KlavierKunzt mit magischer Ausstrahlung

Eduard Kunz
Foto: Diana Mihăescu

Eduard Kunz unterrichtet einen jungen Pianisten aus Sanktgeorgen/Sf. Gheorghe.

Auf der Bühne des Kronstädter Armeehauses – sein erster Klavierabend in Rumänien (Oktober 2011)
Fotos: Christine Chiriac

Ein einzigartiges Event, von jungen Musikern für junge Musiker veranstaltet, war die erste Auflage eines Klavier-Meisterkurses, der unter dem Titel „Leading Young Musicians“ („Leitende junge Musiker“, www.lymmasterclass.com) vom 3. bis 7. Oktober in Kronstadt/Braşov stattgefunden hat. Es handelt sich um ein Novum für Rumänien: Angehende Pianisten, ob Schüler, Studenten oder Absolventen, lernen von einem (fast) gleichaltrigen Musiker, der auf den berühmtesten Bühnen der Welt etabliert ist, der internationale Wettbewerbe gewonnen hat und vor allem sehr viel Konzerterfahrung besitzt.

Dadurch, dass die Altersunterschiede zwischen „Lehrer“ und „Schüler“ aufs Minimum reduziert sind, verläuft der Unterricht eher in Form eines Austausches: Die Kommunikation ist einfach, frei, informell, für Schüchternheit und Lampenfieber bleibt kein Platz übrig.

Der Meisterkurs in Kronstadt war ein Publikumsrenner. Der Gastpianist, Eduard Kunz aus Russland, ist den Konzertbesuchern und den Musiklernenden in Rumänien schon seit mehreren Jahren ein Begriff: 2007 hatte er den Internationalen „George Enescu“-Wettbewerb gewonnen. Am 3. Oktober bot er nun seinen ersten Klavierabend hierzulande, im Saal des Kronstädter Armeehauses, der selten so gut besucht ist  - und noch seltener von so jungem und aufmerksam lauschendem Publikum.

Vom 4. bis 6. Oktober hielt Eduard Kunz Klavierkurse im aristokratischen, musikfreundlichen Ambiente der „Casa Mureşenilor“. Sechs „aktive“ Kursteilnehmer, Schüler und Studenten aus mehreren rumänischen Städten, waren im Voraus selektiert worden, wobei die Stühle des Museums für die vielen „passiven“ Zuhörer kaum ausreichten. Zum Abschluss gestalteten die Kursanten selbst ein Galakonzert mit Musik von Enescu, Chopin, Bartók und Liszt.

Höchstwahrscheinlich war die Klavierwoche eine Freude für alle Teilnehmer: Selten sehen Meisterklassen so modern und entspannt aus, selten haben Professoren so unwiderstehliche Ausstrahlung, selten erzeugen ihre humorvoll formulierten Klaviertechnik-Tipps so lautes Gelächter bei den Schülern, selten wird die Musik so plastisch und zugleich konkret erklärt, dass man die Ergebnisse sofort hören kann. Dabei ist auch der Veranstalter, „Lipatti Music Production“, ein sehr „junger“ Verein, der von ebenso jungen Musikhochschulabsolventen geleitet wird.

Wer ist der bravuröse Gastpianist?

Eduard Kunz wurde vom „BBC Music Magazine“ in die Liste der zehn besten Pianisten der Zukunft aufgenommen. Er ist auf Top-Bühnen in London, Paris, Amsterdam oder Barcelona aufgetreten und hat als Solist u.a. mit dem BBC Symphony Orchestra oder dem Royal Scottish National Orchestra, mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra zusammengearbeitet.

Der Dreißigjährige stammt aus Omsk (Sibirien) – sein Vater gehört der deutschen Minderheit in Russland an. Eduard Kunz hat am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau bei Andrej Dijew (1998–2003) und am Royal Northern College of Music in Manchester bei Norma Fisher (2003–2005) studiert. Er hat 13 erste Preise in internationalen Wettbewerben gewonnen, u.a. in New Orleans, Warschau, Athen oder Kiew, sowie den Jurypreis im weltweit wichtigsten internationalen Klavierwettbewerb, „Van Cliburn“ (Texas, USA). Was in seinem Lebenslauf ganz spannend ist: Er wohnt seit Anfang dieses Jahres in Bukarest!


