Nur Überreste ehemaliger hochwertiger Chemieindustrie

Vor 100 Jahren wurde der Grundstein des Kombinates in Fogarasch gelegt

In den Jahren der sozialistischen Wirtschaftsentwicklung wurde das Chemiekombinat von Fogarasch zum Wahrzeichen dieses Industriezweiges landesweit ausgebaut. Auch die Stadt und deren Bewohner erfreuten sich dieser Entwicklung, die die Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze sicherte. Bewohner aus dem Umfeld kamen in die Stadt und gründeten ganze Neubauviertel, darunter auch viele Sachsen, die zum Großteil nach 1989 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs das Land verließen. Der Grundstein zu dem Chemiewerk wurde aber viel früher, vor 100 Jahren gelegt, dessen nun in einem relativ kleinen Rahmen in Fogarasch gedacht wurde.

Der Kreis der Fogarascher Philatelisten und die Freie Gewerkschaft Rompiro veranstalteten eine Zusammenkunft am 22. Juli im kleinen Saal des Kulturhauses, um dieses Jubiläum zu begehen. 1922 wurden die ersten Werkstätten zur Erstellung von Sprengstoffen gegründet. Deutsche Fachleute kamen damals in die Stadt, wo sie den Grundstein für diese Produktion legten. Die Fogarascher Philatelisten brachten zu diesem Anlass auch zwei Ersttagsbriefe heraus die mit dem Datum vom 15. Juli beim hiesigen Postamt gestempelt wurden. Auch wurde eine acht Seiten umfassende Dokumentation erstellt, die den Teilnehmern ausgehändigt wurde.

Im öffentlichen Amtsblatt der Regierung vom 29. September 1920 wurde das Gesetz zur Gründung einer rumänischen Gesellschaft für den Bau einer Fabrik für die Herstellung von Sprengstoffen für die Bergwerkindustrie veröffentlicht. Es war die Zeit, als König Ferdinand I. das Land regierte und eine wirtschaftliche Entwicklung für Großrumänien vorsah, auch durch die Heranziehung ausländischen Kapitals. Durch ein zwei Monate später erschienenes Dekret wurde der Sitz des Unternehmens für Bukarest, dann aber für das Umfeld von Fogarasch bestimmt. Auch war vorgesehen, dass 40 Prozent ausländisches und 60 Prozent inländisches Kapital einfließen sollen. Somit wurde die erste rumänische Sprengstoffgesellschaft gegründet, die als solche bis zur Nationalisierung vom 11. Juni 1948 bestanden hat. Das Gründungskapital bestand aus 20 Millionen Lei, von dem 10 Prozent seitens des Industrieministeriums kam, 40 Prozent von den ausländischen Beteiligten, 50 Prozent von mehreren einheimischen Bankgesellschaften, der Gesellschaft Reschitza und dem Advokaten I. Boamb˛, der 100.000 Lei einlegte. Die ausländische Gruppe wurde durch die „Dynamit Nobel“-Gesellschaft aus Wien vertreten, und Boamb˛ zum ersten Vorsitzenden  des Verwaltungsrates gewählt. Der Sitz der Gesellschaft wurde nach Fogarasch verlegt u.zw. in den Süden der Stadt bei der Ausfahrt in Richtung der Ortschaft Hurez, am Ufer des Racovi]a-Bachs auf freiem Feld. Der Staat erteilte 93 ha Fläche unentgeltlich von seiner Domäne für den neuen Betrieb. Es wurden noch 320 Joch von dem Eigentümer Emil Stoff angekauft, um den Straßenanschluss und die Wasserzufuhr vom Bach sichern zu können. Auch mussten drei Brücken gebaut werden, für die noch zwei weitere Hektar Fläche von Bauern aus dem Umfeld erworben wurden. Auch musste der Eisenbahnanschluss an den Fogarascher Bahnhof gesichert werden, der drei Kilometer weit gelegen war. Der Baubeginn des Sprengstoffunternehmens war der 2. Mai 1922 unter der Aufsicht von zwei Ingenieuren aus Bratislawa, Karl Berkovits und Vesely. Beteiligt waren auch die Nobelfilialen aus Wien, London und Bratislawa, wie auch die Bank von Wien. Einen Monat davor wurde mit dem Bau erster Dienstwohnungen für die Fachleute begonnen. Die erforderlichen Anlagen für die Erzeugung von Nitroglyzerin und Stickstoff wurden importiert. 394 Arbeitnehmer wurden eingestellt, so dass die Produktion am 7.Mai 1923 aufgenommen werden konnte. Schon 1924 besaß das Unternehmen drei Chemieanlagen, die auch von ausländischen Ingenieuren koordiniert worden sind. Die ersten rumänischen Ingenieure, die angestellt wurden, waren Constantin Nicolau und Gheorghe Bock im Jahre 1925. Das Verwaltungsgebäude wurde 1927 errichtet. Das durchschnittliche Einkommen pro Angestellter war 140 Lei, das tägliche Arbeitsprogramm dauerte zehn Stunden.

