„nach der SKULPTUR/SKULPTUR danach“

Im Kulturhauptstadtjahr: U-Kaserne beherbergt Kunstausstellungen

In der U-Kaserne ist seit Mai viel los: Ständige und zeitweilige Skulpturenausstellungen sind zu besichtigen.

„Genauso wie diese Bäume wachsen und den Hof füllen, genauso wächst auch die Kunst und passt sich den Zeiten an“, so Sorina Jecza zu den Werken, die in der U-Kaserne zu sehen sind.

Die Vorsitzende der Triade-Stiftung, Sorina Jecza, bei der Vorstellung des Projekts | Fotos: Zoltán Pázmány

Das imposante alte Gebäude am Mărăști-Platz zieht alle Blicke der Passanten auf sich und überrascht optisch auf negative Weise: Die Franz-Josef-Kaserne, wegen ihrer Form als U-Kaserne in Temeswar/Timișoara bekannt, hat keine Fassade mehr, zu sehen sind nur noch die nackten Backsteinwände – das Gebäude scheint verlassen. Doch der Schein trügt, denn in der U-Kaserne ist seit mehr als einem Monat neues Leben. Das kulturelle Projekt „nach der SKULPTUR/SKULPTUR danach“, konzipiert und koordiniert von Triade-Stiftungsleiterin Sorina Jecza und dem Architekten Attila Kim, entfaltet sich dort, wo jahrelang gar nichts gewesen ist. Die Räumlichkeiten der baufälligen U-Kaserne bieten den perfekten Rahmen für die Ausstellungen moderner Skulptur, die dort besichtigt werden können. 

Auf wie viele Arten wird heute die Skulptur gelebt? Nachdem sie jahrhundertelang als Denkmal, als symbolische und religiöse Darstellung eines Ortes, einer Gestalt oder eines denkwürdigen Ereignisses verstanden worden ist, steht die Skulptur weiterhin für diese Konventionen? Was folgt, nachdem sich die großen Modelle offenbart haben? Findet die rumänische Skulptur von heute ihre innovativen Ressourcen nach der Brâncuși-Erfahrung? Auf diese und viele andere Fragen versucht das Projekt „nach der SKULPTUR/SKULPTUR danach“ Antworten zu finden, wie Sorina Jecza, Koordinatorin des Projekts, bekannt gibt. Im Rahmen des Projekts sollen bis November mehrere Ausstellungen moderner Skulptur veranstaltet werden. 

Seit 2015 wurden die Räumlichkeiten der U-Kaserne nicht mehr für Kulturzwecke genutzt. Damals fand dort die erste Auflage der „Art Encounters“-Kunstbiennale statt. Im Vergleich zu 2015 ist nun das gesamte Gebäude mit Kunst gefüllt: Die Räume im Erdgeschoss, im ersten und im zweiten Stock, ohne Türen und Fenster, mit dicken Backsteinwänden, wurden in Galerien umgewandelt, in denen die Werke von über 70 Künstlern ausgestellt sein werden.

Kunst füllt wieder die Räume

„Die Skulptur ist das Symbol des organischen Wachstums, das wir in den Räumen der U-Kaserne beobachten können. Wir haben die spontane Vegetation, die den Hof erobert hat, an ihrem Ort stehen gelassen. Diese Vitalität zwischen Natur und Kultur findet sich auch in unserem Programm wieder. Wir wünschen uns, dass wir in diesem Sommer im Herzen von Temeswar einen Kulturgarten haben, der lebendig ist, der alle Entitäten rund um die Kunst neu organisiert. Wir sollen nicht vergessen, dass die Skulptur existiert, weil sie im Dialog mit der großen rumänischen Skulptur, die in der gegenüberliegenden Ecke zu sehen sein wird, steht. Die große Skulptur muss uns nicht hemmen, wir müssen nicht bei Brâncuși atemlos stehen bleiben, sondern diese Skulptur weitertragen“, sagt Sorina Jecza. „Genauso wie diese Bäume wachsen und den Hof füllen, genauso wächst auch die Kunst und passt sich den Zeiten an“, fügt die Kuratorin hinzu.

Im Innenhof der U-Kaserne ist viel Grün. Dünne Bäumchen, Sträucher, Gras, und viel dunkelgrauer Schotter auf dem Boden. Tische mit Stühlen, eine Bar und eine Bühne sind dort eingerichtet worden, sodass man nachmittags bei Musik ein Getränk genießen kann. Die Triade-Stiftung hat sich mit den Veranstaltern des Codru-Festivals zusammengetan, die auf der Bühne im Innenhof verschiedene Kulturevents organisieren. Im Erdgeschoss der U-Kaserne können Bücherfans eine kleine Buchhandlung entdecken. Sie wurde in Partnerschaft mit der Buchhandlung „La Două Bufnițe“ zustande gebracht, wobei die Apothekenkette „Catena“ einen kleinen Bildungsraum für Kinder gesponsert hat. Ein einzigartiger Weinkeller, von den Rekascher Weinstuben/Cramele Recaș eingerichtet, kann ebenfalls betreten werden. Auch eine ständige Ausstellung der TU Politehnica zum Projekt „Spotlight Heritage Timișoara“ ist dort zu sehen.

