Von Pferden, Lavendel und Glück

Ein Deutscher und eine Szeklerin schaffen bei „Gut Falkenhof“ ein Zuhause für Touristen

Das Paar Siegfried Busch und Klára Szabó zusammen mit Tochter Lea vor ihrem Restaurant und der Pension bei Gut Falkenhof.

Gemeinsam mit einem Team entwirft Klára Szabó eine eigene Modelinie.

Lea verbringt den Großteil ihrer Zeit mit den Pferden.

Ziegen, Schafe, Kühe, Schweine, Pferde, Hühner, Hunde, Katzen leben am Hof und dürfen gestreichelt werden.

Das Pony des Gutes ist von allen geliebt.

Das Restaurant verfügt über 120 Sitzplätze.

Die Landschaft in der Gegend von Gut Falkenhof ist wunderschön.

Unter der Eigenmarke der Familie, „Dianna Manufaktura“ werden zahlreiche Produkte hergestellt, wie Holz- und Plüschtiere, Lavendelwasser, -syrup, -öl und -kissen, wie auch Konfitüren oder Kleidungsstücke.

„Das war einmal eine glückliche Kuh“, meint Siegfried Busch zwinkernd. Wir sitzen zusammen an einem Tisch des Gasthofs „Gut Falkenhof“ in Șoimușu Mic und füllen uns gerade zum dritten Mal den Teller mit köstlichem Rindfleisch-Eintopf. Beim ersten Gang, einer traditionellen szeklerischen Fleischklößchensuppe mit Estragon, hatten wir zweimal nachgefüllt, weil wir dachten, dass es nichts Köstlicheres geben kann. Doch wir hatten uns geirrt- ein Gericht übertrifft das andere. Auch vom frischen Kartoffelbrot und von den eingelegten Paprika konnten wir nicht genug bekommen. Alles, was auf unseren Tellern liegt, stammt aus der eigenen Wirtschaft oder von Bauern aus der Region. Aber allein die Bio-Zutaten sind es nicht, die dieses einfache und leckere Essen so speziell machen. Irgendeine Geheim-Zutat muss der Koch noch verwendet haben, und wir müssen an die schon zum Klischee gewordene Formulierung „Kochen mit Liebe“ denken. Klára Szabó, die Frau von Siegfried Busch, fragt, ob wir zum Abschluss noch einen Espresso wollen. Als wir überlegen, ob wir noch so spät Kaffee trinken sollten, erklärt sie lachend, dass es sich um einen „szeklerischen Espresso“ handelt. Der Birnenschnaps ist die Krönung des Abendessens und wir stoßen mit der Familie an. Es ist warm und gemütlich in der Gaststube, über den Hügeln ist die Sonne schon längst untergegangen, der Novemberhimmel draußen hat sich tintenblau gefärbt.
Vorbei sind die langen Sommernächte, an denen man im Garten beim Lagerfeuer die Sterne zählen kann. Noch sind die Tage sonnig und warm, aber die kühlen Nächte kündigen den Winter an.

Das Ehepaar erzählt von ihren drei Kindern – die eine Tochter studiert in Klausenburg, die andere ist auf dem Hof geblieben und gibt Reitstunden, der Sohn hilft im Familienunternehmen in Cristuru Secuiesc mit. Wir unterhalten uns darüber, dass es viele junge Leute nach Schulabschluss nicht mehr in die weite Welt zieht, sondern sie entscheiden sich bewusst, daheim zu bleiben.

Irgendwie fühlt es sich an, als ob wir uns schon lange kennen. Dabei hatten wir Siegfried Busch und Klára Szabó erst knapp zwei Stunden zuvor zum ersten Mal gesehen. Am Nachmittag hatte uns das Ehepaar auf dem „Gut Falkenhof“ (auf Ungarisch „Sólyom Major“) empfangen.

Ein nachhaltiges Leben
Wenn man nach Șoimușu Mic (ung. Kissolymos) an der Grenze der Kreise Harghita und Mureș gelangen will, muss man in Vânători von der Hauptstraße nach rechts in Richtung Cristuru Secuiesc abbiegen. Gleich nachdem man das Ortsschild passiert hat, sieht man auf der rechten Seite schon die einladende Terrasse mit Holzbänken. Noch stehen viele geschnitzte Kürbisse draußen in der Herbstsonne. Das Halloween-Fest, wo es auch Workshops für Kinder gab, ist gerade vorbei. Umgeben von Hügeln ist [oimusu Mic ein malerisches Dorf, in dem es scheint, dass die Zeit stillsteht. Es gibt kaum Empfang auf dem Handy, man braucht keinen Wecker stellen, weil man vom Krähen der Hähne geweckt wird, Milch gibt es direkt von der Kuh und nicht aus dem Supermarkt in Kartonschachteln und außer ein paar Autos, die auf der Landstraße vorbeifahren, gibt es kaum Straßenlärm.