In einem solchen Unternehmen war natürlich auch mit Arbeitsunfällen zu rechnen, da auch bei geringsten Vergehen und Nicht-Einhaltung des Arbeitsschutzes es zu Vorfällen kommen konnte. Der erste tragische Unfall ereignete sich am 14. August 1928 durch eine Explosion. Dionisie Șofariu und Spiridon Milea verloren dabei ihr Leben. Die dabei betroffenen Installationen wurden innerhalb von drei Wochen wieder betriebsfähig gemacht.

Das Unternehmen, dessen Produktion immer vielfältiger wurde, hat sich erweitert. Die Gemeinde Ileni stellte weitere Flächen zur Verfügung, auf denen die elektrischen Transformatoren und Leitungen gebaut wurden. Im Gegenzug erhielt die Gemeinde ab 1. November 1934 den Stromanschluss. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Fogarasch zehn dem Unternehmen zugehörige Abteilungen auch an anderen Standorten. 1935 wurde das Unternehmen „Nitramonia“ benannt, zu dem als Aktionär auch die „Erste Sprengstofffabrik“ gehörte. Weitere Bauflächen wurden von Emil Stoff gekauft, um das Unternehmen zu erweitern.

Im Dezember 1989 waren im Nitramonia-Werk 10.000 Arbeitnehmer, deren Zahl nach der Wende von Jahr zu Jahr abnahm. 1991 waren es noch 5570, 1997 noch 2880. Auch der Produktionsabsatz sank von Jahr zu Jahr. Der 1950 gebaute Arbeiterclub, die moderne Kantine, die 2000 Personen fassen konnte, die Berufsschule (wobei auch eine Abteilung für Unteringenieure eingerichtet worden war) und die für die Arbeitnehmer errichteten Wohnblocks wurden leider dem Verfall preisgegeben, da keine finanzielle Unterstützung des Unternehmens mehr einlief, ein Betrieb, dessen Abteilungen unter auch fraglichen Privatisierungen immer mehr an Bedeutung verloren. Das führte dazu, dass viele Stadtbewohner einen Arbeitsplatz im Ausland suchten und meist nur zu den einmal jährlich organisierten Fogarascher Tagen auf Besuch kommen, die Zahl der Stadteinwohner ist fast auf die Hälfte gesunken.

Rechnungshof und Staatsanwaltschaft haben mehrere Ermittlungen eingeleitet, um den Privatisierungsprozess zu klären und Schuldige zu verurteilen. 2004 sind mehrere Personen, die Leitungsfunktionen hatten und gegen die Ermittelungen stattfanden, gezwungen gewesen, zurück zu treten: Mihai Lep{a, Constantin Avram, Gheorghe Ro{ca, Mihai P˛durariu u.a., die auch Parlamentarier oder Minister waren, zählten dazu. Doch es fanden keine Anschuldigungen gegen diese statt. Die ganze Privatisierung ist weiterhin undurchsichtig verlaufen, die neuen Eigentümer einiger Abteilungen haben nur hohe Verdienste aus dem Absatz des Metalls gemacht. Zurzeit wird noch Düngemittel für die Landwirtschaft hergestellt, fast das gesamte Industriegelände besteht nur noch aus Ruinen.