Fokus Rumänien bei Usedomer Literaturtagen

Lesungen, Filmvorführungen und Vorträge

Vom 28. März bis zum 1. April fanden auf der gleichnamigen Ostseeinsel die Usedomer Literaturtage statt. Der Fokus des seit 2009 stattfindenden Literaturfestivals mit internationalen Mitwirkenden lag in diesem Jahr auf Rumänien. Man widmete sich, so das Thema, den „Wortreichen Landschaften zwischen Ostsee und Karpaten“. An vier Tagen fanden Lesungen, Filmvorführungen und Vorträge an verschiedenen Orten statt. Immer wieder spielte dabei Rumänien in Sprache und Bild eine Rolle. Deutschsprachige Spuren in diesem Land wurden verfolgt und es wurde auf die wechselseitige Geschichte eingegangen.

Der Referent des Deutschen Kulturforums östliches Europa, Thomas Schulz, hatte ein umfangreiches Programm zusammengestellt. Wie ein Regisseur führte er dramaturgische Fäden zusammen, schaffte interessante Kombinationen der einzelnen Tagespunkte und eröffnete den Teilnehmenden und auch den Mitwirkenden mitunter völlig neue Perspektiven und Denkansätze.
Der Eröffnungsabend, an dem das kulturelle Erbe Rumäniens in der Gegenwart ausgelotet wurde, war ein erster Brückenschlag zwischen Deutschland und Rumänien. 

Den Auftakt machte der Film „Die Wahrheit über Dracula“ des Filmemachers Stanislaw Mucha. Ausgehend von dem westlichen Mythos über Dracula reiste Mucha durch Rumänien, um mit Menschen über Vampire und Vlad Ţepes zu sprechen. Dabei entstand ein gleichsam witziges, nachdenkliches und absurdes Bild vom Land und seinen Einwohnern. 

Anschließend stellte Tanja Dückers, die 2007 mit einem Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung für einige Monate in Hermannstadt gelebt hat, ihre Eindrücke in Form eines Essays vor. Eine Innensicht bot Ernest Wichner, der aus eigenen Gedichten las. Die folgende Diskussion, in der Innen- und Außensichten an einigen Punkten hart aufeinanderprallten, wurde moderiert von der Lyrikerin, Übersetzerin und Publizistin Ilma Rakusa.

Einer der Festivaltage war den Frauen gewidmet. In dem Museum Villa Irmgard in Heringsdorf wurde die Ausstellung „In Tallin leben – Geschichten von Menschen und Häusern“ von Sarah Jana Portner eröffnet. Die junge Münchnerin war 2011 Stadtschreiberin von Tallin. Neben einem umfangreichen Blog nahm Portner in dieser Zeit die Fotografien für die Ausstellung auf. Auf großformatigen Tafeln stellt sie die Außenansicht eines Hauses einem Foto von darin lebenden Menschen gegenüber. Begleitet von kurzen Texten entsteht so das Porträt einer Stadt und seiner Bewohner. Mit ihrer Darstellung von Innen- und Außensichten schloss Portner thematisch an den Vortag an.

Abendlicher Höhepunkt war die polnisch-deutsche Lesung auf dem polnischen Teil Usedoms, in Swinemünde. Die Autorinnen Joanna Bator aus Polen und Eleonora Hummel, die 1982 mit ihren Eltern aus der Sowjetunion nach Deutschland übersiedelte, lasen aus Romanen, in denen sie sich mit ihrer eigenen Vergangenheit im Kommunismus auseinandersetzen.

An den folgenden Tagen gab es weitere Veranstaltungen. So lasen der in Deutschland, Wien und Rumänien lebende Autor Jan Koneffke sowie Filip Florian aus Rumänien Prosa, in der sie Schicksale von in Rumänien lebenden Deutschen zu unterschiedlichen Zeiten betrachteten. Dieser Abend, der unter dem Titel „Mit deutschem Migrationshintergund auf dem Balkan“ stand, wurde moderiert von Georg Aescht.

Im Doppelpack traten am Abend Eginald Schlattner und Radu Gabrea auf. Nachdem Gabreas Verfilmung von „Rote Handschuhe“ gezeigt worden war, las Schlattner einige Passagen aus seinem Roman. Andreas Kossert führte kompetent und sicher durch den Abend und ließ ein interessantes Gespräch mit Regisseur und Autoren zu.

Einen ganz eigenen Zugang zu Literatur fand Oskar Ansull. In seinem performativen Vortrag berichtete er nicht nur über Literatur und Literaten aus Czernowitz, sondern stellte diese auch sprachgewaltig dar.
Einen informativen Beitrag lieferte Arne Franke, der seinen kunsthistorischen Reiseführer durch die Kirchenburgenlandschaft Rumäniens, „Das wehrhafte Sachsenland“, vorstellte. In seinem Vortrag ging Franke auf Probleme und Möglichkeiten des Erhalts der Kirchenburgen ein. Er stellte einige Organisationen vor. Harald Roth vom Deutschen Kulturforum östliches Europa moderierte die Veranstaltung.

Auf kluge und unterhaltsame Weise wurden Poesie und klassische Musik in einen Dialog gebracht. Alfred Brendel, der international gefeierte Pianist und Träger zahlreicher musikalischer Auszeichnungen, begab sich anekdotenhaft, aber immer tiefgründig in ein literarisch-musikalisches Gespräch mit dem Moderator Manfred Osten.
Neben diesen Veranstaltungen konnten die Zuschauer an einer literarischen Inselrundfahrt teilnehmen. Franziska Franke und Manfred Osten lasen an verschiedenen Stationen auf der Insel Texte von Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Polen und Rumänien.

Beendet wurde das Literaturfestival mit der Verleihung des Usedomer Literaturpreises. Die Auszeichnung wurde von der Preisträgerin 2011, Radka Denemarková, an Olga Tokarcuzk überreicht, die Laudatio hielt die Übersetzerin und Journalistin Marta Kijowska. Die Jury setzte sich in diesem Jahr aus Hellmuth Karasek, Andreas Kossert und Doris Lemmermeier zusammen. In ihrer Dankesrede betonte die aus Ostpolen stammende Tokarczuk, dass sie ohne Lesen nicht leben könnte, und bedankte sich vor allem auch für die Zeit, die ihr geschenkt wurde. Denn neben einem Geldbetrag beinhaltet der Preis einen Hotelaufenthalt auf der Insel Usedom für einen Monat.

Veranstaltet werden die Usedomer Literaturtage jährlich in Zusammenarbeit zwischen dem Usedomer Musikfestival und dem Deutschen Kulturforum östliches Europa sowie der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf. Die Schirmherrschaft hat der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, Kulturpartner ist der Radiosender NDR Kultur.