Rumänische Biedermeierzeit

Ausstellung im Nationalen Kunstmuseum Rumäniens in Bukarest

Porträt von Constantin Daniel Rosenthal

Noch bis zum 27. April dieses Jahres ist im Bukarester Nationalen Kunstmuseum eine umfangreiche Ausstellung zu sehen, die sich der Kunst und Kultur des Biedermeier in den rumänischen Fürstentümern während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts widmet. Die exakte historische Zeitspanne reicht dabei vom Wiener Kongress (1815) bis zur Vereinigung der Moldau und der Walachei unter Alexandru Ioan Cuza (1859).

Über 200 Exponate aus eigenen Beständen des Kunstmuseums sind in vier großen Sälen im Erdgeschoss des ehemaligen Königspalastes an der Bukarester Calea Victoriei zu besichtigen. Dazu zählen Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Drucke, Schmuck, Silberarbeiten, Textilien und Möbel, um nur die wichtigsten Werksparten aus den Bereichen der Kunst und des Kunsthandwerks genannt zu haben.

Die Künstler und Kunsthandwerker, die die gezeigten Werke geschaffen und hergestellt haben, lassen sich in mehrere Gruppen einteilen: Ausländer, die damals für rumänische Auftraggeber tätig wurden (wie zum Beispiel Josef Kriehuber); Ausländer, die während der Biedermeierzeit Rumänien bereist haben (wie zum Beispiel Michel Bouquet, Josef-August Schöfft oder Denis-Auguste-Marie Raffet); Ausländer, die sich im damaligen Rumänien niedergelassen haben (wie etwa Anton Chladek, Niccolò Livaditti oder Mauriciu Löffler); autochthone Künstler (u. a. Barbu Iscovescu, Constantin Lecca, Constantin Daniel Rosenthal, Petre Mateesccu, Carol Popp de Szathmáry); darunter auch Rumänen, die während der Biedermeierzeit künstlerisch debütierten (wie Gheorghe Tattarescu und Theodor Aman).

Das Biedermeier gilt als eine Kunstrichtung, die auf die Kultur des Bürgertums bezogen ist und nicht nur Malerei und Architektur, sondern neben Mobiliar, Kleidung, Mode und Schmuck die gesamte Palette kunsthandwerklicher Produkte umfasst. Die Epoche des Biedermeier ist gekennzeichnet durch den Rückzug ins Private, die Beschwörung des Idylls, durch Behaglichkeit und Gemütlichkeit (erläuternde Wandtexte der Kuratorinnen Mariana Vida und Elena Olariu zitieren letzteres deutsche Wort explizit in der Originalsprache), durch die Betonung der Wohnkultur und durch die Wertschätzung der Intimität, sei es in der Familie, sei es im geselligen Freundeskreis.

Es versteht sich von selbst, dass die Kunst der Biedermeierzeit gerade wegen ihrer Offenheit für die Kultur des Alltags und für Phänomene der Mode ganz unterschiedliche regionale und nationale Ausprägungen erfuhr. So lässt sich beispielsweise im rumänischen Biedermeier eine starke Präsenz der Orientmode konstatieren, die man im österreichischen oder deutschen Biedermeier vergebens sucht. Andererseits finden sich im rumänischen Biedermeier beispielsweise auch Porträts, die man ohne mit der Wimper zu zucken auch Künstlern wie Ferdinand Georg Waldmüller oder Moritz von Schwind zuschreiben könnte.

Das Schöne an dieser reichhaltigen Bukarester Ausstellung ist, dass in den einzelnen Sälen zwar thematische Schwerpunkte gesetzt werden (der letzte Saal ist beispielsweise nationalen Mythen und Ereignissen gewidmet), dass aber die ganze Vielfalt und das schillernde Spektrum biedermeierlicher Kunsterzeugnisse in jedem der Säle präsent ist. Da finden sich Porträts neben Gewandschließen, eine reich bestickte Weste (rum. ilic, türk. yelek) neben Lithografien von P. Müller mit Stadtansichten von Jassy/Iaşi, Aquarelle der walachischen Landbevölkerung neben einem silbernen Füllhorn, in dem Zündpulver aufbewahrt wurde.