„Im obersten Stockwerk befindet sich ein Durchgang, ein Ort, von dem aus man den gesamten Raum betrachten kann – eine Art Skulpturenpromenade. Das erste Stockwerk ist für die Dauerausstellungen vorgesehen, die bis Ende November zu sehen sein werden, und im Erdgeschoss haben wir den Räumen verschiedene Funktionen verliehen. Einige davon gehören unseren Partnern, die ebenfalls sehr ehrgeizige Projekte haben. Sie haben sich nicht damit begnügt, nur unsere Sponsoren und Unterstützer zu sein, denn ihre Investition ist immer noch eine Idee, an die sie glauben und die sie beseelt, so dass jeder von ihnen einen Raum geschaffen hat. Wir werden auch Partner haben, die temporäre, in sich geschlossene, kürzere Ausstellungen organisieren werden“, so Sorina Jecza.

Der zweite Kurator des Projekts „nach der SKULPTUR/SKULPTUR danach“ ist der Architekt Attila Kim. Der rumänische Botschafter der Biennale von Venedig hat Dutzende von Ausstellungen auf internationalen Messen organisiert und ist seit Jahren für die Ausstellungen des Nationalen Museums für zeitgenössische Kunst in Bukarest verantwortlich. „Ich würde nicht behaupten, dass ein Verfallszustand herrscht. Es ist einfach ein ungenutztes Gebäude. Nach so vielen Jahren, in denen das Gebäude unzugänglich war, wollten wir die schönen und großzügigen Räume des Baus zum Vorschein bringen. Mit unseren Interventionen wollen wir das gesamte Gebäude zu einer Einheit machen, indem wir mehrere Ausstellungen gleichzeitig veranstalten. Sie handeln alle von der Bildhauerei, aber mit unterschiedlichen Ansätzen und Epochen in der Geschichte der rumänischen Bildhauerei“, erklärt Attila Kim.

Die Räume, Gänge und Treppen der Kaserne wurden so eingerichtet, dass sie alle Anforderungen einer Museumsausstellung erfüllen, mit den dazugehörigen Lichtinstallationen und Beschriftungstafeln. „In Westeuropa ist es gängig, solche historischen, verlassenen Gebäude durch Kunst zum Leben zu erwecken. Das beste Beispiel ist das Arsenale in Venedig, einer der Hauptveranstaltungsorte der Biennale von Venedig, aber überall in Europa und auf der Welt gibt es Kunstausstellungen, temporäre oder permanente, die solche Räume besetzen. Ihre Aufgabe ist es, diese architektonisch sehr wertvollen Räume, aber auch das Erbe einer Stadt wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt Attila Kim.  

Altbau wieder zum Leben erweckt 

Die Kaserne wurde ursprünglich 1752 erbaut, aber nach der Revolution von 1848 und der Belagerung der Festung durch die ungarische Revolutionsarmee schwer beschädigt und daraufhin wiederaufgebaut. Seither verfügt sie über drei Stockwerke. Sie wurde nach diesen Geschehnissen Franz-Joseph-Kaserne genannt, früher hatte man sie als Wiener Kaserne gekannt. 1923 war dort die Artillerieschule untergebracht, später wurde das Gebäude zu einem Lagerhaus. Nach der Wende 1989 wurde die U-Kaserne dem Verfall ausgesetzt. 

Das historische Gebäude gehörte ursprünglich der Kommunalverwaltung, die schon  2004 nach privaten Partnern suchte, die das Gebäude nutzen sollten. Vor 15 Jahren wurde das Gebäude für 11 Millionen Euro von einer litauischen Gruppe gekauft, die dort ein Einkaufszentrum errichten wollte. Die Wirtschaftskrise zog den Litauern einen Strich durch die Rechnung und veranlasste sie, das Gebäude zwei Jahre später an die Cerealcom-Besitzerin Mioara Simcelescu zu verkaufen, die 7 Millionen Euro dafür bezahlte. Laut der Studie einer italienischen Firma, die auf die Umnutzung historischer Gebäude spezialisiert ist, soll dort ein Fünf-Sterne-Hotel mit mehr als hundert Zimmern und einer Tiefgarage entstehen. Bis dahin stellte Unternehmerin Mioara Simcelescu die Räumlichkeiten für die Kunstausstellungen zur Verfügung.

„Jeder Ort kann lebendig werden, wenn man ihn zum Leben erweckt. Wenn wir also ´nach der SKULPTUR/SKULPTUR danach´ sagen, meinen wir damit implizit, dass es ein kontinuierliches Leben gibt. Es gibt einen Organismus, der wächst und einen vitalen Atem bekommt, wenn wir Begeisterung und Liebe haben – etwas, das Leben spendet. Und es geht um dieses große Projekt, das nicht von mir ist, ich habe es geerbt, die Skulptur im Jecza-Haus ist ein Familienerbe, und dieses Familienerbe muss weiterleben. Deshalb wollten wir die Vitalität dieser Art von Kunst, der Skulptur, anziehen“, sagt Sorina Jecza. 

Vier permanente Ausstellungen sind derzeit in der U-Kaserne zu sehen: „Monumental și efemer. Memoria sculptată“ (Kuratorin: Ioana Vlasiu), „Materie vie“ (Kuratorin: Alina Șerban), „Volum prin straturi“ (Kurator: Ciprian Mureșan) und „Sclipiri în întuneric“ (Kuratoren: Rainald Schumacher, Nathalie Hoyos). Darüber hinaus sind Werke von Gastkünstlern wie Doru Covrig, Constantin Flondor, Ciprian Mureșan und Peter Jecza ausgestellt. Verschiedene zeitweilige Ausstellungen sind ebenfalls zu sehen bzw. werden hier eröffnet werden. „nach der SKULPTUR/SKULPTUR danach“ kann mittwochs und donnerstags zwischen 11 und 19 Uhr bzw. von Freitag bis Sonntag zwischen 12 und 20 Uhr besichtigt werden. Die Eintrittskarten kosten 20 Lei für Erwachsene und 10 Lei für Kinder.