In diesem Dorf, 24 Kilometer von Schäßburg und 115 km von Hermannstadt entfernt, lebt seit Jahren ein Deutscher, der sich in den Charme der kleinen Ortschaft verliebt hat und ihn zu schätzen weiß. Siegfried Busch führt hier ein nachhaltiges Leben nahe an der Natur und lässt auch andere sich dafür begeistern. Es hat erkannt, dass es in dieser Gegend einen Schatz gibt, den man im Europa immer seltener findet: Dörfer mit unberührter Natur, die authentisch geblieben sind und wo alte Traditionen noch bestehen. Man kann hier leben wie früher – nahe an der Natur und an den Menschen. Das finden Touristen in keinem All-inclusive-Ressort. Familien mit Kindern, pferdebegeisterte Jugendliche, Individual-Urlauber, digitale Nomaden, Büromenschen im Burnout – alle sind herzlich willkommen und fühlen sich hier wie zu Hause.

Es fing mit einem Pferd an
Den aus Krefeld stammenden Logistiker Siegfried Busch hat es gleich nach der Wende nach Rumänien verschlagen, als viele deutsche Bekleidungshersteller hier Produktionslinien eröffnet haben. Anfangs verwaltete er ein Lager in Huedin, der Liebe wegen zog er aber ins Szeklerland, nach Cristuru Secuiesc. Hier hat er sich 1998 mit seinem Lokistikunternehmen ELKA-International, das rund 120 Menschen beschäftigt, selbstständig gemacht. Er leitet es zusammen mit seiner Frau Klára Szabó. Unter anderem wird hier auch Spielzeug für eine bekannte Marke aus Deutschland hergestellt. Mittler-weile führt das Ehepaar auch eine eigene kleine Produktionslinie, für die Szabó mit ihren Partnern verschiedene Kleidungsstücke entwirft und unter der Marke „Dianna Manufaktura“ produziert. Bei  Gut Falkenhof kann man einige von ihnen bewundern: bunte gestreifte Baumwoll-Blusen, Schneeanzüge mit Fuchs-Modell für Kinder, elegante Wintermäntel und Westen aus Fell-Imitat. Ebenfalls unter der Marke Dianna produziert Klára Szabó Lavendel-Düfte, Seifen und Säfte, die zu kreativen Geschenke-Sets kombiniert werden können und ein nettes Souvenir für die Touristen sind, die Falkenhof besuchen.

Als die Familie noch in Cristuru Secuiesc lebte, wünschten sich die Kinder sehnlichst ein Pferd.

Die Eltern erfüllten den Wunsch. Es dauerte nicht lange, bis ein zweites und ein drittes Pferd dazu kamen. Als sechs Pferde im Hof  herumliefen, entschied sich die Familie, einen größeren Platz zu suchen, wo die Tiere untergebracht werden können. So fanden sie das Gelände in Șoimușu Mic, auf dem während des Kommunismus eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (CAP) in Betrieb war.

In einigen Jahren gelang es Siegfried Busch und Klára Szabó, einen Reiterhof aufzubauen und einen Sportverein zu gründen, der rund 40 Mitglieder zählt. Lea, die mittlere Tochter, kümmert sich darum, sie pflegt die Tiere, gibt Reitunterricht und nimmt an Reitturnieren teil.

Das Hauptgebäude, der ehemalige Kornspeicher, war dem Verfall nahe. Die Renovierungsarbeiten dauerten jahrelang – auch wegen der bürokratischen Hürden. Die Holzkonstruktionen wurden renoviert, die alten Ziegelwände sichtbar gemacht, sämtliche Leitungen, Brandschutz und Dämmung erneuert. Ebenfalls wurde eine Küche installiert, die bei Festen und Veranstaltungen bis zu 120 Personen bekochen kann. Aus dem Wunsch, die Gäste und Teilnehmer der Reitturniere zu bewirten, entstand der Gastropunkt, später das Restaurant und nun auch eine Pension.

