Ein Selfie für die Urgroßeltern

Die Anfänge der Fotografie auf dem Land

Călin Torsan unterhielt das Publikum mit Blockflöte und Saxofon. Im Foto dahinter sächsische Mädchen in Tracht mit dem Borten auf dem Kopf.

Das Goethe-Institut Bukarest hat in der letzten Maiwoche eine vom Nationalmuseum des Rumänischen Bauern (Muzeul Național al Țăranului Român) initiierte und mit der Unterstützung der Deutschen Botschaft realisierte Ausstellung mit dem Titel „La Fotograf“ („Beim Fotografen“) eröffnet. Der deutsche Botschafter, Cord Meier-Klodt, erinnerte in seinen Begrüßungsworten an die Wichtigkeit des Austauschs zwischen Minderheiten. Denn die interaktive Schau präsentierte den interessierten Besuchern die Anfänge der Fotografie auf dem Dorf in Rumänien anhand verschiedener Ethnien. So waren neben den Rumänen auch die Roma, die Siebenbürger Sachsen, die Aromunen und die Ungarn vertreten. Der Diplomt machte die Zuhörerschaft darauf aufmerksam, dass die Ausstellung die Frage nach der Kohärenz von Kulturen aufwirft. Dabei stellte die Fotografie lange Zeit die einzige Möglichkeit dar, sich und das eigene Aussehen, die eigene Kleidung und Haltung der Nachwelt und den folgenden Generationen zu präsentieren. Der Botschafter entließ die Zuhörerschaft mit der Aufforderung, sich der Ausstellung mit der Frage im Hinterkopf zu widmen, welches Objekt wohl zu welcher Minderheit gehöre.

So konnten die Anwesenden sich den von Anthropologen und Objektdesignern zusammengestellten Exponaten widmen, bei denen es sich um traditionelle Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände der rumänischen Mehrheits- sowie der Minderheitsbevölkerung handelte. Teil-weise in kleinen Kästen mit erklärenden Zettelchen versteckt, luden die Ausstellungsstücke zu einer Entdeckungsreise quer durch die vielfältige Kulturlandschaft Rumäniens ein. Traditionelle Teller, Töpfe und Vasen aber auch Teppiche, Tücher und Trachten vermittelten ein Gefühl von der Kunstfertigkeit der verschiedenen Ethnien. Historischen Kameras nachempfundene Installationen ermöglichten es den Interessierten, sich zahlreiche geschichtsträchtige Schwarzweiß-Bilder anzuschauen, die um die Wende zum 20. Jahrhundert in den ländlichen Gebieten Rumäniens entstanden waren und aus den Beständen des Nationalmuseums des Rumänischen Bauers stammen.

Während sich einige Besucher der interaktiven Ausstellung widmeten, lauschten andere den Ausführungen von Paul Aioanei, der detailreich die Eigenschaften der Ambrotypie, eines fotografischen Verfahrens aus den 1850/60er Jahren, erläuterte. Wer wollte, konnte sich auch von ihm in einem aufwendigen Prozedere ablichten lassen. Freiwillige nahmen in einer Art Zahnarztstuhl mit Nackenstütze Platz und mussten minutenlang der Dinge harren, bis Aioanei mithilfe seines Direktpositiv-Geräts seine wundersame Arbeit verrichtete: Stürmischen Applaus erhielt der Fotokünstler, nachdem das Negativ zunächst in einer nassen Kollodium-Lösung scheinbar gänzlich verschwand, um dann nach einiger Zeit wieder als Schwarzweiß-Bild zu erscheinen.

Zum Abschluss des unterhaltsamen Abends bereitete Călin Torsan ein humorvolles musikalisches Gulasch mit Hilfe einer Blockflöte und eines Saxofons zu. Der hungrig gewordenen Zuhörerschaft wurden in der Eingangshalle armenisches Brot, ungarische Baumstriezel und andere Delikatessen serviert.
Die Schau fand vom 24. bis zum 30. Mai im Pavillon 32 des Goethe-Instituts statt, wurde danach ins Nationalmuseum des Rumänischen Bauern verlegt und geht von dort auf museumspädagogische Wanderschaft quer durch Rumänien. Als erste Station ist das ASTRA-Museum der Traditionellen Volkskultur in Hermannstadt/Sibiu vorgesehen.