses Jahr war die Kollekte für die Psychiatrie in der Colonia 1 Mai bei Wolkendorf/Vulcan bestimmt. In der psychiatrischen Anstalt sind zurzeit 145 Patienten mit chronischen Nervenkrankheiten untergebracht. Aus der Kollekte konnte nach Abschluss der Gebetswoche ein günstiges Nutzfahrzeug für die Psychiatrie gekauft werden. Weiter spendete die reformierte Kirche: Schuhwerk und Bekleidung und die evangelische Kirchengemeinde Wolkendorf einen elektrischen Herd.

„Mit Gott gehen“ heißt für uns also auch mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn nun trotz kultureller und konfessioneller Unterschiede gemeinsam im Weinberg Gottes gearbeitet werden kann, dann geht die Wirkungsgeschichte der ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen weiter. Denn Christus (aber) kennt keine Grenzen!