Ein Leuchtturm europäischer Kultur

Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler: „Wir wollen eine große Erzählung bringen und zum Nachdenken anregen“

Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele.
Foto: Marco Riebler

Plakat von Jubiläums-Serie der Salzburger Festspiele.
Foto: Luigi Caputo

Schlussapplaus vom Theaterstück „Jedermann“ 2020 auf dem Salzburger Domplatz.
Marco Borrelli

Die Salzburger Festspiele als das weltweit einflussreichste Festival, das der Musik und den aufführenden Künsten gewidmet ist, hat eine besondere Mission: durch Kultur Mut und Stärke in den Menschen wachzurufen. Dies ist besonders wichtig in der Zeit der Pandemie, wenn alles Gewohnte unter Fragezeichen steht. Alle Vorsichtsmaßnahmen gegen den Virus einhaltend fand im Sommer 2020 die 100-jährige Jubiläumssaison der Salzburger Festspiele statt. Die im Schachbrettmuster verteilten Plätze, verpflichtendes Tragen von Gesichtsmasken und regelmäßige Kontrollen gehörten zur Sicherheitsagenda der vorjährigen Saison. Durch das glanzvolle Schauspiel-, Opern- und Konzertprogramm enthüllte sich für das nationale und internationale Publikum das funkelnde Licht am Ende des Tunnels. 

Dieses Jahr liefen die Salzburger Festspiele an den katholisch-evangelischen Pfingsten zwischen 21. und 24. Mai ab. Die Projekte, die im letzten Jahr nicht durchgeführt konnten, werden nun zwischen dem 17. Juli  und dem 31. August in  Salzburg auf die Bühne gebracht. Dadurch verlängert sich auch das Jubiläumsprogramm um ein Jahr. 
Dr. Helga Rabl- Stadler , Präsidentin der Salzburger Festspiele seit 1995 und „Frau des Jahres 2020“ im österreichischen Wirtschaftsmagazin „Trend“ gewährt im Gespräch mit ADZ-Redakteurin Irina Radu einen  Einblick in den letztjährigen und diesjährigen Ablauf dieser historischen kulturellen Veranstaltung.

Frau Rabl-Stadler, die Pandemie war letztes Jahr für Sie kein Hindernis auf Ihrem Weg zur Umsetzung des Jubiläumsprogramms der Salzburger Festspiele. Welchen Herausforderungen mussten Sie und Ihr Team sich damals stellen? 

Durch die Pandemie ist jede Planungssicherheit verloren gegangen. Das ist vor allem für einen Opernbetrieb, der drei Jahre im Voraus plant, besonders schwierig. Aber wir hatten eine klare Strategie – wir machen Festspiele, wenn es unter dem Vorrang der Gesundheit möglich ist, künstlerisch Sinnvolles zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen zu bringen. Intendant Markus Hinterhäuser hat das Programm kurzfristig umgeplant, der kaufmännische Direktor Lukas Crepaz hat ein Präventionskonzept erdacht, das mittlerweile von über 50 Kulturbetrieben in der ganzen Welt - von San Francisco bis Wien - kopiert wurde, und ich war die Mutmacherin. So ist es uns gelungen, 110 Aufführungen mit 76.000 Besucherinnen und Besuchern ohne einen einzigen positiven Corona-Testfall abzuhalten.

Statt der im Herbst 2020 geplanten 200 Aufführungen innerhalb 44 Tagen an 16 Spielstätten gab es immerhin 110 Vorstellungen an 30 Tagen und 8 Spielstätten. Dass Sie das Jubiläumsprogramm aufgrund der vorjährigen pandemiebedingten Einschränkungen um ein weiteres Jahr ausdehnen, war für Liebhaber der Festspiele eine sehr erfreuliche Nachricht! Dem Spielplan entsprechend werden zeitlose Opern wie „Così Fan Tutte“ von Wolfgang Amadeus Mozart oder „Elektra“ von Richard Strauss aufgeführt. Oder Theaterstücke wie „Jedermann“ und „Das Bergwerk Zu Falun“ von Hugo von Hofmannsthal und „Richard The Kid & The King“ von William Shakespeare. Nicht zuletzt gibt es eine Reihe von abwechselnden Konzerten, etwa von Camerata Salzburg, den Wiener Philharmonikern oder dem Orchestre des Champs-Élysées. Wie sehen die Eröffnung und der Verlauf der diesjährigen Festspielsaison aus? 

