Ein abenteuerlustiger Maler, spanische Leidenschaft, französische Gegenwartskunst und junges Blut

11. Ausgabe des Kunstfestivals „Art Safari“

„Komposition mit Bäuerinnen an der Kreuzung“, Öl auf Leinwand, Ion Theodorescu-Sion. Foto: der Veranstalter

Ausschnitt aus „Odaliske“ (1900), Öl auf Leinwand von Luís Masriera i Rosés. Foto: die Verfasserin

„Natur zum Verkauf. Pflegeleicht, fast unmöglich zu töten“, Öl auf Leinwand von Emma Păvăloaia. Foto: der Veranstalter

Art Safari, die größte Kunstveranstaltung in Rumänien, wird ab diesem Jahr zu einem saisonalen Ereignis. Die erste Saison von Art Safari bleibt bis zum 14. Mai geöffnet und bietet Kunstliebhabern vier große Ausstellungen, die dem rumänischen Maler Ion Theodorescu-Sion, 42 spanischen Meistern der Kunst des 19. Jahrhunderts, den Gewinnern des französischen Kunstpreises „Marcel Duchamp“ und der ultrazeitgenössischen rumänischen Kunstszene gewidmet sind. Kunstwerke im Wert von 75 Millionen Euro stehen nun im Dacia-România-Palast in der Bukarester Altstadt zur Schau. 

Abenteuerlustiger Maler und Kriegsheld

Der berühmte Maler Ion Theodorescu-Sion (1882 – 1939) war eine prägnante Persönlichkeit der rumänischen Kunstszene der Zwischenkriegszeit. Er hat verschiedene Kunstströmungen wie etwa den Impressionismus, Divisionismus, Postimpressionismus, Pointilismus und Realismus ausprobiert und eine Synthese daraus geschaffen. Mit 14 persönlichen Ausstellungen und der Teilnahme an Gruppenausstellungen in allen wichtigen öffentlichen Kunstsalons in Bukarest und in Barcelona, Den Haag, Amsterdam, Brüssel, Paris, New York sowie an der Kunstbiennale in Venedig 1938 hat sich Ion Theodorescu-Sion offensichtlich eine erfolgreiche Karriere aufgebaut. 

Seine Ausbildung hat er an der Hochschule für Schöne Künste in Bukarest und seine Fortbildung an der Académie des Beaux Arts in Paris gemacht. Seine Abenteuerlust trieb den Maler in Länder wie Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande, England bis hin zu Algerien, dies nicht nur für die Freilichtmalerei, sondern auch für die Gelegenheit zu kämpfen. So wollte er in die Fremdenlegion in Algerien eintreten und beteiligte sich schließlich 1913 am Zweiten Balkankrieg als Kampfoffizier in Bulgarien. Dort entdeckte er die malerische Küstenstadt Baltschik/Balcic, die eine ganze Bilderreihe inspirierte. 

Im Ersten Weltkrieg nahm Ion Theodorescu-Sion an den Kämpfen in Brăila und der Norddobrudscha teil, die er nach Kriegsende auf Leinwand verewigte, und wurde anschließend für seinen Mut mit mehreren Medaillen und Orden, darunter die „Krone Rumäniens “ im Rang eines Offiziers, ausgezeichnet. 

Unter dem Einfluss der landesweit erwünschten Vereinigung der historischen rumänischen Provinzen steht das Dorfleben im Mittelpunkt des allgemeinen künstlerischen Interesses und Ion Theodorescu-Sion malt Kompositionen mit Bauern und tradtitionellen rumänischen Motiven aus einer monumentalen Perspektive, wobei die Gestalten (hauptsächlich Frauen beim Brunnen, Baden, Ausruhen im Freien) imposant und stolz dargestellt sind. Im Auftrag des Rumänischen Königshauses hat der Maler vier große Werke geschaffen, die in der Wandmalerei vor dem Thronsaal im Königlichen Palast in Bukarest, dem aktuellen Kunstmuseum, integriert sind.

Die von Elena Olariu kuratierte abwechslungsreiche Ion-Theodorescu-Sion-Ausstellung ist die größte seit dem Zweiten Weltkrieg und bietet Kunstliebhabern viele meistervoll gemalte Frauenporträts und ein paar Selbstporträts, Stillleben, dörfliche Genreszenen, aber auch einige Stadtbilder, Landschaften, Seestücke sowie Kompositionen mit Soldaten.  

42 Mal spanische Leidenschaft

Die Ausstellung „Meister der spanischen Malerei. Das 19. Jahrhundert und die Anfänge des Impressionismus“ wird von Dr. Helena Alonso kuratiert und ist die bisher größte Ausstellung spanischer Kunst in Rumänien. In Zusammenarbeit mit dem Bistumsmuseum in Barcelona und privaten Sammlern wurden die Gemälde, Aquarelle und Grafiken von 42 spanischen Meistern bei „Art Safari“ zusammengebracht.

Während Raimundo de Madrazo, José Gallegos y Arnosa, Juan José Gárate y Clavero, Pablo Salinas Teruel, Joaquín Agrasot usw. religiöse Kompositionen und spanische Genreszenen mit starken Frauengestalten und Stierkämpfern, Innenhöfen, Straßenbildern und maurischen Schlössen malen, stellen andere Maler wie etwa Martin Rico y Ortega Stadtbilder aus Venedig und Paris dar. Diese kontrastrieren mit den Orientbildern von Mariano Fortuny, José Benlliure, José Navarro Llorens u. a., welche die Einwohner und Landschaften von Marokko und Algerien unter dem strahlenden mediterranen Licht malten. Vom Image des Orients ließen sich auch Joaquín Agrasot, Luis Masriera und Joaquín Sorolla inspirieren, als sie in köstliche Seide gekleidete Odalisken mit verlockenden Blicken in ihren Werkstätten darstellten.

