Der Alltag als Inspirationsquelle für zeitgenössisches Theater

Elise Wilks Stücke verweisen auf Probleme der Jugendlichen

Szene aus „Papierflugzeuge“
Foto: Avioane de Hârtie

„Bobo: Du gibst mir dein iPod und wir lassen dich einen Monat in Ruhe.
Miki: Ich glaube dir nicht.
Bobo: Ich schwöre es.
Miki: Zwei Monate. Das iPod und ihr lasst mich zwei Monate in Ruhe.
Bobo: Ein Monat hat vier Wochen, das bedeutet 20 Schultage. Mal zwei ist 40. Glaubst du, dass dein Scheiß-iPod 40 Tage wert ist?“
 

Die meisten Schüler hierzulande haben mindestens einmal einer Einschüchterungsaktion unter Altersgenossen an ihrer Schule beigewohnt, das zeigte unlängst eine Studie über Bullying an rumänischen Schulen der Organisation „Salvaţi copiii!“. Das Phänomen schildert Elise Wilks Theaterstück „Papierflugeuze“ schon bevor diese Ergebnisse bekannt gemacht wurden. Natürlich ist das Thema hochaktuell heute, dabei geht es aber um ein Problem, das seit Langem existiert. „Meiner Meinung nach wird in Rumänien viel zu wenig über die Probleme der Jugendlichen geschrieben. Solche Stücke sind sehr wichtig, damit gewinnt ein Theater das Publikum von morgen“, meint Wilk. Das Stück über Mobbing wurde in verschiedenen Städten landesweit inszeniert und es ist der zweite Teil einer Trilogie, in der Probleme der Jugendlichen aufgearbeitet werden. „Papierflugzeuge“ hat im Rahmen des Nationalen Theaterwettbewerbs letztes Jahr den großen Preis gewonnen. Unlängst wurde das Stück in der Regie von Cristi Juncu mehrmals an der renommierten Nationalen Universität für Theater- und Filmwissenschaft „I. L. Caragiale“ (UNATC) in Bukarest gespielt.

Die Kronstädter Schriftstellerin und Journalistin Elise Wilk, Redaktionsleiterin der „Karpatenrundschau“, stellt den Alltag von Miki dar, der hoffnungslos mit Schikanen verbunden ist: Mal muss der Jugendliche ein Sandwich mit Niveacreme essen und ein Glas Waschmittel trinken, mal wird seine Jacke in den Mülleimer geworfen oder an die Bank geklebt. Beleidigungen, Bedrohungen und Schlägereien sind an der Tagesordnung. Mit seinem iPod wird ihm die Chance geboten, eine Weile in Ruhe gelassen zu werden. Ob er sich in einer ausweglosen Situation befindet? Geschildert wird nicht nur seine innere Welt, sondern auch die seiner „Folterer“ in der Schule. Der Zuschauer wird mit kindhaften, unschuldigen Vorstellungen und besorgniserregenden Ängsten oder Träumen der Jugendlichen zugleich konfrontiert.

Durch die journalistische Arbeit stößt man fast bei jedem Schritt auf Themen, die einen inspirieren können. So benutzt Wilk ihre journalistische Recherchen, um die Themen zu dokumentieren.“ Man kann nicht fürs Theater schreiben, wenn man nicht mit den aktuellsten Themen auf dem Laufenden ist“, meint die Autorin. Schon bei dem Stück „Die grüne Katze“, dem ersten Teil der Trilogie, konnte die Schriftstellerin feststellen, dass das Publikum überall auf der Welt Verständnis für die Probleme der Jugendlichen hat: „Ich war erstaunt, wie gut sich das Publikum in die Personen im Stück einfühlen konnte. Eigentlich sind die Hauptthemen eher ‘menschliche’ Probleme, die überall auf der Welt zu finden sind“, sagt Wilk. Ihre Stücke wurden bisher in Italien, Deutschland, Österreich, Norwegen, den USA, Russland und der Schweiz in szenischen Lesungen vorgestellt oder produziert. In der Spielzeit 2015-2016 wurden alle Stücke Wilks gespielt, manche in verschiedenen Produktionen. Da sie normalerweise zu der Premiere oder zu der Lesung eingeladen wurde, konnte sie bisher fast alle Inszenierungen sehen und sich mit den Zuschauern austauschen.

Für Wilk ist es interessant, die Inszenierungen ihrer Stücke zu sehen: „Wenn ich für einige Momente vergesse, dass ich mir das eigene Stück anschaue, bedeutet es, die Inszenierung ist gut“. Für zufrieden erklärt sie sich, wenn es eine Zusammenarbeit mit dem Regisseur gibt. Cristi Juncus Inszenierungen beruhen auf einer ausgezeichneten Arbeit mit dem Schauspieler und weniger auf prätentiösen Regieinterpretationen, meint Wilk.„Die grüne Katze“ und „Papierflugzeuge“ kann man auf der Internetseite www.editura.liternet.ro/ lesen.