Einzige Operette zum Thema „Banat“ feierte Uraufführung

Interview mit Andreas Schein, dem Dirigenten von Emmerich Bartzers „Grüßt mein Banat!“

Die Operette „Grüßt mein Banat“ wurde Ende Oktober im ausverkauften Opernsaal in Temeswar für einen guten Zweck uraufgeführt. | Fotos: privat

Andreas Schein hat die Operette im Archiv von Dr. Franz Metz in München Anfang 2023 entdeckt, sie dann orchestriert und dirigiert.

Emmerich Bartzers Operette „Grüßt mein Banat!“ feierte am 28. Oktober 2023 ihre Weltpremiere in Temeswar/Timișoara. Das Werk wurde 1939 von dem in Lovrin geborenen Musiker geschaffen, es kam aber wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nie zur für dasselbe Jahr geplanten Uraufführung in Wien. Die Handlung behandelt ein spezielles Banat-Thema: die Verschickung von Kindern aus Wiener adeligen Familien in der Zwischenkriegszeit zu schwäbischen Familien auf dem Lande, im Banat, um sich dort zu erholen. Die Operette hat drei Akte und ein Vorspiel und wurde vom Temeswarer Dirigenten Andreas Schein Anfang 2023 entdeckt, orchestriert und dirigiert. Wie es dazu kam, darüber sprach ADZ-Redakteurin Andreea Oance mit dem jungen Musiker.

Die Weltpremiere der Operette „Grüßt mein Banat!“ wurde vor Kurzem in der Europäischen Kulturhauptstadt Temeswar gefeiert. Welche ist die Geschichte dieses Projekts?
Die Geschichte von „Grüßt mein Banat!“ ist äußerst interessant: Der Rotary Club hat mich angesprochen, eine Aufführung für das wohltätige Projekt „Hoffnung lebt in den Herzen der Kinder“ zu organisieren. Die Idee war, dem Publikum in Temeswar einheimische Musik anzubieten, etwas, das hier im Banat komponiert wurde. Im Februar 2023 befand ich mich im Archiv von Herrn Dr. Franz Metz in München, um Forschung für meine Doktorarbeit durchzuführen, die sich mit der Schaffung von Opern und Operetten deutscher Komponisten aus dem Banat befasst. Zufällig stieß ich auf eine Kopie des Klavierauszugs der Operette „Grüßt mein Banat!“. Als ich den Titel las, dachte ich, es handle sich um ein Lied. Als ich jedoch den Untertitel, „Operette in drei Akten“, las, war ich überrascht und wurde auf der Stelle von dieser Operette angezogen, noch bevor ich die Partitur öffnete.

Wie ist es zur Entstehung der Show gekommen? Wer hat dazu beigetragen?
Nachdem ich die Partitur entdeckte, schlug ich diesen Titel dem Rotary Club automatisch vor, obwohl das einzige musikalische Material, das für diese Operette verfügbar war, der handgeschriebene Klavierauszug des Komponisten war. Zu dieser Zeit fehlten auch die Orchestration, da die Operette nie orchestriert worden war, und das Libretto. Herr Dr. Franz Metz brachte mich in Kontakt mit Adrian Nuca-Bartzer, dem Enkel von Emmerich Bartzer, der eine nahezu unlesbare Kopie des Librettos in schwäbischer Sprache im Nachlass des Komponisten hatte. Sofort begann ich, mich mit der Transkription des Librettos und mit der Orchestrierung der Operette zu befassen. Zusammen mit der Regisseurin Diana Pap und der Bühnenbildnerin Geta Medinski begannen wir dann, die Operette sowohl musikalisch, inszenatorisch als auch prosaisch ins Rumänische zu übertragen. Nach sechs Monaten intensiver Arbeit, mit finanzieller und administrativer Unterstützung des Rotary Clubs Temeswar, konnten wir am 28. Oktober die Weltpremiere dieser Operette im Saal der Temeswarer Oper über die Bühne gehen lassen.

Sie sind ein junger, deutschsprachiger Dirigent. Der Originaltext der Operette wurde in banatschwäbischer Mundart geschrieben. Warum haben Sie sich entschieden, den Originaltext ins Rumänische zu übersetzen? 
Dies hatte mehrere Gründe. Zum Einen waren die Solisten, die die Hauptrollen spielten, nicht deutschsprachig, und die Mitglieder des Chors erst recht nicht. Zweitens: Obwohl bei der Premiere auch Gäste aus Deutschland und Österreich anwesend waren, bestand die überwiegende Mehrheit des Publikums aus Rumänischsprachigen, was uns zwang, die Operette sowohl prosaisch, als auch den gesungenen Text ins Rumänische zu übersetzen. Als ich das Material der Operette veröffentlichte, nämlich die Generalpartitur, die Orchesterstimmen, den Klavierauszug und das Libretto beim Verlag Edition Musik Südost in München, gab es drei Versionen: auf Rumänisch, Deutsch und Englisch. Daher kann die Operette auch in deutsch- oder englischsprachigen Ländern aufgeführt werden.

