Quo vadis ausländische Literaturförderung Rumäniens?

Anlässlich der Leipziger Buchmesse

 

Passenderweise mit „Schwebebrücken aus Papier“ hat Hellmut Seiler seine Anthologie rumänischer Lyrik der Gegenwart betitelt, die 2021 bei der Berliner Edition Noack & Block erschienen ist – gefördert durch das Rumänische Kulturinstitut (ICR). Ende März wurde nun jenem Verlag die Übersetzungsförderung an Hans Dama für „Tragischer Träumer“ von Aura Christi hingegen leider nicht zugesprochen. Die ebenfalls aus der Republik Moldau stammenden Tatiana }ibuleac und Liliana Corobca erhalten allerdings zur Übersetzung ins Polnische und Englische erneut Fördermittel. Angesichts erfreulich zahlreicher Autoren anspruchsvoller Literatur ist die Auswahl nicht leicht - aber ist sie ausgewogen und zielorientiert?

Die Leipziger Buchmesse (27.-30. April) steht an. Das Rumänische Kulturinstitut bietet auf seinem Messestand (Halle: 4, Stand: D309) einschlägigen Veranstaltern ein Podium – nicht nur für bereits bekannte Größen, wie Ana Blandiana, Mircea C²rt²rescu, Gabriela Adame{teanu, sondern auch für Ioana Pârvulescu, Lavinia Brani{te, Paula Erizeanu, Adrian [chiop, Ioana Nicolaie, Oleg Serebrian, sowie deren Übersetzer. Zum Schwerpunkt „Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023“ hat der Publizist und Verleger Traian Pop aktive Banater Autoren der Vorwendezeit zusammengetrommelt. Neu in der Runde ist Robert Șerban, ein genreübergreifendes Multitalent mit einigen Veröffentlichungen im vergangenen Jahrzehnt, die es noch zu übersetzen gilt. Rumäniendeutsche Lyrik wird in dem spannenden Gesprächsformat von Ernest Wichner, als ein Vertreter der Erlebnisgeneration (aber nicht nur), und Alexandru Bulucz, der ausschließlich in Deutschland Texte publiziert hat, diskutiert.

Einige der vorgenannten Autoren können dem deutschsprachigen Publikum ihre Bücher vorstellen, weil das länderübergreifende Förderwerk TRADUKI  die Übersetzungskosten getragen hat – sonst wäre die knappe Liste noch kürzer. Vor wenigen Jahren förderte das Rumänische Kulturinstitut jährlich rund 100 Titel – aktuell sind es 28 von 74 Anträgen. Entsprechend gefördert übersetzte beispielsweise 2012 Georg Aescht Gedichte aus drei Bänden von Claudiu Komartin. Dieser ist inzwischen einer der angesagtesten Lyriker Rumäniens mit eigenem Verlag und der Halbjahresschrift „Poesis International“ - im deutschsprachigen Raum ist er aber kaum bekannt. Ähnlich verhält es sich mit Svetlana Cârstean, für deren Gedichtauswahl die preisgekrönte Übersetzerin Eva Ruth Wemme vergeblich in Vorleistung gegangen ist. Mit dem Romancier C²t²lin Mihuleac und weiteren Kurzprosaautoren ließen sich leicht weitere Beispiele für eine vom Westen emanzipierte, moderne Literatur nennen, die dem gesamteuropäischen Stellenwert rumänischer Kultur mehr Gewicht verleihen würde, so sie übersetzt verfügbar wäre.

Zwar gibt es Kritik an der dreiköpfigen Auswahlkommission des Rumänischen Kulturinstituts für die eingereichten Förderanträge. Es sind allerdings Fachleute mit fundiertem Wissen und viel praktischer Erfahrung. Gewiss, ein größeres Gremium dürfte zu einer ausgewogeneren Selektion beitragen. Unklar bleibt jedoch die Zielsetzung. Sollen mittels Klassiker und bereits bekannter Autoren rumänische Kultur über sogenannte „Schwebebrücken aus Papier“ vermittelt werden, oder möchte man verstärkt der literarischen Vielfalt von Weltrang gerecht werden? Die Förderung im deutschsprachigen Raum von literarischen Magazinen mit Übersetzungen und Essays wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.