Mit dem Herzen schreiben

Die phantastische Parallelwelt der deutschen Schriftstellerin Aurelia L. Porter

Die Schriftstellerin liebt den Herbst, leuchtende Blätter und den Geruch feuchter Erde.

Aurelia L. Porter träumt von einer Lesung in den Bergen von Muntenien, der Heimat ihres Romanhelden Nicolae...

Wie wird man überhaupt Schriftstellerin? Die Antwort auf diese Frage kann so unterschiedlich ausfallen wie die Fauna des Ozeans. Susanne Zemke kann sie nicht beantworten, denn bei ihr machte es ohne Vorwarnung ‚klick‘ und sie begann zu schreiben. Zuerst ohne jeden Gedanken an eine  Veröffentlichung, einfach nur zum Vergnügen. Dann aber begannen die Charaktere ihrer Geschichte Formen anzunehmen und eine Art Eigenleben zu entwickeln.

Als ob sie der Schreibenden die Feder führten, floss ihre Geschichte mit der Tinte aufs Papier und kreierte eine Parallelwelt, von der sich Susanne immer wieder magisch angezogen fühlte. Dies war die Geburt von Aurelia L. Porter vor sechs Jahren. Heute hat sie zwei dicke Romane veröffentlicht: „Nicholas – Zwischen den Welten“ und „Nicolae – Hinter den Pforten“, zwei Fortsetzungsmanuskripte liegen zur Überarbeitung bereit. Sieben Bände hat sich die ehrgeizige Hobbyschriftstellerin für ihre historische Familiensaga insgesamt vorgenommen. Die Handlung spielt hauptsächlich auf dem Gebiet des heutigen Rumänien.

Welche Welt ist real?

Um diese Frage geht es nicht nur in Susannes Leben, sondern vor allem in ihrem Debütroman, der im strengen Viktorianischen England des 19. Jahrhunderts beginnt, sich jedoch nach dem ersten Band vollends ins sagenumwobene, geheimnisvolle Karpatenland verlagert.

Ihr Hauptheld Nicholas,  ein träumerisches, sensibles Kind, das den strikten Anforderungen seiner Umgebung  nicht gerecht zu werden scheint, flüchtet sich zunehmend in eine geheime Phantasiewelt, zu der andere keinen Zugang haben. Doch dramatische Ereignisse reißen ihn immer mehr in jene Realität zurück, die die Erwachsenen um ihn herum für die einzig wirkliche halten.

Dann aber passiert etwas Verblüffendes: das Blatt des Schicksals wendet sich zugunsten des kleinen Jungen. In einem verwunschenen Dorf in den Karpaten – einem fiktiven Reich, das die Autorin irgendwo  zwischen Rosenau/Râşnov und dem Königstein/Piatra Craiului vermutet – findet er eine neue Heimat. Aus Nicholas wird Nicolae. Und in seinem neuem Umfeld erkennt dieser die Welt seiner früheren Träume wieder!

Von neuem lernt er, seinen Intuitionen zu folgen und auf seine innere Stimme und sein Herz zu hören. Dafür verliert die ihn begleitende Tante Judith, eine bodenständige, resolute Medizinstudentin, die nur der Logik vertraut und mit Aberglauben, wie sie es nennt,  nichts anfangen kann, immer mehr den Boden unter den Füßen. Verzweifelt klammert sie sich an ihre Vorstellung von Realität und scheitert dabei genauso kläglich wie ihr Neffe zuvor in der anderen Welt.

Wer am Ende recht bekommt, können wir nur ahnen. Lebt uns die Schriftstellerin die versteckte Botschaft vor? Susanne und Aurelia - keine von beiden ist mehr oder weniger real, behauptet sie. Die Hausfrau und die Schriftstellerin bedingen einander, respektieren einander und räumen einander Zeit für ihre jeweiligen Realitäten ein. Auch wenn es manchmal schwierig ist, denn Susannes Familie setzt klare Grenzen: am Wochenende hat Aurelia Porter Pause.

Wer ist wer?

Die 49-jährige Susanne Zemke lebt mit ihrem Mann und ihren fast erwachsenen Kindern in Rellingen bei Hamburg. Ihre Jugendjahre verbrachte sie mit Dickens und Dostojewski, das erträumte  Studium der Anglistik, Romanistik und Sprachwissenschaften blieb ihr leider verwehrt. So wurde sie erst Versicherungskauffrau, dann Vollzeit-Hausfrau – allerdings ohne Vorliebe für Schuhe, Shopping und Tupperparties.

Statt dessen befasste sie sich mit Medizin, Kunst und der Literatur des 19. Jahrhunderts, lernte  Russisch, Italienisch und per Online-Kurs sogar  Rumänisch!  „Die Sprache sagt viel über die Mentalität eines Volkes aus“, erklärt die Autorin. Vor allem diese wollte sie bei der Recherche für ihre Romane erfassen.

Privat liebt sie ihren wilden Garten, die täglichen Teestunden mit ihren Kindern, oder, wie sie in ihrer Webseite verrät: „Menschen, die Dinge anpacken und Optimismus verbreiten; Ideen entwickeln und umsetzen; hohe Berge und tiefe Wälder; Hummeln und Hortensien; frisches Brot mit Bärlauch-Käse, dazu ein Glas Rotwein; den Herbst, wegen seiner leuchtenden Farben, der reifen Früchte und dem Geruch von feuchter Erde in der Luft...“. Aber halt, das ist ja schon Aurelia!

