Krieg, Deportation und Amerika

Zu einem Brief des Banaters Andreas Kipper aus den Vereinigten Staaten

Im Bild das Familienwappen einer Kipper-Sippe, und zwar die Johann-Linie. In allen Wappen der Kipper-Zweige ist das Pferd das zentrale Symbol auf dem Wappenschild. Bei der Bukowiner Sippe erscheint im Wappenkopf der moldauische Auerochse mit dem Stern zwischen den Hörnern und dem Pontifikalkreuz als heraldisches Zeichen der Habsburger Monarchie darunter. Quelle: Privatarchiv L. Geier

Ein Andreas Kipper, geboren am 18. Februar 1913 in Uiwar im rumänischen Banat, meldete sich aus Fordham bei Detroit, USA, wo er 1965 wohnte, beim „Familienverband“ der Kipper in Deutschland. Dieser Familien-Verein betrieb seit Ende der 20er Jahre genealogische Forschungen zu den Kipper-Zweigen. Seine Uiwarer Linie hatte „wahrscheinlich auch mit Urahn Jacob Kipper, Zeselberg“ in der Südwestpfalz zu tun.
Andreas Kipper schrieb am 6. Januar 1957 den Brief, „der wahrscheinlich ein Roman sein könnte“, urteilte der Briefempfänger. Und weiter: „Interessant insbe-sondere wegen der tragischen Schicksale, welche die Deutschen im Südosten Europas erleiden mussten“. Nachfolgend der unveränderte Wortlaut des Briefes:

„Ich, Andreas Kipper, geb. 18.02.1913 in Uivar, Banat, Rumänien, besuchte in Uivar die Volksschule. Nach meinem 13. Lebensjahr ging ich nach Temeswar als Metzgerlehrling, lebte in Temeswar bis 1943. Von 1938 – 1943 führte ich einen Metzgerladen. 1940 heiratete ich. Wir hatten einen Sohn, der als Baby starb.

Die deutschen Schulen ließen viel zu wünschen übrig. Wir mussten bis 1919 noch ungarisch lernen. Von 1920 – 1924 serbisch. Im Jahre 1924 kam eine Grenzverschiebung zwischen Serbien und Rumänien, wodurch wir zu Rumänien kamen. Wir lernten von allem etwas, am wenigsten die deutsche Sprache. Die deutsche Schule in Temeswar hieß „Banatia“. Diese erfasste 300 Schüler. Ein kleiner Prozentsatz konnte es sich nur leisten, diese Schule zu besuchen, da sie kostspielig war.

Unsere Heimat gehörte zu Österreich-Ungarn. Dieses Sumpfland wurde von den Schwaben kultiviert, die in drei Schwabenzügen
1. von 1722 – 1726 unter Karl VI.
2. von 1754 – 1762 unter Maria Theresia
3. von 1776 – 1784 unter Joseph II.
angesiedelt wurden.

In der Hitlerzeit, als das Deutschtum im Ausland auch erwachte, fragte ich meine Großmutter, ob sie weiß, wo wir herkommen? Sie konnte mir nur sagen, dass ihre Großeltern aus Deutschland gekommen sind. Meine Großmutter war im Jahre 1944 = 90 Jahre alt, als sie starb, mein Vater, Josef Kipper, lebt zur Zeit noch in Uivar, Rumänien, er ist 72 Jahre alt. Genaue Adresse: Josef Kipper, Rumänien, Uivar 150, Raion Jimbolia.

Im Jahre 1943 kam zwischen Rumänien und Deutschland eine Vereinbarung zustande, dass alle Volksdeutschen zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr in die Deutsche Wehrmacht eingezogen werden. Da wurde ich 1943 zu der Waffen-SS eingezogen, gleich nach Russland. Dort musste ich bis zur siegreichen Kapitulation kämpfen. Am 8. Mai waren wir in Österreich. Jetzt machten wir uns auf die Socken nach Deutschland. Im Großglockner-Gebirge wurden wir von den Engländern entwaffnet. Wir trippelten aber weiter bis nach Rastatt in die amerikanische Gefangenschaft. Dort haben wir als SS-Verbrecher 14 Monate hinter dem Stacheldraht in Auerbach (b. Nürnberg) und Bad Aibling gebrummt. Nach der Entlassung kam ich zu geflüchteten Landsleuten in den Kreis Coburg.

Von 1944 - 1946 hatte ich keine Nachricht aus der Heimat. 1946 war der erste Briefwechsel mit meinem Vater. Er schrieb mir, dass meine Schwester in Russland sei, jedoch als Kranke entlassen würde. Meine Frau war auch in Russland. Sie wurden 1945 Mitte Januar nach Russland verschleppt. In der rumänischen Kapitulation war enthalten, dass Rumänien  Russland Arbeitskräfte stellen muss, Rumänien gab zuerst die Deutschen hin, auch noch die, die einen deutschen Namen trugen. So war meine Frau 3 Jahre und 8 Monate in Sibirien. Sie wurde als Kranke im August 1948 nach Rumänien entlassen.

Da schrieb sie mir nach Deutschland, ob ich heimkomme. Ich schrieb zurück, dass sie nach Deutschland kommen soll. Sie machte sich auch auf den Weg schwarz zu kommen, sie wurde aber in Ungarn geschnappt und brummte dort 9 Wochen in den Gefängnissen. Kurz vor Weihnachten 1948 kam sie zu mir. Gleich nach den Feiertagen ging ich mit ihr nach Coburg ins Krankenhaus. Sie dokterte 3 Jahre. 1952 kamen wir als verschleppte Personen (Anm.: DP) nach Amerika. Jetzt arbeiten wir beide in einer Wurstfabrik.“

Abgetippt ist der Brief auf den Seiten 222-224 einer unseres Wissens nach unveröffentlichten umfangreichen Dokumentation über die unterschiedlichen Kipper-Familiensippen in Europa (mit Übersee), ein Typoskript von 266 Seiten aus dem Jahr 1967.

Der Name Kipper war im Banat selten, Nachkommen leben in der Bundesrepublik. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Uiwarer Familie aus Etschka zugezogen war, einer Privatsiedlung unweit Großbetschkerek (heute Zrenjanin, Serbien). Die Vorfahren sollen Rheinpfälzer gewesen sein. Ein Jakob Kipper ist von dort 1768 über Wien ins Banat. Den Namen gab es auch im (Serbisch)Banater Rudolfsgnad und in der Batschka, in Lowrin gab es Kippert. In der Bukowina war der Familienname häufig, stammte aber von der evangelisch-pfälzerischen Linie her (über Galizien). Aus der Tatsache, dass die Kipper/Kippert/Küpper im Saargebiet und in der Pfalz, vom Wohngebiet betrachtet in den verschiedensten Bezirken unabhängig voneinander nebeneinander auftauchen, ist zu schließen, dass sie eigenständig gewachsen sind, und zwar aus verschiedenen Wurzeln. Dafür spricht auch, dass evangelische und katholische Familien in Gruppen vorkommen, dass der Beruf keine eindeutigen Anhaltspunkte für den Ursprung des Namens gibt. So in der Dokumentation zur Kipper-Genealogie.

In den Banater bzw. donau-schwäbischen Dokumentationsstellen in Deutschland gibt es wenige archivierte Briefe aus dieser Zeit, daher ist die Veröffentlichung mit dem Aufruf verbunden, derartige und sonstige Familien-Korrespondenzen den Dokumentationsstellen und Archiven zu überlassen. Der hier abgedruckte Brief belegt, dass solche Schreiben inzwischen aussagekräftigen dokumentarischen Wert haben.