In einer der kurzen Mittagspausen beim Kronstädter Meisterkurs nahm sich Eduard Kunz Zeit, mir für die ADZ einige Fragen zu beantworten.

Wie findest du das Niveau der Kursteilnehmer?

Überraschenderweise sehr gut! Wobei ich gar nicht weiß, wieso ich „überraschenderweise“ sage – vielleicht weil ich im Voraus keinerlei Erwartung hatte. Es ist zwar mein erster Meisterkurs in Rumänien, aber ich kenne relativ gut das Niveau der jungen Pianisten in Bukarest.

Hier in Kronstadt sind die Teilnehmer sehr enthusiastisch – und das ist das Wichtigste! Sie kommen hierher, um etwas zu lernen, also kann das Niveau noch steigen, können Fehler noch verbessert werden. Hauptsache, man bleibt begeistert, sonst macht es ja auch keinen Sinn, an Kursen und Festivals teilzunehmen.

Unterrichtest du regelmäßig?

Manchmal assistiere ich andere Pianisten beim Üben, wenn sie mich darum bitten. Neuerdings werde ich auch als Meisterkurs-Dozent eingeladen: Beispielsweise im November gehe ich auf Tournee in den USA, wo ich außer den Konzerten und Klavierabenden auch einige Meister-klassen in Florida, Kalifornien oder Louisiana halten werde. Kursleitung wurde mir zwar auch früher vorgeschlagen, jedoch habe ich bis vor Kurzem nie den Sinn solcher Kurse erblickt. Erst vor wenigen Jahren habe ich gemerkt, dass es mir wirklich gelingt, die Schüler zu inspirieren und dass diese Form von Unterricht wirklich helfen kann, die Evolution am Klavier schneller und hörbarer, die Lösungen klarer zu machen.

Ist das so, weil du als Pädagoge begabt bist, oder weil du sehr gut Klavier spielst?

Wenn man unterrichtet, sollte man meiner Meinung nach nicht nur vorspielen oder zeigen  können, wie es „richtig gemacht werden sollte“. Man muss also nicht „nur“ ein guter Pianist sein, nicht „nur“ den Schüler inspirieren. Wesentlich ist, meines Erachtens, dass man einige grundsätzliche Ideen oder Prinzipien erklärt, die der Schüler immer wieder anwenden kann, ob jetzt oder zwei Jahre später.

Es ist ebenso wichtig, dass der Lehrer Klarheit schafft, dass er vielleicht wenige, aber sehr klare Informationen weitergibt. Ich merke nach und nach, dass ich das ziemlich gut tun kann, deswegen macht es auch Spaß. Gleichzeitig ist es sehr ermüdend: Allein die Session von heute Morgen hat mich mehr Energie gekostet, als wenn ich zwei Klavierabende gespielt hätte.

Du reist sehr viel. Hast du einen Lieblingsort oder eine Lieblings-Stimmung?

Stimmung ist sehr wichtig für mich. Mit dem Reisen ist es jedoch so, dass man de facto viel reist, aber nicht viel sieht, weil man gewöhnlich in Hotelketten übernachtet oder in Restaurantketten isst und fast nur Taxi fährt. Man kommt meistens nicht wirklich dazu, die Orte kennenzulernen. Es gibt jedoch Orte, zu denen ich immer wieder gerne zurückkehre: Ich liebe Barcelona, ich liebe Bukarest, ich liebe Moskau.

Hast du jemals daran gedacht, beruflich etwas anderes zu machen? Oder wusstest du schon immer, dass Musik dein Beruf sein muss?

Ab einem gewissen Zeitpunkt wusste ich es. Solang man ein kleines Kind ist, kann es nicht so klar sein. Wenn mir jemand erzählen würde, er habe sich mit sechs Jahren endgültig entschlossen, Pianist zu werden, dann würde ich sagen, dass das nur Geschichten sind! Wenn man sechs Jahre alt ist, will man lieber Fußball spielen. Erst ab einem gewissen Alter versteht man, dass man Musik machen will.  

Ab welchem Alter?