Aurelia Porter inspiriert sich aus walachischen Märchen, in den Werken rumänischer  Schriftsteller des 19. Jahrhunderts und verflicht historische Gestalten Munteniens mühelos mit dem Schicksal des heranwachsenden Nicolae. Am liebsten würde sie sich, wie Erich Kästner, allein auf einer Alm einquartieren, oder zumindest in ihrer Hamburger Wohnung nächtelang schreiben. Eine Gratwanderung, manchmal ebenso schwierig wie beglückend.

Im Dschungel der Verlage

Es klingt wie das Profil einer Erfolgsautorin. Sie schreibt aus Leidenschaft, und doch bricht Aurelia Porter alle Regeln. Ein Verlag riet ihr, keine Sätze über drei Zeilen und nicht mehr als drei Erzählperspektiven zu verwenden, weil die größte zu bewerbende Zielgruppe, die der Frauen über 40, dies nicht mehr erfassen könne! Und um Himmels Willen nicht zu viele Nebensätze.

Dann noch ein Ratschlag des Lektors: „Sex sells“. Den suchen wir natürlich vergeblich in der Geschichte des kleinen Nicolae. Umso schöner für die Autorin, als später eine Leserin bekannte, den Roman gleich zweimal gelesen zu haben: einmal hungrig verschlungen, weil die Geschichte so spannend war, dann mit Genuss, weil da so viel zwischen den Zeilen steht...

Ein Vierteljahr hatte Susanne Zemke den Literaturmarkt auf einschlägigen Internetseiten studiert, Erfahrungsberichte von Branchenkennern gelesen und Kontakt zu anderen Autoren aufgenommen. Dann war sie so abgeschreckt von den unlauteren Praktiken der sogenannten Druckkostenzuschußverlage und dem arroganten Ton der etablierten Branchengrößen, dass sie beinahe die Flinte ins Korn geworfen hätte.

So kam für das 600-Seiten Erstlingswerk der noch unbekannten Autorin von Vorne herein nur ein Book-On-Demand Verlag infrage. Der Vorteil? Nur so kann sie aus dem Herzen schreiben, ohne sich zu verbiegen. Also ohne mit dem Kopf zu texten, vermarktungsorientiert, zielgruppengerecht und mainstreamig, oder als Beglücker der Literaturkritiker mit auffälligen „innovativen“ Wortschöpfungen und der gerade schwer angesagten lakonischen Sprache...

Der Nachteil? Selbstfinanzierung, keinerlei Hilfe beim Lektorat und vor allem kaum Werbung. Buchhandlungen nehmen selbstverlegte Werke nur selten ins Repertoire, ihnen haftet der Makel autobiografisch schreibender Möchtegernautoren an, die noch dazu vor Kommafehlern strotzen. Nur der Buchhändler vor Ort war so nett, ihren Roman trotz konkurrierender Überschwemmung von Neuerscheinungen durch diverse Verlagsvertreter im Schaufenster auszulegen. Eine Bekannte veranstaltete gar eine Werbeparty für sie, statt Tupperschüsseln gab es das Buch im Angebot

. Erfolg hat Aurelia Porter vor allem  durch Lesungen in der Öffentlichkeit, aber auch auf privaten Veranstaltungen. So konnte sie mittlerweile fast 40 Prozent der Druckkosten des ersten Romans wieder einbringen. Eine Meisterleistung bei nur 10 Prozent Autorenhonorar und Selbstvermarktung! Größtes Manko ist in der Tat die fehlende Werbung. Nicht jeder Leser, der von dem ersten Roman begeistert war, sucht eigenständig im Internet nach der Fortsetzung.

Warum ausgerechnet Rumänien?

Warum aber hat Aurelia Porter den Handlungsort ihres zweiten Romans von England ausgerechnet nach Rumänien verlegt, zumal dieses Land in ihrer Heimat meist mit Vorurteilen belegt ist? „Im England des 19.              Jahrhunderts herrschte eine geradezu euphorische Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit. Für den Folgeroman brauchte ich ein europäisches ‚Gegenteil-Land‘, sowohl geografisch als auch historisch, vor allem aber kulturell und zeitgeistlich“, meint die Autorin und fügt hinzu, „ein Land, in dem die Fabelwesen und Tiere der Wälder noch sein durften,  nachdem sie aus dem modernen England vertrieben worden waren, ein Land, in dem Sagen und Legenden lebendig gehalten werden und Phantastisches zum täglichen Leben gehört“.

Dann bekennt sie: „Jetzt, da ich mich aus der Ferne so sehr mit Rumänien beschäftigt habe und ich es quasi virtuell für mich entdeckt habe, ist es mir ein Anliegen geworden, dieses für die meisten unbekannte Land all meinen Lesern etwas näher zu bringen.“ Mit den Vorurteilen aus ihrem Umfeld gegenüber Rumänien möchte Aurelia L. Porter zumindest indirekt aufräumen. D

eswegen hat sie auf ihrer Homepage unter der Rubrik „Der Folgeroman“ ein paar Seiten über Rumänien verlinkt: Kultur, Geschichte, Kulinarisches und vor allem traumhafte Bilder. Noch ein kleiner Sympathiebeweis ist das L. in ihrem Pseudonym, das für einen althergebrachten rumänischen Vornamen steht. Auch wenn sie ihn  meist geheimnisvoll für sich behält, geht Insidern jetzt vielleicht ein Lichtlein (!) auf...


Von Aurelia L. Porter ist bisher erschienen:
Nicholas – Zwischen den Welten, ISBN 978-3-86805-585-6 und der Fortsetzungsroman Nicolae – Hinter den Pforten, ISBN 978-3-86386-000-4 , zu bestellen im deutschen Buchhandel, bei Amazon oder unter www.aurelia-porter.jimdo.com (Links: Über das Buch, Der Folgeroman), wo wir noch mehr zu den Büchern und der Autorin erfahren.