Über Norm und Abnorm in Literatur und Alltag

Die XV. Internationale Tagung Kronstädter Germanistik

Zwischen dem 22. und dem 24. März veranstaltete die Germanistikabteilung der Philologischen Fakultät der Transilvania Universität Braşov in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens die XV. Internationale Tagung Kronstädter Germanistik zum Rahmenthema  „Norm und Abnorm in der deutschen Kultur, Literatur und Sprache. Paradigmen des Bestandes und der Erneuerung.“

Die Veranstalterin Dr. Carmen Elisabeth Puchianu  eröffnete die diesjährige Veranstaltung mit einem Grußwort an die Teilnehmer. Vertreter der Fakultäts- und Universitätsleitung sprachen ihr Lob aus für die erfolgreiche und langlebige Existenz der Tagung Kronstädter Germanistik. Die anschließend musikalische Darbietung von Paul und Elena Cristian sorgte für einen künstlerisch geprägten Einstieg in die Tagungsarbeiten.

Der erste Veranstaltungsblock widmete sich dem Themenkreis „Norm und Abnorm aus der literaturwissenschaftlichen Perspektive“. Mag. Robert Neiser aus Wien besprach anhand eines Auszugs den Prosatext Schnori von Robert Walser die rätselhafte, abnorme Hauptgestalt Schnori, anschließend ging Dr. Delia Cotârlea (Kronstadt) auf abnorme Figuren (Zwerge, Riesen, Drachen) als Beispiel radikaler Alterität ein. Robert G. Elekes (Drd. Hermannstadt/Kronstadt) untersuchte sprachliche Abnorm als emanzipatorische Strategie in der Lyrik von Anemone Latzina und Oskar Pastior. Dr. Carmen E. Puchianu (Kronstadt) stellte eine abnorme Perspektive des Theatermachens zur Schau, in ihrem Vortrag „Theater im Aufbruch. Zu Büchners ‘Leonce und Lena’“.

Anschließend sprach die Kronstädter Masterandin Alexandra Greavu über den Status des Kabaretts als Abnorm des Theaters. Mit dem Roman „Steinzeit“ von Mariella Mehr eröffnete Dr. Maria Trappen (Hermannstadt) den Zuhörern eine abnorme, erschütternde Welt des menschlichen Leidens. Dr. Mariana Virginia Lăzărescu (Bukarest) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit dem ungewöhnlichen Lachen und dem Tod in Carmen Elisabeth Puchianus kürzlich erschienenem Roman „Patula lacht“. Über Abnorm in Karin Gündischs Roman „Weit, hinter den Wäldern“ sprach die Bukarester Masterandin Alexandra Nicolaescu. Dr. Sunhild Galter (Hermannstadt) schloss den literaturwissenschaftlichen Block mit Untersuchungen zu Karin Ludwigs eigentümlichen Kurzgeschichten ab.

Weiterhin folgten Mitteilungen in den Sektionen zu Landeskunde und Kommunikationswissenschaften als auch zur Sprachwissenschaft. Dr. Gudrun Liane Ittu (Hermannstadt) stellte den Banater  Künstler Franz Ferch mit seiner von der Kulturpolitik beeinflussten Malerei vor, Dr. Thomas Schares (Bukarest) äußerte sich zu der Anwesenheit der Roma in der deutschsprachigen Presse aus Rumänien.

Die Bukarester Masterandin Adelaida Ivan versuchte Werte von Deutschen anhand von Studien zu erfassen, Dr. Marianne Koch (Bukarest) stellte das EU-Projekt MIG-KOMM zur mehrsprachigen interkulturellen Geschäftskommunikation für Europa vor.

In der Sektion Sprachwissenschaft ging Dr. Mihaela Parpalea (Kronstadt) auf bewusste und unbewusste sprachliche Normabweichungen ein, Dr. Kinga Gall (Temeswar) führte die einschlägige Diskussion weiter mit Bezug auf den menschlichen Körper als wiederkehrendes Element in der Phraseologie. Dr. Lucia Nistor (Jassy/Iaşi) untersuchte die Verwandtschaftsbezeichnungen Onkel und Tante im außergewöhnlichen Bereich der deutschen Schimpfwörter. Julianne Thois (Drd. Bukarest) setzte sich mit Redewendungen mit regional bedingten Unterschieden in Verbreitung und Form auseinander.

Zum Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch äußerte sich Dr. Sigrid Haldenwang (Hermannstadt) anhand einiger Fallbeispiele. Dr. Ileana Maria Ratcu und Dr. Ioan Lăzărescu (Bukarest) sprachen das ungewöhnliche Thema der Berufsnamen in den deutschen Urkunden aus Siebenbürgen im 15. und 16. Jahrhundert an. Nachdem die Zuhörer sich über das Duzen im Rumänischen im Vergleich zum Deutschen im Vortrag von Dr. Hermine Fierbinteanu ( Bukarest) Gedanken machen durften, veranschaulichte Vlad Cucu-Oancea (Drd. Bukarest) Jung- und Jüngstentlehnungen aus dem Englischen als etymologische Dubletten rumänischer und deutscher Wörter.

Abschließend  besprach Cornelia Pătru (Drd. Bukarest) Euphemismen in der Preisbeschreibung verschiedener Produkte im Deutschen und im Rumänischen.

Die Tagung endete mit je einer Sektion zu Übersetzungs- und Kommunikationswissenschaft und zu Didaktik und Methodik. Dr. Nora Căpăţână (Hermannstadt) untersuchte das kreative Übersetzen bei der Filmtitelübertragung, Dr. Enikö Gocsman (Kronstadt) sprach die  Ambivalenz der Normen bei der literarischen Übersetzung an, Dr. Lora Constantinescu beschäftigte sich mit enttabuisierender und verletzender Werbung.

Im Bereich der Didaktik warf Dr. Doris Sava (Hermannstadt) die Schwierigkeiten bei der normgerechten Ausarbeitung wissenschaftlicher Abschlussarbeiten auf, Dr. Ellen Tichy (DAAD, Hermannstadt) setzte sich mit der Rezeption regionaler DaF-Lehrwerke in der Unterrichtspraxis am Beispiel Ungarns auseinander, Dr. Liana Regina Iunesch (Hermannstadt) hob den (Fort)-Bestand traditioneller Methodenkonzepte im Grundschulunterricht hervor, wobei Dr. Ioana Andreea Diaconu (Kronstadt) den Einsatz alternativer DaF-Methoden im Germanistikunterricht unterbreitete.

Als Rahmenprogramm gab es am Freitag dem 23. März, in der Kronstädter Redoute eine vom Kabarett Kaktus (C. E. Puchianu, Paul Cristian und Valentin Jeinov) dargebotene musikalisch Kabareske „Die  frommen Helene“ nach Wilhelm Busch.

Alles in allem war die Kronstädter Tagung zur Germanistik auch in diesem Jahr eine ergebnisreiche und gelungene Veranstaltung.


Alexandra Greavu,
Masterstudiengang „Interkulturelle Studien in deutscher Sprache und Literatur“,Transilvania-Universität Kronstadt