Lavendel-Limonade statt Cola
Im Gastropunkt, den die Familie seit 2019 betreibt, wird ausschließlich regional und saisonal gekocht. Auf dem Hof werden Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner gezüchtet, im Garten sind viele Obstbäume und ein Hektar Lavendelfeld. „Wir wissen, was wir essen und trinken, und wir legen großen Wert darauf, dass auch unsere Kunden sich an besten Produkten erfreuen“, erklärt Siegfried Busch. Vor ein paar Wochen konnte man auch einen Koch einstellen, der ganztags arbeitet. Gekocht werden traditionelle szeklerische Gerichte. Auf die Frage, ob man hier in Zukunft auch Gerichte aus dem Rheinland, seiner Heimat, genießen wird, antwortet Busch kategorisch mit „Nein”. „Auf der Speisekarte werden nur typische szeklerische Gerichte aus der Gegend stehen. Wir wollen nichts Anspruchsvolles, vielleicht kleine Reinterpretationen, aber im Prinzip authentische Küche wie zu Hause, wie man sie an den wenigsten Orten noch findet. Die Gerichte werden weniger fettig und mit weniger Sahne zubereitet als früher gekocht wurde, aber das ist schon der einzige Unterschied“, meint der Deutsche. Eines seiner Lieblingsgerichte sind die rumänischen Papanași.

Bei Gut Falkenhof findet man keine Fertiggerichte, kein Frühstück mit Supermarkt-Salami, keine Cola. Dafür aber Lavendel-Limonade. „Wir bieten hier, wie man das schön neudeutsch sagt, Slow Food an.“ Alle Abfälle werden kompostiert oder als Tierfutter verwertet.

Anfang des kommenden Jahres wird man auch eins der 11 Gästezimmer der Pension buchen können. „Das Schöne ist, dass man hier tatsächlich absolute Ruhe findet. Für gestresste Stadtmenschen ist es die Chance, absolut herunterzukommen“, erklärt der Eigentümer.

Doch nicht nur faulenzen und sich in der frischen Luft erholen kann man hier: bei Gut Falkenhof gibt es die Möglichkeit, Aktivurlaub zu betreiben. Je nach Jahreszeit kann man mit Kutsche oder Schlitten die Gegen erkunden, Brot in einem alten Holzofen backen, Bauern beim Schnapsbrennen über die Schulter schauen, Wasserbüffelherden besuchen oder Hirten auf der Alm beim Melken helfen. Gruppen aus In- und Ausland nehmen das Angebot wahr. „Wir bieten unseren Touristen alles mögliche an. Außer Bären beobachten. Es gibt zwar ein großes Angebot in der Gegend, wir raten aber davon ab. Die Betreiber dieser Einrichtungen garantieren den Touristen, dass sie einen Bären sehen werden. Und um sicher zu sein, stellen sie Futter in den Wald. Natürlich wird der Bär kommen. Aber das ist nicht gut. Die Nähe zwischen Mensch und Bär hat bisher zu nichts Gutem geführt. Wer die Tiere respektiert, sollte Abstand zu diesen Freizeitaktivitäten halten.“ 

Geteiltes Glück hält vielfach
Ein eigenes Programm gibt es auch für Kinder, die Reitunterricht erhalten und übers Wochenende in kleinen Holzhäuschen am Grundstückwohnen können. Sie dürfen die Eier der Hühner aus dem Stall nehmen und das Frühstück für die anderen Kinder zubereiten, Brötchen backen oder die Pferde striegeln. „Wenn sie mit der Katze schmusen, mit den Hunden herumtoben oder wenn vielleicht gerade ein paar Lämmer geboren sind, die sie auf den Arm nehmen, vergessen sie Handy und Technologie. Sie können sich auf das Wesentliche konzentrieren“, meint Busch.
Seit Jahren hält seine Tochter Lea den Reiterhof mit den 13 Pferden. Sie gibt fast täglich Reitunterricht und freundet Kinder mit Pferden auch bei Wochenend- oder Sommerlagern an. In der warmen Jahreszeit kommen auch Pfadfinder auf das Gut und gehen mit Kindern auf die Hügel wandern, erklären ihnen Pflanzen und Kräuter, machen gemeinsam Lagerfeuer und spielen miteinander.

Wer sehr naturbezogen leben möchte, hat sogar eine Jurta zur Verfügung, wo es weder Telefonempfang, Fernseher noch Internetanschluss gibt. „Dieses Angebot nehmen meist junge Leute wahr, die eine spartanische Erfahrung suchen“. Auf dem Grundstück sind auch Campervans willkommen, es gibt eigens dazu geschaffene Stellplätze.

Für die Gäste gibt es regelmäßig Veranstaltungen mit traditionellen Tänzen, Musik und Workshops. Die Gastgeber kümmern sich um alles - Flughafentransfer, Stadtführungen, Reitunterricht, Kutschfahrten, Besuche im Dorf. Neue Ideen, um die Touristen zu überraschen, kommen immer dazu. 

Es sind Dinge, für die sich Siegfried Busch und Klára Szabó begeistern. Und die sie nicht für sich behalten, sondern immer weitergeben wollen. Man sagt, geteiltes Glück hält doppelt. In diesem Fall hält es vielfach – mit jedem einzelnen Besucher des Guts Falkenhof wird es geteilt.