Die Uraufführung der Operette wurde Ende Oktober in Temeswar, in einem vollkommen ausverkauften Opernsaal ausgetragen. Wird es noch weitere Aufführungen geben?
Ich hoffe sehr, dass diese Operette sowohl eine zweite, als auch eine dritte Aufführung erleben kann. Es wäre schade, hier aufzuhören. Es wurde viel zu hart daran gearbeitet, viel Zeit und vor allem Herzblut und Leidenschaft wurden in diese Operette investiert. Persönlich fühlte ich, dass ein Teil von mir verschwand, als der Vorhang am Ende des dritten Akts fiel. Ich war am Dirigentenpult, als ich während des dritten Akts dachte, es sei bald vorbei. Ich wollte nicht, dass die Operette endet. Es war ein unglaubliches Gefühl, diese Premiere zu dirigieren. Natürlich ist eine Produktion dieser Größe kostspielig, aber ich glaube, es ist eine Investition wert, diese Operette erneut auf die Bühne zu bringen. Schließlich ist es die einzige Operette, die das Banat behandelt und im Banat geschrieben wurde.

Sie haben diese Operette arrangiert und haben auch eine umfangreiche Recherche zu Emmerich Bartzer durchgeführt. Dieses Werk aus dem Banat hat noch eine „Schwester“, die ähnlich in Siebenbürgen entstanden ist.
Es stimmt, dass ich diese Operette orchestriert habe, da der Komponist sie nie orchestriert hat. Als ich diese Operette entdeckte, veränderten sich mein Leben und auch meine Doktorarbeit um 180 Grad. Bartzer hat neben dieser Operette noch vier weitere Operetten komponiert, von denen ich zwei im Nachlass von Emmerich Bartzer entdecken konnte, dank der Großzügigkeit seines Enkelkindes. Es handelt sich um die Operetten „Annoncenliebe“ und „Wenn Herzen sprechen“, die ich gerne in einer kleineren Form inszenieren würde, vielleicht mit einem Salonorchester in einem kleineren Saal, nicht unbedingt in der Oper. Tatsächlich hat diese Operette auch eine siebenbürgische „Schwester“ - „Mädel aus dem Kokeltal“ von Richard Oschanitzky Senior - beide Operetten wurden in derselben Zeit komponiert und sie behandeln die Tradition der Banater Schwaben bzw. der Siebenbürger Sachsen. 

Ihr Werdegang als Dirigent ist eng mit Meister Peter Oschanitzky verbunden. Er war Ihr Mentor. Wie können Sie ihre bisherige Karriere beschreiben?
Mein Werdegang als Dirigent ist tatsächlich eng mit dem Maestro Peter Oschanitzky verbunden. Er hat mir die theoretischen Grundlagen sowohl in Komposition, als auch im Dirigieren vermittelt. Er war und ist immer noch ein Vorbild für mich, sowohl menschlich, als auch künstlerisch. Dennoch muss ich auch Maestro David Crescenzi erwähnen, der mich als Dirigent geformt hat, indem er mir sein umfangreiches Wissen vermittelt, mich ständig unterstützt und ermutigt hat. Was meine „Karriere“ betrifft, bin ich mir nicht sicher, ob ich sie so nennen kann. Ich befinde mich immer noch in einem Lernprozess, in dem ich versuche, so viel Information wie möglich aufzunehmen und darüber nachzudenken, wie ich sie in die Praxis umsetzen kann. Ich glaube, dass ich mich in einem Aufwärtstrend befinde, auch wenn es manchmal so aussieht, als ob die Dinge langsam vorangehen. Wichtig ist, dass es in die richtige Richtung geht. Ich sage mir immer, dass ich Geduld haben muss, auch wenn ich mir meiner dirigiertechnischen und musikalischen Fähigkeiten sicher bin und weiß, dass ich erfolgreich eine Oper, Operette, ein Musical oder sogar ein Ballett von Anfang bis Ende leiten könnte, natürlich mit Werken, die in meinem Alter zugänglich sind, wie z. B. „My Fair Lady“, „Die lustige Witwe“ oder „Die Fledermaus“. 