Ein wunderbarer Kronstädter Sekretär in Lyra-Form, eine Salongarnitur, bestehend aus einer Couch, zwei Sesseln und einem Tisch, ebenfalls aus Nussbaumfurnier, sowie eine Tischuhr im Empire-Stil vermitteln einen Eindruck von der Wohnkultur der Biedermeierzeit, während kunstvoll verzierte Manschettenknöpfe, Ohrgehänge, Fingerringe (mit Gemmen oder Siegelflächen) und Broschen einen Einblick in die Welt der Schmuckgegenstände während jener Epoche gewähren. Böhmische Kristallgläser, Spitzentaschentücher, vergoldete Porzellantassen und bemalte Porzellankannen ergänzen neben Silberwaren (Kerzenhalter, Teekanne, Samowar, Kästchen, Salzschalen) den Gesamteindruck einer gediegenen Alltagskultur. Aber auch religiöse Objekte sind zu bewundern, wie etwa eine rosenkranzähnliche Kette (rum. mătănii) aus Bernsteinkugeln und -eicheln.

Die schönsten und künstlerisch wertvollsten Exponate der Bukarester Ausstellung finden sich aber dann doch unter den Ölgemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Lithografien. Hervorzuheben sind beispielsweise: eine kolorierte Lithografie des Bukarester Hanul lui Manuc von Eugène Cicéri; eine von Denis-Auguste-Marie Raffet geschaffene Szene mit tanzenden Bauern („La jok“), die walachische Kleidung osmanischer Provenienz, u. a. Pump- und Pluderhosen, tragen; ein Frauenporträt von Josef-August Schöfft, das auch das Bukarester Ausstellungsplakat ziert; ein Aquarell von Carol Popp de Szathmáry mit der Darstellung eines bewaffneten Albaners; eine lithografierte Einladung, ebenfalls von Carol Popp de Szathmáry, zu einem Regimentsball, geschmückt mit dem russischen Doppeladler, Reiter, Wachen, Standarten und verschiedenen Waffen; eine Trachtengalerie von Louis Janet-Lange, u. a. mit einem Bauer im Schafsfell und einer Walachin mit traditioneller Bluse (rum. ie).

Großformatige Porträts in Öl laden zum geschichtlichen Studium oder zur Versenkung in Gesichter jener Zeit ein. Dazu zählen Niccolò Livadattis Porträt der Schwester des rumänischen Dichters Vasile Alecsandri aus dem Jahre 1840; das anonyme, Constantin Lecca zugeschriebene Porträt einer Frau in Schwarz mit Rosen in Haar und Hand aus den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts; sowie ein Doppelporträt des frisch verheirateten Ehepaars Rosetti (Constantin Alexandru und Maria geb. Grant) von Constantin Daniel Rosenthal aus dem Jahre 1848, wobei die schottisch-französische Gattin des rumänischen Politikers ganz der Titelheldin des 1847 erschienenen Romans „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë nachgebildet ist.

Auffällig ist, dass nur auf einem einzigen der ausgestellten Gemälde eine vollständige Familie dargestellt ist, also nicht, wie auf den übrigen Porträts, lediglich Gatte und Gattin, einzelne Söhne und Töchter, oder eine Mutter allein mit ihren Kindern. Unter den Gemälden mit nationaler Thematik ragt ein Bild aus dem Jahre 1856 von Theodor Aman hervor, das Stefan den Großen zeigt, wie er im Kreise seiner Bogenschützen den Ort für das Kloster Putna bestimmt. Eine unscheinbare Bleistiftzeichnung von Carol Popp de Szathmáry, die den Musiker Franz Liszt, den Maler Christian Adolf Schreyer und den Zeichner selbst beim Besteigen einer Kutsche zeigt, rundet den Gesamteindruck der sehenswerten und lehrreichen Ausstellung ab.