Marcel-Duchamp-Preisträger

Die Ausstellung „Der Gedächtnispalast. Fokus auf die mit dem Marcel-Duchamp-Preis ausgezeichnete französische Kunstszene“ wird von Daria de Beauvais und Dr. Lisa Colin kuratiert und zeigt Werke etablierter, international anerkannter Gegenwartskünstlerinnen und -künstler. 

Der Marcel-Duchamp-Preis ist einer der weltweit renommiertesten Preise für zeitgenössische Kunst. Dieser wird seit 2000 jährlich vom Verein für die Internationale Förderung der Französischen Kunst (ADIAF), der aus 300 Kunstsammlern besteht, vier bildenden Künstlerinnen und Künstlern, die aus Frankreich stammen oder in Frankreich wirken, zusammen mit einem Geldpreis in Höhe von 35.000 Euro verliehen. 

Die Werke der Preisträger sind nach den Themen Gespenst, Echo, Folklore und Erneuerung eingeteilt. Unter dem Thema „Gespenst“ entdecken die Besucher Werke von Farah Atassi, Katinka Bock und Tatiana Trouvé, die Erinnerungen hervorrufende Gegenstände präsentieren, welche als einzige Beweise menschlicher Präsenz fungieren. 

Die Werke aus der Sparte „Echo“ verfolgen im Fall von Joana Hadjithomas, Khalil Joreige die Geschichte eines Ortes und dessen sukzessive Besetzung.

Auf der Suche nach Folklore und Authentizität deuten die Gemälde von Farah Atassi sowie die Skulpturen von Daniel Dewar und Grégory Gicquel die Kunstgeschichte und die traditionellen Techniken um. Die Fotografien von Mircea Cantor, dem einzigen rumänischen Künstler, der den Marcel-Duchamp-Preis gewonnen hat, stellen eine Hommage auf die Hände der rumänischen Konzeptkünstlerin Geta Brătescu dar, während Clément Cogitores „Morgenstreich“ uralte Bräuche und Rituale mittels einer Technik präsentiert, die Kino- und Gegenwartskunst verbindet. 

Die Werke, die unter dem Thema „Erneuerung“ ausgestellt sind, veranschaulichen wie aus den Wurzeln der Vergangenheit die Knospen der Zukunft entstehen. Mircea Cantor und Michel Blazy schenken Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs wie etwa Aludosen oder Turnschuhe ein neues Leben und schaffen daraus den bunten Umriss einer Fensterrose beziehungsweise einen Blumentopf. 

Was gibt’s Neues in der Kunstszene?

Im Rahmen der von Mihai Zgondoiu kuratierten Ausstellung „Junges Blut 2.0. Was gibt’s Neues in der Kunstszene?“ vertreten 65 junge Künstlerinnen und Künstler aus Rumänien und der Republik Moldau die ultragegenwärtige Kunstszene bei „Art Safari“ mit Unterstützung des Rumänischen Kulturinstituts ICR. Diese drücken sich durch Malerei, Videokunst, digitale Kunst, bis hin zu Installationen und Textilkunst aus. 

Die Künstlerin Marta Mattioli illustriert mit ihrem Werk „Wurzellos“ die Beziehung zu sich ständig weiterentwickelnden Technologien, Social-Media-Plattformen, den falschen Eindruck von Nähe, die sie den Nutzern geben und die durch Geräte vermittelten Gefühle. 

Emma Păvăloaia setzt sich mit der Zerbrechlichkeit des Menschen in einer Gesellschaft, die auf Hypertechnologie, Konsum und Sinnenfreuden ausgerichtet ist, auseinander. Im Werk „Natur zum Verkauf. Pflegeleicht, fast unmöglich zu töten“ stellt sie einen vor einem Schaufenster in einen Topf gepflanzten Kaktus dar, an dem sie vorbeiging, und der zu einem sehr hohen Preis zu verkaufen war. „Ich glaube, ich war nicht nur von dem Paradoxon beeindruckt, das der wesentliche Wert der Pflanze auf den reinen Handelswert reduziert wurde, sondern auch von der Beschreibung der Hauptqualität der Pflanze als „keine Aufmerksamkeit erfordernd. Dies im Kontext einer Gesellschaft, die die Natur ständig gefährdet“, betont die Künstlerin.

Alexandru Ranga stellt bei Art Safari eine Installation gebildet aus 15 Metallratten aus. Der Künstler befasst sich mit diesen Tieren seit mehreren Jahren und gesteht, dass er nie müde wird, die unterschiedlichen Empfindungen zu beobachten, die seine Metallratten beim Publikum hervorrufen.

Die Ausstellungen können bis zum 14. Mai täglich donnerstags bis sonntags, von 12 bis 21 Uhr, sowie freitags und samstags auf nächtlichen Führungen jeweils von 22 bis 1 Uhr im Dacia-România-Palast, in der Bukarester Altstadt (Str. Lipscani Nr. 18-20) besucht werden. Tickets sind am Eingang oder unter tickets.artsafari.ro erhältlich.