Es kommt nicht so oft vor, dass ein junger Mann Dirigent werden will. Wann war es für Sie eindeutig klar, dass Sie später Dirigent werden wollen? 
Tatsächlich ist dies ein Beruf, den sehr wenige junge Menschen in meinem Alter anstreben. Ich habe mich ziemlich spät in diesen Beruf verliebt, irgendwann während meiner Lyzeumsjahre. Anfangs begann ich mit der Komposition, aber ich mochte die Idee, meine eigenen Werke zu dirigieren. Später habe ich mich ganz dem Dirigieren gewidmet, wobei die Komposition in den Hintergrund trat. Es bereitet mir jedoch enormes Vergnügen, Werke zu orchestrieren oder Bearbeitungen für verschiedene Ensembles zu erstellen. Das ist der Moment, in dem ich noch meiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Von meinen Eltern gab es natürlich Unterstützung, da meine Mutter selber Cellistin ist. Die größte Unterstützung aber erhielt ich von Gott und aus meinem eigenen Herzen.

Wie schwer ist es, als so junger Mensch vor Musikern mit jahrelanger Erfahrung zu stehen? Wie wird ein junger Dirigent wahrgenommen? 
Ich habe niemals das Gefühl gehabt, dass es eine Herausforderung ist, ein Orchester zu dirigieren, dessen Mitglieder wahrscheinlich so viele Jahre Erfahrung in diesem Orchester haben, wie ich insgesamt alt bin (lacht). Ich hatte, z. B. im Oktober 2022, die Gelegenheit, die Philharmonie von Arad zu dirigieren. Ich wurde am Samstagmorgen angerufen und gebeten, Schumanns Klavierkonzert mit dem Orchester der Arader Philharmonie in Reschitza zu dirigieren, anstelle von Maestro Sabin Pautza, der sich nicht wohl fühlte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Konzert nicht in meinem Repertoire. Ich habe es in 24 Stunden gelernt und am nächsten Tag dirigiert. Die Kollegen im Philharmonieorchester waren äußerst gastfreundlich, obwohl ich damals erst 24 Jahre alt war und ein Klavierkonzert dirigierte, dessen Partitur ich erst einen Tag zuvor gesehen hatte. Wahrscheinlich habe ich einen guten Eindruck hinterlassen, da wenige Monate später ein zweites Konzert mit der Arader Philharmonie folgte.
Was die Premiere von „Grüßt mein Banat!“ betrifft, war das Gefühl, vor dem Orchester der Temeswarer Oper zu stehen, absolut fantastisch. Ich habe zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, dass die Orchestermusiker mich nicht ernst nehmen. Während der Proben reagierten sie äußerst positiv auf meine musikalischen Anweisungen. Ich spürte ihre Herzlichkeit und Unterstützung, sowohl während der Aufführung, als auch während der Proben. Ich denke, wenn man einfühlsam ist, ein aufrichtiges Lächeln bietet und am Dirigentenpult musikalisch gut vorbereitet ist, kann man das Orchester für sich gewinnen, und es wird ihnen großen Spaß machen, mit dir zu spielen. Ich hoffe von Herzen, dass es mir gelungen ist.

Was folgt für Sie?
Am 7. Dezember werde ich ein Konzert mit dem herausragenden Ensemble Ad Libitum Voices in der Arader Philharmonie dirigieren. Dann werde ich das traditionelle Neujahrskonzert in Dumbrăvița bei Temeswar mit meinem Salonorchester dirigieren, und am 11. Januar 2024 werde ich ein Konzert im Temeswarer Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus, ebenfalls mit meinem Salonorchester, für das Deutsche Konsulat geben. Außerdem freue ich mich sehr darauf, dass ich im April 2024 das Orchester der Musikwoche Löwenstein leiten werde. Im Programm werden einige Kompositionen von Banater Komponisten stehen. Das Repertoire ist noch nicht endgültig festgelegt, aber meine Vorschläge beinhalten auch Werke von Emmerich Bartzer. Jenseits dieser kleinen Projekte wünsche ich mir sehr, in naher Zukunft sogar Aufführungen zu übernehmen, sei es Operette oder Musical. Ich weiß, dass ich darauf vorbereitet bin, und ich bin überzeugt, dass ich einen guten Job leisten würde. Alles, was ich mir wünsche, ist die Chance und die Gelegenheit, dies zu beweisen. 


Dieser Beitrag wurde durch die Finanzierung „Energie! Kreative Stipendien“, die von der Stadt Temeswar über das Projektezentrum im Rahmen des nationalen Kulturprogramms „Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023“ gewährt wurden, verfasst.