32. Festival osteuropäischer Filme Cottbus erstmals mit „Spotlight ROMÂNIA“

Starkes Filmland Rumänien wieder mit Preis geehrt

Stadthalle Cottbus, Hauptspielstätte des Filmfestivals osteuropäischer Filme und Headquarter der FFC-Festivalleitung

Oana Giurgiu, Mitbegründerin und Direktorin des Transilvania Film Festival (TIFF) in Klausenburg, Mitglied der Internationalen FFC-Jury. Ihr 2021 produzierter Film „Spioni de ocazie“ lief im Rahmen von „Spotlight ROMÂNIA”. | Fotos: der Verfasser

Regisseur Alexandru Belc, 1980 in Kronstadt geboren, präsentierte seinen ersten Langspielfilm „Metronom”.

Treffen an der Brandenburgischen Universität Cottbus - Senftenberg (BTU), die mit dem FFC partnerschaftliche Verbindungen pflegt. Im Oktober startete an der BTU das neue Semester des deutsch-rumänischen Bachelor-Studienganges mit Doppelabschluss in der Sozialen Arbeit. In der Runde: Dr. Catalina Ene Onea, Dozentin für Rumänische Sprache & Kultur/ Interkulturalität, mit dem Direktor des Rumänischen Kulturinstitut „Tito Maiorescu“ Berlin, Cristian Niculescu, und Prof. Dr. Ulrich Paetzold, Studiendekan

Jana Gebauer, Sprecherin des FFC, und der Berliner Journalist und Autor des Artikels, Berndt Brussig, vor der Stadthalle Cottbus, Headquarter der Festivalleitung und Hauptspielstätte der insgesamt sechs Spielstätten. Jana Gebauers Großeltern stammen aus Siebenbürgen. „Als ich das erste Mal Kronstadt besuchte, war ich gleich begeistert von dieser Stadt.“ | Foto: privat

Das FilmFestival Cottbus (FFC) – Festival des osteuropäischen Films, 1991 aus der Taufe gehoben, mit neugeschaffener Sektion „Spotlight ROMÂNIA “: Das 32. FFC präsentierte vom 8. bis 13. November 2022 mehr als 200 Filme aus 48 Ländern, davon zwei aus Rumänien in der Wettbewerbssektion und 14 im „Spotlight ROMÂNIA”. Die internationale Jury zeichnete Iulian Postelnicu mit dem „Preis für eine herausragende darstellerische Einzelleistung“ im neuesten Film des Regisseurs Paul Negoescu, „Oameni de treaba“, aus. „Spotlight ROMÂNIA” wurde vom Rumänischen Kulturinstitut „Tito Maiorescu” Berlin unterstützt.

Das FFC zählt zu den weltweit führenden Foren für das osteuropäische Kino. „Es gibt einen einzigartigen Überblick über das aktuelle Filmschaffen Mittel- und Osteuropas, vom leisen Autorenfilm über Politthriller bis zum knalligen Blockbuster, von der romantischen Komödie über märchenhafte Kinderfilme bis zur intimen Coming-of-Age-Geschichte“, so die treffende Beschreibung im FFC-Magazin. Tatsächlich reflektierten die gezeigten Filme und die intensiven Diskussionen der  Filmemacher und Filmmache-rinnen aus 48 Ländern mit dem Publikum diese Beschreibung. Dass viele Filme ihre deutsche, internationale oder sogar weltweit erste Aufführung auf dem FFC 2022 hatten, unterstreicht den hohen politischen und künstlerischen Stellenwert dieses Festivals. Die Filmschaffenden schätzen nicht zuletzt den fast familiären Charakter des Cottbuser Filmfestivals. Man kennt sich.

Hinzu kommt die Komponente „connecting cottbus“ (coco): Das FilmFestival Cottbus gilt als einer der ältesten Branchentreffpunkte in Europa. Auch in diesem Jahr fand ein dreitägiges coco-Branchen-event, ein Ko-Produktionsmarkt und eine Networking-Plattform, statt: Eine exklusive Auswahl von Filmprojekten, die sich in der Entwicklung oder Postproduktion befinden, wurde einem Branchenpublikum sowie Weltvertrieben und Finanziers vorgestellt.  

Spotlights ROMÂNIA und ECOEAST

Neben den traditionellen Wettbewerben Spielfilm, Kurzfilm und U18-Jugendfilm kamen auf dem 32. FFC 2022 noch zwei Sektionen hinzu: „Spotlight ROMÂNIA“ und „Spotlight ECOEAST“.
Insgesamt entschieden acht Jurys über die Vergabe der Auszeichnungen beim FilmFestival Cottbus. Die Jurys werden von der Festivaldirektion berufen und setzen sich aus bedeutenden Persönlichkeiten der osteuropäischen und deutschen Filmbranche zusammen. Sie küren den besten Spielfilm, die beste Regieleistung und die beste darstellerische Einzelleistung. Auch der beste Kurzfilm wird ausgezeichnet sowie der Spezialpreis in dieser Kategorie prämiert. Oana Giurgiu, Mitbegründerin und Direktorin des Transilvania Film Festival (TIFF) in Klausenburg/Cluj, fungierte als Mitglied der Internationen FFC-Jury. Ihr 2021 produzierter Film „Spioni de ocazie“, lief im Rahmen von „Spotlight ROMÂNIA”. Diese Co-Produktion mit Kroatien und Slowenien handelt von vom britischen Geheimdienst 1943 im Zweiten Weltkrieg eingefädelten Spionageaktivitäten in von der deutschen Wehrmacht besetzten Ländern auf dem Balkan, um vermisste Kampfpiloten der Allierten zu retten.