Ungefähr ab dem Alter, in dem man allgemein beginnt, mehr vom Leben zu verstehen: Nicht früher als 14, 15, 16 Jahre. Dann erst gibt man sich Rechenschaft, dass man sich selbst in der Musik wiederfindet, abgesehen von den Komplimenten der Leute, die vielleicht sagen, man sei begabt und man müsse daraus Karriere machen. Gleichzeitig ist Musik ein sehr „enger“ Beruf: Je mehr man voranschreitet, desto weniger Alternativen bleiben übrig. Wenn man schon auf eine Musikschule geht, ist Musik mehr oder weniger das Einzige, was man macht.

Man ist dann auf einem engen Weg, der nur weiter führt, von einer Station zur anderen, ohne dass man wirklich irgend etwas anderes über das Leben erfährt. Ein unerschütterlicher Glaube, im Sinne einer festen Überzeugung - das ist das Allerwichtigste, was man überhaupt haben kann.

Ohne dieses (Selbst)Vertrauen kann man als Pianist – oder wahrscheinlich in jedwedem Beruf – nie Erfolg haben, nie die riesigen Verluste, deren es viele gibt, überwinden. Man bleibt immer ein Konkurrent, auch wenn man nie einen Wettbewerb gewinnt. Das ist entscheidend und das besaß ich selber tatsächlich schon sehr früh: Nicht ein „Wissen“, sondern die feste Überzeugung, dass ich beruflich hierher gehöre.

Hat dich jemand dazu inspiriert?

Kann es inspiriert werden? Ich denke, entweder ist es da oder es ist nicht da.

Wo hattest du mit dir selbst Schwierigkeiten?

Die Musikerkarriere ist überhaupt eine der schwierigsten, die man nur haben kann, vor allem wenn man nach der absoluten Spitze strebt. Wahrscheinlich ist es in den anderen Berufen ähnlich: Wenn man kompromisslos nach einem Platz im weltweiten Top 20 strebt und wenn weniger als das nie zufriedenstellend sein könnte, dann ist der Weg hinauf sehr steinig.

In meinem Fall ist es so: Ich spüre, dass ich dorthin gehöre, aber Schwierigkeiten gibt es natürlich sehr viele. Ich kann sehr faul und desorganisiert sein. Solang man Schüler oder Student ist, gibt es Eltern oder Lehrer oder Umstände, die einem helfen. Nachher ist man allein auf sich selbst gestellt. Man kann um 8 Uhr in der Früh aufstehen oder um 8 Uhr abends und niemand sagt etwas dazu.

Gibt es so etwas wie einen entscheidenden Moment in deiner Karriere? Oder sehr wichtige Stationen?

Ja, sowohl Höhen als auch Tiefen. Es ist sehr wichtig, niedrigere Abschnitte deiner Karriere (oder deiner Beziehung oder deines Lebens) als Teil des Lebens zu betrachten, sie als natürlich und normal zu verstehen – auch Wetter bleibt nicht immer sonnig. In meinem Fall denke ich zum Beispiel an Wettbewerbe: Es ist sehr wichtig zu gewinnen, aber es ist auch sehr wichtig, zu verlieren und zu verstehen, wie leicht man überholt werden kann, und dann weiter zu gehen!

Übst du viel?

Man sagt, die Stundenanzahl sei beim Üben wichtig. Aber noch wichtiger ist die Qualität!

Ich werde ein Beispiel vom Meisterkurs geben: Der Schüler weiß, dass er mit einer bestimmten Stelle in der Partitur Schwierigkeiten hat – aber er denkt nicht klar genug an Lösungen. Er fragt sich nicht konkret genug, woher diese Schwierigkeit kommt. Wobei es manchmal unglaublich einfach ist!

Bist du auf der Bühne aufgeregt?

Vor dem Konzert ist es normal, dass das Adrenalin steigt, es ist eine physische Reaktion.

Wenn jemand erzählen würde, er sei vor Konzerten nie aufgeregt, dann wäre ich fast sicher, dass etwas körperlich nicht stimmt! Um es mit dem Autofahren zu vergleichen: Ich kann nicht Auto fahren. Wenn ich trotzdem eine Fahrt machen würde, dann wäre ich ganz bestimmt sehr aufgeregt, weil ich nicht wüsste, wie es gemacht werden muss. Wenn man weiß, was man zu tun hat, wird es einfacher.

Auf der Bühne, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu sein, Künstler zu sein – das ist das Einzige was ich gut machen kann. Also ist die Aufregung in meinem Fall keine Angst, sondern Begeisterung!