Kupferstich-Passion, Marienleben und Meisterstiche

Albrecht-Dürer-Ausstellung in Klausenburg

Albrecht Dürer: „Melencolia“ (Kupferstich, 1514)

„Wir wollen die Kupferstiche dieses genialen Künstlers als wichtigen Teil der europäischen Kunstgeschichte zeigen.“ Mit diesen Worten eröffnete der Kunstsammler Thomas Emmerling in der vergangenen Woche die Albrecht-Dürer-Ausstellung in Klausenburg. Im Ethnografischen Museum werden 111 Grafiken des wohl größten deutschen Künstlers, Albrecht Dürer (1471-1528), gezeigt, darunter alle 108 Kupferstiche sowie drei Holzschnitte.

Die Arbeiten stammen aus der Privatsammlung des Nürnberger Kunstmanagers und Sammlers Thomas Emmerling, der bereits im vorigen Jahr die Rembrandt-Ausstellung nach Siebenbürgen gebracht hatte. „Die Zeit ist reif dafür, dass Weltkunst auch in Rumänien gezeigt wird“, erklärt Emmerling, dessen Familie ihre Wurzeln im Kreis Bistritz hat. In der Ausstellung wird die komplette Kupferstich-Passion Dürers gezeigt, ebenso das Marienleben und als Höhepunkt die drei Meisterstiche, die „Melencolia“, „Der Heilige Hieronymus im Gehäuse“ (beide von 1514) und „Ritter, Tod und Teufel“. An diesen Stichen „wird das große Verdienst Dürers deutlich, der Brücken in Raum und Zeit geschlagen hat“, so Emmerling. „Dürer hat auf seinen Italienreisen von Andrea Mantegna und Leonardo da Vinci gelernt, aber auch Raffael und Michelangelo beeinflusst, um später auf seiner Reise in die Niederlande dort die Malerei und Meister wie Lukas van Leyden zu beeinflussen.“

In den gezeigten Arbeiten wird aber auch Dürers Interesse am aufkommenden Humanismus, an den politischen Umwälzungen der Bauernkriege und der Glaubensspaltung in der Reformation, sowie an den sich abzeichnenden Wissenschaften der Neuzeit deutlich. Letztlich war die Dürerzeit nicht nur durch die großen geografischen Entdeckungen – Amerika, der Seeweg nach Indien – die Zeit mit den stärksten Veränderungen in der Menschheitsgeschichte. Dürer hat diese Wandlungen und Umwälzungen in seinen Arbeiten meisterhaft dokumentiert. Mag ihn auch sein Zeitgenosse Hans Holbein, ein anderer großer deutscher Künstler, in der Porträtkunst übertroffen haben. In seiner Universalität, in der Beherrschung verschiedenster Techniken und Stile, und was die schiere Zahl seiner Werke betrifft, steht Dürer einzig da. Im Laufe seines 57 Jahre währenden Lebens schuf er ungefähr 1100 Zeichnungen, 34 Aquarelle, die in Klausenburg gezeigten 108 Kupferstiche, rund 246 Holzschnitte und 188 Gemälde.

Gerade den Kupferstich, den der Besucher in Klausenburg aus nächster Nähe studieren kann, und auch den Holzschnitt führte Dürer zur Perfektion. Dabei war er auch sein bester Agent. Dürer sah ebenso wie Tiziano Vecellio, Michelangelo Buonarotti und Raffaelo Santi die Bedeutung der Druckgrafik darin, in die Breite zu wirken und die eigenen Einkünfte zu erhöhen. Dürer verlegte seine druckgrafischen Zyklen im eigenen Verlag und über den Buchhandel, er führte den ersten bekannten und erfolgreichen Urheberrechtsstreit. Seine unbändige Neugier bezog sich auf Geometrie, die er für seine Bilder nützte, auf Mathematik allgemein, auf Bau- und Festungsbaukunst und auf technische Neuerungen in der Kunst, wie etwa der Radierung. Durch die Radierung wurde der anstrengende Arbeitsprozess, bei dem die Linien in die Druckplatte eingegraben werden müssen, vereinfacht. Die frühesten Radierungen stammen aus dem Jahr 1513, und Dürer experimentierte ab 1515 mit der neuen Technik, die damals nur grobe Striche, dafür einen individuelleren Zeichenstil gestattete.

Dürer war eine Künstlerpersönlichkeit an der Grenze zwischen deutscher Gotik und italienischer Renaissance, in seiner tiefen Gläubigkeit ein Mensch der ungeteilten katholischen Welt des Mittelalters, in seiner technischen und wissenschaftlichen Neugier ein Mensch des Humanismus, den der Mensch in seiner Größe und Niedrigkeit faszinierte. Er wollte den Menschen bilden, schreibt der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin, „so wie er nach der Absicht des Schöpfers sein sollte“. Dürers Persönlichkeit an der Grenze zwischen Altem und Neuem käme noch deutlicher zum Vorschein, meint Wölfflin, wenn er die anderen wohlvorbereiteten Bilder ausgeführt hätte, „ein Kreuzigungsbild und eine große santa conversazione, Kirchengemälde von feierlichster Art, wie die deutsche Renaissance so wenige hat“.

Die sogenannten „Meisterstiche“ sind wohl Dürers bekannteste Werke. „Ritter, Tod und Teufel“ – im Tagebuch seiner niederländischen Reise nennt Dürer das Blatt nur „Reuter“ – steht für den Christen, für den das Leben ein Kriegsdienst ist und der, gewappnet mit dem Glauben, sich nicht fürchtet vor Tod und Teufel. Der andere Meisterstich ist die „Melencolia“, die den Menschen befallen mag angesichts der Sinnlosigkeit seines Tuns. Der Stich ist so gedeutet worden, was aber, so schreibt Wölfflin, der geistigen Tendenz Dürers widersprochen hätte. Dürer hätte gerade im unablässigen Suchen und Beobachten das verehrt, was uns Gott näher bringt. Der „Hieronymus im Gehäuse“ zeigt den Heiligen, den Dürer öfter als jeden anderen Heiligen behandelt hat. Anders als in der „Melencolia“ herrscht hier durch die Linien- und Lichtführung Heiterkeit und Ruhe. In der geräumigen Stube mit ihren vielen Details übersieht man den Heiligen fast, der an seinem Schreibpult sitzt. Er verkörpert die erleuchtete Ruhe, das Forschen im Angesicht des Ewigen. Alle drei Meisterstiche ergeben so ein Ganzes.

Die Stiche und Radierungen Rembrandts, die 2014 in Klausenburg gezeigt wurden, wie auch die Kupferstiche Dürers stammen von dem französischen Graveur Armand-Durand (1831-1905), der im Auftrag der Bibliotheque National Française Reproduktionen der Originalabzüge anfertigte. Die Originalplatten waren im Falle Rembrandts so abgenutzt und die Abzüge ausgebleicht, dass der Verlust zu befürchten war. Armand-Durand brachte sie wie auch die Dürers wieder in alter, ursprünglicher Kraft ans Licht. Die Fachwelt war begeistert. Nach der überaus erfolgreichen Rembrandt-Ausstellung 2014 hatte man die Besucher gefragt, welcher Künstler sie am meisten interessieren würde. Die meisten Stimmen erhielt damals der Nürnberger Meister. Das zeige das große Interesse der Klausenburger an internationaler Kultur und Kunst, so Emmerling.

Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Juni in Klausenburg zu sehen, Dienstag bis Sonntag von 9 bis 17 Uhr. Muzeul Etnografic al Transilvaniei, danach geht sie nach Jassy/Iaşi und Kronstadt/Braşov.