Preis für Film „Oameni de treaba“ von Paul Negoescu

In der Sektion Wettbewerb war Rumänien mit zwei Produktionen dabei: Mit „Oameni de treaba“ von Paul Negoescu und „Metronom“ von Alexandru Belc. Die Jury zeichnete das neueste Werk von Paul Negoescu mit dem „Preis für eine herausragende darstellerische Einzelleistung“ aus, bezogen auf den Schauspieler Iulian Postelnicu. Begründung: „Bei ihm denkt man, dass die Figur in ihm existiert und nicht gespielt wird“. Im Mittelpunkt der Korruptionsposse von Negoescu agiert der Dorfpolizist Ilie, der am Rande des Wahnsinns steht, an der Grenze zur Republik Moldau Dienst schiebt, dabei die Augen vor kriminellen Machenschaften verschließt – bis er aus seinem Dämmerzustand aufwacht und endlich aktiv wird, weil ihn das Gewissen plagt. Doch das dauert halt seine Zeit…

Nahezu nach jeder Vorführung gab es Gespräche mit Regisseurinnen und Regisseuren, Produzentinnen und Produzenten, Schauspielerinnen und Schauspielern mit dem Publikum. Begegnung und Austausch ist ein Kernanliegen des FFC-Festivalteam.

Im politischen Fokus: die Ukraine

Im politischen Fokus des diesjährigen Festivals des osteuropäischen Films stand die Ukraine, leider aus traurigem Anlass: der Krieg gegen die Ukraine. Erstmals in seiner 32-jährigen Geschichte fand das FFC in Zeiten des Krieges statt. Auf dem Cottbuser Festival 2022 liefen 13 Filme aus der Ukraine und drei über die Ukraine, zumeist in Reflexion auf diesen Krieg, so der erschütternde Dokumentarfilm „Mariupolis 2“ des litauischen Regisseurs Mantas Kvedaravicius, der dem täglichen heldenhaften Überlebenskampf der Menschen in der zerstörten Stadt Mariupol ein filmisches Denkmal setzt.

Das FFC 2022 spiegelte ganz klar den politischen Paradigmenwechsel des Cottbuser Filmfests wider, indem der früher traditionelle „Russische Tag“, mit oft überraschenden, kritischen Produktionen aus Russland, durch den „Ukrainischen Tag“ ersetzt wurde.

Als ein Signal der Solidarität mit der Ukraine lud das FFC 2022 zum „Ukrainischen Tag“ am 11. November mit Screenings von sechs ukrainischen Filmen ein. Die Screenings boten den Filmschaffenden nicht nur die Möglichkeit, diese Werke kennenzulernen und zu diskutieren, sondern auch, sich über „ADAMI“ (Medienverbund von Künstlern aus sechs osteuropäischen Ländern, darunter z.B. Rumänien, Ukraine, Georgien) international zu vernetzen, gemeinsame Projekte zu verabreden, Potenzen zu bündeln, ganz aktuell unter der neugeschaffenen Rubrik „ADAMI IN WARTIME UKRAINE“.

Ganz zugeschlagen hatte das FFC 2022 die Tür vor russischen Filmen jedoch nicht, wollte man doch Möglichkeiten für Dialoge offenhalten, kritischen Stimmen ein Forum bieten. In diesem Kontext liefen zwei Filme auf dem Festival, etwa „Minsk“ des Regisseurs Boris Guts.

Blick auf Rumänien

Im „Spotlight ROMÂNIA” liefen sieben Produktionen in der Spielfilmsektion und gleichfalls sieben in der Kurzfilmsektion, etwa von Valeriu Andriuta der Kurzfilm „Eu sunt Dorin”, der auf dem 32. FFC seine Deutschlandpremiere hatte.

Das FFC-Magazin 2022 charakterisierte „Spotlight ROMÂNIA” auf den Punkt gebracht so: „Ein genreübergreifender Blick auf eine Filmszene, die Geschichte und Gesellschaft ihres Landes mit ungebrochener Kreativität und offenen Flanken reflektiert, in und abseits der großen Städte. 2001 lief mit Cristi Puius Spielfilmdebüt `Stuff & Dough`(Marfa și banii) im Wettbewerb des FFC ein Vorboten-Film der Rumänischen Neuen Welle. Spätestens seit dem internationalen Erfolg von `Der Tod des Herrn Lazarescu` wenige Jahre später überzeugt das rumänische Kino mit der Alltagsnähe seiner Figuren und einem Gespür dafür, relevante Geschichten lakonisch zu erzählen. Dabei erkundet es nicht nur die Zwischentöne der Kommunikation, sondern auch deren verheimlichten Backstorys. Namen wie Puiu, Cristian Mungiu, Adina Pintilie oder Radu Jude sind aus dem Kanon des europäischen Films nicht mehr wegzudenken.”

