Stiche auf der Haut

Tattoo-Ausstellung im Museum für Urbane Zivilisation

Das Museum für Urbane Zivilisation am Kronstädter Marktplatz

Die Ausstellung befindet sich in der Mansarde
Fotos: Elise Wilk

Meerjungfrauen, Jahreszahlen, Frauennamen und von einem Pfeil durchstochene Herzen- alle kennen die Tätowierungen mit blauer Tinte, die den Oberarm mancher Leute schmücken. Vor Jahren machte man die Tattoos nicht im Studio, sondern eher zu Hause, auf See oder... im Gefängnis.
Die Zeichnungen auf der Haut sind inzwischen zur Mode geworden. Früher hatte aber das Tätowieren größtenteils eine negative gesellschaftliche Bedeutung. Man assoziierte die Tattoos mit Verbrechern, mit Leuten am Rande der Gesellschaft.

Dem Thema „alte Tätowierungen“ widmet sich die höchst interessante Ausstellung, die man zur Zeit im Kronstädter Museum für Urbane Zivilisation bewundern kann.

Es handelt sich um eine eher kleine Ausstellung, sie schafft jedoch Einblick in eine fremde Welt: die Gassen am Rande Bukarests und die Leute, die sie einst bevölkerten.
 

„Sprechende Schrammen“

Tätowierungen gibt es schon seit langer Zeit. Sie sind vielleicht die früheste Art der Körperkunst.
Sie entstanden durch das Punktieren der Haut mit einer Nadel und dienten im Laufe der Geschichte als Möglichkeit, Wissen von Generation zu Generation weiterzugeben, als Zeichen von Autorität und als Bestandteil religiöser Zeremonien oder Initiationsriten. Verbrecher, Sklaven und Sträflinge wurden damit gebrandmarkt, sie dienten zur Unterscheidung der gesellschaftlichen Klassen und zur Kennzeichnung des sozialen Status. Menschen, die sie trugen, galten als Jahrmarkts- oder Zirkusattraktionen. In Gefängnissen waren sie ein wichtiger Teil der Identität eines Insassen.

Die Ausstellung „Für eine Geschichte der Symbole: Tätowieungen in Rumänien“ enthält 20 Exponate aus der didaktischen Kollektion des Gerichtsmediziners Nicolae Minovici (1968-1941). Schon im Jahr 1898 verfasste er die Doktorarbeit „Die Tätowierung in Rumänien“, ein wichtiger Meilenstein für die rumänische Gerichtsmedizin. Bei allen ausgestellten Tattoos handelt es sich um richtige Hautteile, die im Labor für Gerichtsmedizin von den Körpern abgetrennt wurden. „Tätowierungen sind sprechende Schrammen“, meinte der berühmte französische Gerichtsmediziner Alexandre Lacassagne. Auch heute zeugen diese Schrammen von der Lebensgeschichte einiger Menschen. In der Gerichtsmedizin gibt es kein besseres Zeichen für die Identität einer Person.
 

Love-Story auf dem Oberarm
 

Das interessanteste Exponat der Ausstellung ist die wohl älteste Tätowierung aus Rumänien.
Im Jahr 1876 hat ein Bukarester seine Familie, bestehend aus Frau und Kind, auf seinen Oberarm gezeichnet. Wenn man sich das Tattoo ansieht, muss man automatisch an die Geschichte, die dahinter steckt, denken: Wurde die Zeichnung von einem Mann gestochen, der im Gefängnis sitzt und sich an seine Familie erinnert? Ist es ein Witwer, der Frau und Kind verloren hat und sich nach ihnen sehnt?
Die Spezialisten, die das Tattoo studiert haben, haben die Liebesgeschichte, die sich dahinter verbirgt, rekonstituiert. Die Geschichte, von der das Tattoo spricht, fand in einer Bukarester Gosse statt.

Es ist die Geschichte einer einfachen Frau Namens Gherghina und deren Sohn Ionuţ. Auf der Zeichnung hält Gherghina ein Taschentuch in der Hand. Auch der kleine Ionuţ winkt mit einem Blumenstrauß. Es kann sein, dass der Vater auf See gefahren ist. Das letzte Bild, dass er von den beiden hat, zeigt sie winkend vor der Haustür. Zu der Zeit waren die Themen der Tätowierungen phantastische oder patriotische Symbole, verschiedene erotische Symbole und Gesichter der Geliebten. Der Mann hat sich mit Sicherheit das Tattoo mit seiner Familie gestochen, weil er weit weg von Frau und Sohn war. Ihre Liebesgeschichte wurde mit einer Zeichnung verewigt, die für immer existiert.

Die Ausstellung „Für eine Geschichte der Symbole: Tätowieungen in Rumänien“ kann dienstags bis sonntags zwischen 9 und 17 Uhr besucht werden. Eine Eintrittskarte kostet 7 Lei, ermäßigt 3 Lei für Rentner und 2 Lei für Schüler und Studenten. Mehr Infos unter www.mcubrasov.ro.