Kunst im öffentlichen Raum

Zwei junge Festivals nehmen sich vor, das Image Kronstadts zu verändern

Ein Hingucker dieser Edition von „Bohemian Square“ war das Werk „Die Fenster der Welt“ des portugiesischen Fotografen Andre Vincente Goncalves
Foto: Adriana Bogdan

Im Rahmen von „Antemural“, dem Vorspann des „Amural“-Festivals, erstrahlte der Weiße Turm mit Hilfe von Videoprojektionen in neuem Licht
Foto: George Onofrei

Im Zentrum von Kronstadt kann man einkaufen, Freunde treffen, sich ein Fahrrad ausleihen, Tauben füttern oder schöne Fotos vor dem Springbrunnen am Marktplatz aufnehmen. Aber man kann manchmal auch andere Sachen erleben. Ende August und Anfang September ist in der Stadt unter der Zinne plötzlich alles möglich: Der Weiße Turm erstrahlt in rosa Licht und bunte Sterne laufen auf ihm auf und ab, auf dem Rosenanger/Piaţa Enescu kann man mit überdimensionalen Figuren Schach spielen, im Wald neben der Graft-Promenade kann man mitten am Tag auf kleine Orchester stoßen, die gerade ein Konzert darbieten. Und wenn man sich ausruhen will, kann man einfach auf einer Couch liegen und ein neues Buch lesen. Nicht zu Hause, sondern mitten im Stadtzentrum.

Kunst findet heutzutage nicht nur zwischen vier Wänden, in Galerien, Museen oder Theatern statt. Um an den modernen Menschen zu gelangen, muss Kunst auch im öffentlichen Raum stattfinden. Das haben die Organisatoren der beiden Festivals „Bohemian Square“ und „Amural“ eingesehen, die Ende des Sommers in Kronstadt stattfinden. Während sich „Bohemian Square“, das nun schon seine 3. Auflage hinter sich hat, langsam zum Kult entwickelt, befindet sich „Amural“ bei der ersten Edition. Beide vom Bürgermeisteramt geförderten Festivals werden von jungen Teams organisiert und nehmen sich vor, eine hübsche Touristenstadt in einen magischen Ort zu verwandeln und die Bewohner dabei aktiv zu implizieren. Die Behörden hoffen, dass die beiden Veranstaltungen viele Touristen nach Kronstadt bringen und dadurch die Chancen der Stadt erhöhen, als Kulturhauptstadt 2021 ernannt zu werden.

Ein Open-Air Kulturzentrum

Ein mit Graffiti bemalter Bus der Linie 51 fährt seit dem 24. August auf der Strecke Solomonfelsen-Bahnhof durch die ganze Stadt. Drei Tage lang haben bildende Künstler ihn auf dem Marktplatz bemalt. „Street Art the Bus“ hieß das Projekt, das im Rahmen des Festivals für urbane Kultur „Bohemian Square“ vorgestellt wurde. „Wir haben geplant, dass der bemalte Bus zwei Wochen lang durch die Stadt fahren soll. Es kann aber sein, dass er auch längere Zeit im Verkehr bleibt. Es kommt darauf an, wie lange die Farbe hält“, meint Silviu [tefan, Pressesprecher der Öffentlichen Verkehrsregie Kronstadt (RAT). Vor zwei Jahren hatten die Behörden das Festival eher skeptisch betrachtet. Jetzt ist es aus Kronstadt kaum wegzudenken. Farbenfroh und dynamisch, trotz des streckenweise trüben Wetters. So sah die Stadt in der Zeitspanne 21.-23. August aus.

