Idol und Idyll

Sie gilt als die goldene Zeit rumänischen Geisteslebens, geprägt in den Vorkriegsjahren von der Generation „Criterion“ mit Jungakademikern, die der Kommunismus ins Exil trieb, wo sie zu noch größerer Berühmtheit gelangten. Ihre Schriften wirken nach - bis heute. Sie regten an und spendeten Trost während ein ideologisch ungetrübter Diskurs höchstens in einer Berghütte nahe der Hohen Rinne / P²ltini{ mit Constantin Noica möglich war. Es war zu jener roten Zeit, als der Religionsphilosoph Mircea Eliade zu einem Idol, und der limitierte Raum offener intelektueller Debatten - u.a. zu seinen Schriften - zum leuchtenden Idyll inmitten dunkler Realität geworden ist. Allerdings war es eine Idylle mit einem blinden Fleck: der kluge Feind der tumben Kommunisten ein guter Freund im Geiste?

Spätestens mit dem (Weg-)Fall des Kommunismus war es angebracht, mit der Klitterung aber bitte im gesamten 20. Jahrhundert aufzuräumen. Wiederum aus dem Exil meldete sich 1992 Norman Manea zu Wort und konfrontierte in der Revista 22 (Hrg.  Gabriela Adame{teanu) die rumänische Leserschaft mit unangenehmen Tatsachen: Mircea Eliade hat nicht nur als Jungakademiker der Vorkriegsjahre die antisemitische Legionärsbewegung intelektuell mit untermauert, sondern ist auch in den nachfolgenden Jahrzehnten im Exil davon nicht abgerückt (siehe auch „Randbemerkungen“ in der ADZ vom 4.1.2024). Andrei Cornea stellt neuerdings in der gleichen Revista 22 fest, dass selbst die zur Zeitdiagnostik fundiert analysierende Journalistin Monica Lovinescu damals vorwurfsvoll auf Maneas Artikel „Glück der Schuld“ („Culpa fericit²“) reagiert hat: Ohne ihm in der Sache zu widersprechen sei jener Artikel nicht opportun, so lange der „Kollaborationismus“ u.a. von Sadoveanu, Ralea, C²linescu noch nicht beleuchtet worden sei.

Seither sind über 30 Jahre vergangen. In dieser Zeit wurde unter den Rumäniendeutschen jener sog. Kollaborationismus in soziokultureller Hinsicht beleuchtet. Bischof Friedrich Müller und Eginald Schlattner wurden von der Wissenschaft entlastet, andere weniger. Von Bedeutung bleibt die Offenlegung des Unrechtsprinzips einer angeblich sozialistischen Staatsordnung mit ihrer zerstörerischen Kraft gegenüber des bestehenden sozialen Gefüges. Aber wie verhielten sich die Dinge davor und inwiefern blieben sie unterschwellig erhalten?

Ist die Hermannstädterin Hannah Schmitz als KZ-Wächterin lediglich literarische Fiktion? Bernhard Schlink ließ seine Protagonistin in „Der Vorleser“ aus Scham lieber eine langjährige Gefängnisstrafe in Kauf nehmen, als sich insgesamt der Wahrheit zu stellen. Als sie in Haft schließlich Lesen gelernt hatte, bevorzugte sie mutlos den Freitod gegen-über dem verbliebenen Leben in einer Welt, die der ihrigen fremd geworden war.

Nach einer wahren Begebenheit verfasst worden ist „Capesius, der Auschwitzapotheker“. Dieter Schlesak zeigt in seinem Roman auf, wie vorgefasste Denkweisen das Sehen behindert und Leben(qualität) raubt. Über die Hintertür eines literarischen Symposiums zum Werke Schlesaks könnte man die Diskussion zum Leben der Siebenbürger Sachsen im Nationalsozialismus eröffnen. Doch bedarf es solcher Schauspielkunst?

Das veritable Engagement des damaligen Politikers Hans Otto Roth wurde bereits eruiert, publiziert und debattiert. Er kam in kommunistischen Kerkern zu Tode. Nun gilt es mit gleichem Ehrgeiz im gesellschaftlichen Diskurs auch jene zu beleuchten, die nicht nur in den Vorkriegsjahren die chauvinistische  Volksgruppenbewegung intelektuell mit untermauert haben, sondern auch in den nachfolgenden Jahrzehnten im Exil davon nicht abgerückt sind. Mit dabei wäre ein Idol des landsmannschaftlichen Idylls.