Die Donaufahrt

Franz Grillparzers Tagebuch auf der Reise nach Griechenland

Der Bühnenautor Franz Grillparzer (1791-1872) ist ein konservativer Dichter der Romantik, ein Wiener durch und durch, der wenig Verständnis für die zahlreichen Völkerschaften in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie hat. Als er am 27. August 1843 zu einer Reise auf der Donau aufbricht und darüber Tagebuch führt, verraten seine Notizen immer wieder Abscheu und Vorurteile.

Die politischen Forderungen Ungarns nach mehr Selbstbestimmung etwa, von denen Grillparzer in Bratislava erfährt, wiegelt er als „lächerlich“ ab. Auch sein latenter Antisemitismus klingt immer wieder an. Da reist beispielsweise ein Berliner, „wohl gar ein Jude“, mit auf dem Schiff, sehr zum Unwillen Grillparzers. Als sich während der Reise die Anzahl der Juden, Bulgaren und Serben unter den Passagieren häuft, glaubt Grillparzer, Zustände wie in einer „türkischen Kolonie“ vorzufinden.

Gelegentlich ändert der alte Dichter seine Ansichten. Als er die Doppelstadt Pest und Ofen (heute Budapest) erreicht, findet er Verständnis für die Sache der Ungarn: „Man begreift die hochstrebenden Ideen der Ungarn, wenn man ihr Land sieht.“ Doch hier schimmert mehr die romantische Verklärung als die Beurteilung der realen Umstände durch.

Hinter Zemun (heute ein Stadtteil von Belgrad), der Grenzstadt zu Serbien, endet für Grillparzer die Zivilisation. Die Ufer sind „niederträchtig“, Belgrad „scheint ein armseliges Nest“.

Schließlich erreicht er Orschowa/Orşova und Mehadia im Banat, wo Grillparzer von walachischen Ruderern an Land gebracht wird. Schlechtes Wetter und Krankheit – „die äußerst schöne Gegend konnte für so viele Unbequemlichkeiten nicht entschädigen.“ Und so verwundert es nicht, dass Grillparzer, der das Land nur kurz besucht, an alten Vorurteilen haften bleibt: „Mehadia hübsch, ja elegant. Räuberhöhle“, notiert er lakonisch.

Die Donaufürstentümer erscheinen ihm elend und heruntergekommen. Am 9. September erreicht er Cernavodă. „Liegen in der abgeschmacktesten Gegend. Müssen hier den ganzen Tag aushalten, bis die Wagen zur Landfahrt anlangen. Also noch eine Nacht in dieser Wanzenhöhle. Die jungen Leute wollen auf die Jagd gehen, und ich werde sie begleiten, um die Zeit hinzubringen, denn Gewehre sind nur zwei vorhanden. Überall Wüste, nichts als Wüste.“

Zu Land geht es von Cernavodă  weiter nach Osten, bis er in der Nähe von Konstanza/Constanţa das Schwarze Meer erreicht. Es „sieht aus wie ein dunkelblauer Hügel, Ostwind. Zerstört wie alles Türkische.“ Grillparzer badet in Ufernähe und jammert über den Salzgeschmack des Wassers, das „ist kälter, als ich vorausgesetzt“.

Am 11. September 1843 sticht Grillparzer gen Bosporus in See und lässt Südosteuropa bald hinter sich. Auch dort wird er kaum Gefallen an seiner Reise finden.