Nachhaltigkeit im Osten

Im Spotlight ECOEAST ging es nicht schlechthin um Naturdarstellung, vielmehr um Filme zu Ökologie und Nachhaltigkeit sowie Konflikte. Zum Auftakt der neugeschaffenen ECOEAST-Sektion wurden Filme aus Georgien gezeigt, als Teil einer Zeitreise durch 90 Jahre Filmgeschichte zu Fragen des Bewusstseins für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Besonderes Aufsehen in dieser Reihe erregte der georgische Spielfilm „Motwiniereba” („Rettung des Gartens”), der 2021 seine Premiere hatte, von Salome Jaschi. In dieser Koproduktion mit Deutschland und der Schweiz geht es um Konflikt und Kräftemessen zwischen Mensch, Natur und Maschine sowie einem Oligarchen in Georgien, der sein ambitioniertes Projekt um jeden Preis durchzudrücken versucht.                 

Facettenreiches Gesellschaftsbild Rumäniens      

Die Wettbewerbsfilme und die 14 in der Sektion „Spotlight ROMÂNIA” auf dem  32. Filmfestival des osteuropäischen Films in Cottbus präsentierten Filme vermittelten ein facettenreiches Gesellschaftsbild rumänischer Filmschaffender, gezeichnet von  international bekannten Regisseuren, aber auch von Newcomern, die gerade auf dem Sprung sind. Deren filmische Werke gaben nicht nur schlechthin Einblicke in die rumänische Gesellschaft, sondern warfen zudem brisante Fragen auf, die keineswegs nur auf Rumänien bezogen sind, vielmehr universellen Charakter tragen. Markantes Beispiel ist „R.M.N.“, neuester Film von Star-Regisseur Cristian Mungiu („Goldene Palme“ Cannes 2007; „Europäischer Filmpreis“, BERLINALE 2012). „R.M.N.“, gelaufen in der Sektion „Spotlight ROMÂNIA”. Es ist ein Sozialdrama, das sich in einem abgeschiedenen rumänischen Bergdorf mit Multiethnien in Siebenbürgen abspielt. Drei zugereiste Arbeiter aus Sri Lanka, die in der dortigen Brotfabrik deutscher Investoren arbeiten, sind der Auslöser für eine rapid zunehmende bedrückende Stimmung aus Chaos, Misstrauen und Fremdenhass. Ein mutiger Film, der schonungslos Tabus anspricht.Zum Themenspektrum der präsentierten Werke rumänischer Filmschaffender gehörten auch kuriose Alltagsgeschichten Jugendlicher, wie „Vulturii din }aga”, der neueste Film von Adina Popescu und Iulian Manuel Ghervas, eine Koproduktion mit der Slowakei, lakonisch-sympathische Ortsbescheibung aus dem siebenbürgischen Dörfchen Taga mit der das Fußballteam „Adler”, das eigentlich immer verliert, von seinem Trainer mit einer Mischung aus Leidenschaft und Trotz zusammengehalten wird.Nicht zuletzt begrüßenswert ist der Fakt, dass zum Repertoire der gezeigten Werke auch Filme zählten, die Schlaglichter auf die Zeit im Rumänien der Ceaușescu-Diktatur werfen. Ein markantes Beispiel ist die rumänisch-französische Co-Produktion „Metronom” in der Regie von Alexandru Belc. „Dieser Film wirft nicht nur ein Licht auf die starken Restriktionen, denen auch junge Menschen im Rumänien der Ceau{escu-Ära ausgesetzt waren, sondern auch auf den Einfluss des Radiomoderators Cornel Chiriac, der 1975 in München ermordet wurde – möglicherweise im Auftrag der Securitate“. (Quelle: Berliner FilmFestivals /32.FFC). Dieser erste Langspielfilm von Alexandru Belc, 1980 in Kronstadt geboren, gewann den Regiepreis der Sektion „Un Certain Regard“ bei den Filmfestspielen von Cannes 2022. Die Aufführung dieses in Cannes hochdekorierten Films auf dem FFC 2022 ist auch ein Ausdruck der hohen Wertschätzung dieses 1991 aus der Taufe gehobenen Filmfestivals. Diese Hochachtung für das FFC unterstreicht der Regisseur und Schauspieler Valeriu Andriuță, der seinen neuesten Film „Eu sunt Dorin“ in der Sektion „Spotlight ROMÂNIA” vorstellte und bereits am FFC 2012 teilnahm, mit dem Kommentar: „Ich komme immer mit Vergnügen nach Cottbus.“ Vor zehn Jahren war Andriu]˛ als Schauspieler in dem berühmten Film `Beyond the Hills` vertreten. In den nächsten Jahren hoffe er, mit einem Feature Film zu debütieren.