An den drei Tagen verwandelten sich der Marktplatz/Piaţa Sfatului, der Rosenanger und der Durchgang dazwischen in ein riesiges Open Air Kulturzentrum: Seifenblasen schwebten durch die Luft, Kinder bewunderten eine Installation mit Brezeln, die an dünnen Fäden baumelten. Auf dem mit großen, bunten Tüchern geschmückten Rosenanger fanden Lesungen mit zeitgenössischer Lyrik statt. Das Publikum stand begeistert, unter Regenschirmen geschützt, und hörte zu. Es gab Zeichnungen an den Hauswänden, Fotografieausstellungen neben dem Springbrunnen, Trommel-, Lampen- und Zeichenworkshops, Konzerte und viele originelle Schmuckstücke von jungen Designern. Im Ganzen waren über 150 Künstler aus dem In- und Ausland an „Bohemian Square“ beteiligt. Die Initiative stammt vom jungen Verein „Bohemian“, der sich vornimmt, kulturelle Events an unkonventionellen Orten zu organisieren und dadurch ein breites Publikum zu gewinnen. Die diesjährige Auflage war trotz des Regens eine gelungene und bewies wieder einmal, dass das Publikum in Kronstadt dazu bereit ist, auch modernere Events zu verstehen und zu genießen, nicht nur klassische Konzerte und Theaterabende.

Historische Gebäude im 3D-Gewand

Auch das „Amural“-Festival, das heute startet, nimmt sich vor, ein neues Licht auf die Stadt zu werfen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Bei dem ersten Festival für zeitgenössische bildende Kunst, das in Rumänien organisiert wird, wird mit Hilfe von Video-Mapping die Architektur der Stadt zum Leben erweckt. Durch eine 3D-Projektion werden historische Gebäude zur Leinwand, die mit verschiedenen Kunstwerken angestrahlt wird. Die visuellen Effekte werden an die Struktur der Gebäude angepasst.

„Die Idee dieses Festivals ist entstanden, weil wir einen Raum brauchten, in dem wir unserer eigenen Fantasie freien Lauf lassen wollten. Im Mittelpunkt von Amural stehen die 3D-Projektionen auf den Architekturdenkmälern in unmittelbarer Nähe der Graft-Promenade. Wir wollen dabei die Kunst aus Museen und Galerien in den öffentlichen Raum bringen“, meint Răzvan Pascu, einer der Organisatoren. Laut Pascu ist Kronstadt noch weit entfernt davon, ein kulturtouristisches Ziel zu werden. „Die kulturelle Infrastruktur fehlt uns einfach. Es genügt heutzutage nicht mehr, die großen Baudenkmale zu renovieren. Die Welt entwickelt sich und Kunst muss sich auch entwickeln“, meint er.

Im Rahmen von „Amural“ wird das Publikum drei permanente Ausstellungen besuchen können: Illustrationen im Weißen Turm, eine Fotografieausstellung im Schwarzen Turm und eine für grafisches Design im Turm des Katharinentors. Außerdem wird die Fassade des ehemaligen Popular-Kinos von Künstlern neu bemalt.

Ein anderer interessanter Schwerpunkt auf dem Programm wird eine Live-Performance des international bekannten Künstlers Dan Perjovschi sein, der seine Werke auf eine Mauer projizieren wird. Während des Festivals finden im Warthe-Wald kleine Konzerte der Schüler der Musikschule und der Studenten der Musikhochschule statt. Kunstinstallationen, Performances mit zeitgenössischer Lyrik und Live-Konzerte ergänzen das Programm.

„Wenn du nicht versuchst, etwas Neues zu bringen und aus dem Konventionellen herauszutreten, schaffst du es nie, Kulturhauptstadt zu werden. Kronstadt hat Traditionen und Geschichte, aber das genügt nicht“, meint Ionuţ Constantin, der zusammen mit Pascu in die Organisation des Events impliziert ist.

Im Rahmen von „Antemural“, einem Video-Mapping Event, das Ende Juli am Marktplatz als Vorspann von „Amural“ stattgefunden hat, wurde die Reaktion des Publikums auf das Unkonventionelle getestet. Zwei Stunden lang erstrahlte der Weiße Turm in mehrfarbigen Lichtern und Mustern. Dem Publikum hat es gefallen. Ein Zeichen, dass es an der Zeit wäre, neue Technologien und Kunstformen ins Kulturleben der Stadt einzubringen. Mehr Informationen unter www.amural.ro.