Visitenkarte für das multikulturelle Kronstadt

Honterushof wird neu gestaltet

Für die meisten deutschsprachigen Kronstädter ist der Hof der Schwarzen Kirche, der gleichzeitig auch Schulhof des Johannes Honterus-Kollegs ist, von großer Bedeutung. Hier haben viele von ihnen 12 Jahre ihres Lebens während der Schulzeit verbracht und jedes Mal wenn sie durch den Hof gehen, werden die schönsten Erinnerungen wach. Der Honterushof ist einer der schönsten Schulhöfe, den es gibt. Während der Pausen hat man hier zwischen den Kirchenmauern Verstecken oder Schatzsuche gespielt, unter der Honterus-Statue hat man sich am allerersten Schultag, zum Schulabschluss und an den Klassentreffen fotografiert. Der Platz ist während der Jahrzehnte derselbe geblieben, nur beleben ihn andere Kinder und Jugendliche.

Nun soll er modernisiert werden. Zur Schwarzen Kirche gehörend, muss der Honterushof zum Musterbeispiel einer erfolgreichen Zusammenarbeit zur Rettung des historischen Stadtzentrums werden – eine Visitenkarte fürs touristische und multikulturelle Kronstadt, aber auch ein Ort mit dem sich die Honterusgemeinde und die Kronstädter Sachsen stets identifizieren können.

Schon im Jahr 2012 hat das Projekt für die Sanierung und Umgestaltung des Kirchhofs des Architekten Johannes Bertlefff den Architekturwettbewerb gewonnen, der von dem Verein „Rettet das historische Stadtzentrum Kronstadts“, dem Bürgermeisteramt und der Honterusgemeinde ausgeschrieben und von der rumänischen Architektenkammer OAR und der Filiale Kronstadt, Harghita und Covasna organisiert wurde. Laut Projekt soll die „Neugestaltung“ des Honterushofes als Sanierung und Gestaltung des Hofes nach historischen Vorlagen verstanden werden, und nicht als radikale Umgestaltung mit manchen mehr oder weniger gewagten Experimenten. Der Hof soll somit seinen historischen, mittelalterlichen Charakter behalten und gleichzeitig seinen gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben in Bereichen wie Geistlichkeit, Erziehung, Kultur, Tourismus und öffentlicher Raum gerecht werden.

Nun sind die Sanierungsarbeiten endlich gestartet. Kurze Zeit danach sind auf dem Hof ein paar Bänke aus Metall erschienen, die eine etwas ungewöhnliche Form haben. Auf den soziellen Netzwerken fragten sich die Kronstädter: „was ist denn das?”, als ob es unbekannte Flugobjekte wären, die hier über Nacht gelandet sind. Einige verglichen die Bänke mit Riesenkäfern oder mit überdimensionalen Bratwürsten und schienen empört. „Sie passen nicht in die Landschaft. Sie sind zu modern, um neben einer Jahrhunderte alten Kirche hingestellt zu sein“, meinte jemand. Manche schrieben, dass die Bänke kinderfreundlich und schön sind, andere meinten, sie seien hässlich und hätten auf dem Honterushof nichts zu suchen. Auch in den Medien gab es wegen der Bänke Aufruhr. Passt alt und neu eigentlich zusammen? Ja, meinen die Vertreter der Honterusgemeinde. Bloß muss man sich zuerst daran gewöhnen.

Ein künstlerisch gestaltetes Umfeld

Laut Frank Ziegler, Leiter des Bereichs Schwarze Kirche an der Evangelischen Kirche A.B. Kronstadt, wurden die modernen Sitzbänke, die vom bildenden Künstler Virgil Sripcariu gestaltet wurden, sowie das neue Hüpfspiel aus Stein, das sich im Hof befindet, vorläufig nur temporär aufgestellt werden. Sie werden zurzeit getestet, und falls sie den Test bestehen werden, auch behalten. Die Gemeinde wünscht sich, dass der Honterushof zu einem urbanistischen Kontrapunkt zum lebendigen Marktplatz wird. Eine Oase der Ruhe, wo Menschen sich erholen können. Er soll ein Ort sein, der zum Verweilen und zum Spiel einlädt. Ebenfalls werden zwei Arten von Pflastersteinen getestet - auf ihre Resistenz, auf den Komfort für Fußgänger und auch dass sie sich in das Stadtbild integrieren und passend sind. Wenn sich diese Lösungen als fiabel erweisen, können wir sie auch auf weiteren Flächen des Hofes anbringen.

„Die Kirchengemeinde arbeitet seit Jahrzehnten, dass der Hof saniert wird, doch es gab immer wieder administrative Stolpersteine. Die Bestuhlung des Hofes und der kleine Abschnitt mit der neuen Oberflächengestaltung ist temporär, als Test gedacht. Der Kies-Belag muss getestet werden und an den Möbeln muss getestet werden, ob sie ästhetisch zum Ambiente passen, aber auch ob sie resistent sind. Wir testen also, ob diese Sitzbänke zur Kirche passen und gleichzeitig testen wir auch ihre funktionale Kompetenz. Sie können auch als Sitzgelegenheiten benutzt werden, sie müssen äußerst resistent sein, schwer zu vandalisieren sein. Gleichzeitig sollen sie auch einen künstlerischen Anspruch haben und nicht beliebig gestaltet werden“, meint Ziegler.

Der Kontrast zwischen Alt und Neu ist belebend

Alt und Neu funktionieren bestens zusammen, wollen die Vertreter der Honterusgemeinde zeigen. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass gebautes Denkmalerbe und moderne Komponenten sehr gut miteinander harmonieren können. „Beispiele für die urbanistische Kombination von gotischen Kirchen und moderner Architektur oder Skulptur gibt es in Europa bereits sehr oft, zum Beispiel das Ulmer Münster mit dem modernen Ulmer Stadthaus oder die moderne Skulptur vor der Kirche Saint-Eustache in Paris, auf die sich Kinder gern setzen. Auch das Café CH9, der INSPIRATIO Souvenirladen, die Humanitas-Buchhandlung auf dem Marktplatz oder das sogenannte „blaue Haus" am Apfelmarkt, in dem das Pfarramt seinen Sitz hat, verbinden Alt und Neu auf erfolgreiche Weise, und deshalb wurden auch z.B. das Café und das „blaue Haus" bereits als herausragende Restaurierungsprojekte mit Architekturpreisen ausgezeichnet. Auf dem Honterushof wird diese Verbindung nicht nur mit den künstlerische gestalteten Bänken von Virgil Scripcariu fortgesetzt, sondern Teil des kompletten Projekts zur Instandsetzung des Honterus-Hofes sind nicht nur Sitzmöbel, sondern auch noch zahlreiche andere Elemente wie ein Hüpfspiel aus Stein, die zum Verweilen auf dem Hof und zur Muße einladen“.

Es gibt viele Orte, an denen modernes Design und gothische Architektur bewusst zusammen gesetzt werden und der Kontrast wird als belebend und inspirierend gefunden. Was die Zurückhaltung mancher Kronstädter betrifft, meint Ziegler: „Man muss denken, dass auch die Gothik einmal eine experimentelle Kunst war“.