Wir hoffen sehr, dass die Impfungen dazu führen, dass wir die Plätze in unseren Festspielhäusern wieder voll verkaufen dürfen. Und wir werden dieses Jahr fast alle Vorstellungen bringen, die wir 2020 aus Pandemiegründen nicht machen konnten. Besonders freue ich mich auf den neuen „Don Giovanni“ und im Schauspiel auf „Maria Stuart“ von Schiller.

Für jene, die an der Geschichte der Festspiele interessiert sind, gibt es im Museum Salzburg die Landesausstellung „Großes Welttheater - 100 Jahre Salzburger Festspiele“. Was können Sie darüber verraten?

Es ist eine großartige Ausstellung, die eines deutlich zeigt: 100 Jahre Salzburger Festspiele sind 100 Jahre europäische Kulturgeschichte. Denn wie sagte einer unserer Gründer, der Poet Hugo von Hofmannsthal, so richtig: „Unser Salzburger Festspielhaus soll ein Symbol sein. Es ist keine Theatergründung, nicht das Projekt einiger träumerischer Phantasten und nicht die lokale Angelegenheit einer Provinzstadt. Es ist eine Angelegenheit der europäischen Kultur und von eminenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung.“

Sie visieren immer das Ziel an, den Besucherinnen und Besuchern ein unvergessliches interdisziplinäres Erlebnis zu bereiten…

Die Stärke der Salzburger Festspiele liegt auch darin, dass wir nicht bloß Event an Event reihen. Wir wollen eine große Erzählung bringen und unsere Zuschauerinnen und Zuschauer zum Nachdenken anregen. Denn die Oper behandelt all jene Themen, die unser Leben bestimmen – Krieg und Frieden, Hass und Liebe, Vergebung und Rache. Zu allen diesen Themen haben wir dazu noch viele Vorträge und wissenschaftliche Symposien.

Können Sie uns nahelegen, woraus das Jugendprogramm „jung&jede*r“ besteht?

Wir wollten unser Geld zum Jubiläum nicht für ein großes Feuerwerk verschwenden, sondern in ein Feuerwerk an Ideen für unsere Kinder- und Jugendprojekte investieren. Wir beschäftigen uns in vielen Theaterstücken für alle Altersgruppen mit dem Thema Frieden und dem Thema Glück. Die Festspiele wurden ja mitten im 1. Weltkrieg als eines der ersten Friedensprojekte gegründet. Die Kultur sollte Brücke sein zwischen den vom Krieg gegeneinander gehetzten Völker. Das ist ein großer, zeitloser Auftrag, dem wir gerecht werden wollen.

In welchen Einrichtungen oder Bereichen werden die Salzburger Festspiele in diesem Jahr ablaufen?

Der Wiener Max Reinhardt, der in Berlin mit seinen Theatern Karriere gemacht hat, wählte 1920 Salzburg als Festspielstadt. Denn, so Max Reinhardt, „die ganze Stadt ist Bühne“. Das Gründungsstück der Festspiele, der „Jedermann“, der auch jetzt noch jedes Jahr auf dem Spielplan steht, findet am Domplatz statt und hat damit die Fassade des Salzburger Doms als schönstes Bühnenbild der Welt. Die Festspielaufführungen finden auf 16 Spielstätten statt. In der historischen Felsenreitschule des Fürsterzbischofs, aber auch in der ursprünglichen Sud-Pfanne des Salzbergwerks in Hallein. 

Eine tiefe Symbolik lag den Salzburger Festspielen immer zugrunde. Wie würden Sie dieses Festival beschreiben? 

Die Festspiele haben bei ihrer Gründung und nach dem 2. Weltkrieg bei ihrem Wiedererstehen Zeichen für die Kraft der Kunst gerade in schwierigen Zeiten gesetzt. Die Salzburger Festspiele wollen ein Leuchtturm europäischer Kultur sein.

Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen!