Synthese von Klassik und Jazz

Gershwin-Abend im Bukarester Athenäum

George Gershwin Foto: Carl Van Vechten / Wikimedia Commons

Der 1898 in Brooklyn geborene und 1937 in Hollywood gestorbene Komponist, Pianist und Dirigent George Gershwin gehört zu jenen Musikern, die den Jazz mit sinfonischer Musik in Einklang brachten und Werke schufen, die dem Jazz Eingang in die Konzertsäle verschafften. Drei dieser inzwischen der klassischen Musik zugerechneten Stücke wurden in der vergangenen Woche im Bukarester Athenäum aufgeführt: die berühmte Komposition „Rhapsody in Blue“ (1924), das Klavierkonzert in F-Dur (1925) und die Tondichtung „Ein Amerikaner in Paris“ (1928), die als Auftragskomposition für die New Yorker Philharmoniker entstanden war.

Eröffnet wurde das Bukarester Sinfoniekonzert mit den Variationen für Klavier und Orchester von George Gershwin über seinen Schlager „I Got Rhythm“ aus dem Jahre 1930, der zu seinen bekanntesten Werken überhaupt zählt und neben „Summertime“ aus der Oper „Porgy and Bess“ zu den meistgespielten Jazzstandards überhaupt gerechnet wird. Es gibt kaum eine Jazzgröße, die nicht eine eigene Version von „I Got Rhythm“ eingespielt und dabei in das eingängige Thema den eigenen Stil hineingetragen und es der eigenen Art zu musizieren anverwandelt hätte. Der Song „I Got Rhythm“, gewissermaßen ein Lied ohne Worte, dessen Text man auch in seinen instrumentalen Versionen gleichsam mithört, bildete auch den das gesamte Konzert einfassenden Rahmen: der Solopianist, der Brite Peter Donohoe, der das Gershwinsche Thema mit seinen sechs Variationen zu Beginn des Konzertes zusammen mit dem Sinfonieorchester der Philharmonie „George Enescu“ interpretierte, spielte am Ende des Konzertes als Zugabe eine solistische Variante dieses Erfolgsstücks, das man auf Youtube auch in einer Live-Version mit dem Komponisten selbst erleben kann.

Nach diesen Klaviervariationen stand das Gershwinsche Klavierkonzert auf dem Programm, das ebenfalls eine Synthese von Klassik und Jazz darstellt. Der aus Breslau gebürtige und in den USA wirkende Dirigent Walter Damrosch hatte das Werk bei Gershwin, der auch den Solopart bei der Uraufführung spielte, in Auftrag gegeben. Gershwin sollte ein am klassischen dreisätzigen Schema orientiertes Konzert schreiben und es selbst orchestrieren. Auf einer Schiffsreise nach London beschäftigte sich der Komponist, der keinerlei Erfahrungen mit sinfonischer Orchestrierung klassischer Musik hatte, intensiv mit den theoretischen Fragen klassischer Harmonik und Melodik, und es gelang ihm, ein Werk zu schaffen, das beispielsweise von Igor Strawinsky sehr geschätzt wurde. Der Charakter der drei Sätze, Allegro, Adagio – Andante con moto und Allegro agitato, wurde von Gershwin selbst folgendermaßen umschrieben: der Kopfsatz sei ein schneller und rhythmisierter Charleston, der den jungen und enthusiastischen Geist des jungen Amerika atme; den Mittelsatz durchwalte eine nächtlich-poetische Atmosphäre, der Nostalgie des amerikanischen Blues vergleichbar, aber reiner und klarer als in dessen gewöhnlicher Ausprägung; der Finalsatz schließlich, der sich an den Musikstil des Ragtime anlehnt, sei eine einzige Orgie von Rhythmen, voller Kraft und Dynamik. Besonders das Schlagwerk und der große Apparat der Blechbläser mit seinem mächtigen Klangvolumen und den vielfältigen Klangvarietäten (man denke an den bekannten Jazzsound der gestopften Trompeten) bestachen in diesem Klavierkonzert.

Nach der Pause kam das einzige Werk des Abends zur Aufführung, bei dem kein Klavier, weder solistisch noch als Begleitinstrument, in Erscheinung trat. Die Tondichtung „Ein Amerikaner in Paris“, die Gershwin als rhapsodisches Ballett bezeichnete, als Komposition im Stile Debussys und in der Art der Groupe des Six, außerdem als modernste Musik, die er je geschrieben habe, ist eigentlich dem Genre der Programmmusik zuzurechnen: Ein amerikanischer Besucher streift durch die Straßen von Paris und lässt sich von den Geräuschen des Großstadtverkehrs und von der Atmosphäre der französischen Metropole einfangen. Gershwin hatte für die Uraufführung des Werkes in der New Yorker Carnegie Hall eigens Autohupen aus Paris mitgebracht, um sie als instrumentale Klangquellen in seinem impressionistischen Tongemälde einzusetzen. Auch wenn die Philharmonie „George Enescu“ auf solche Effekte verzichtete, wurde die Aufführung unter der Leitung von Valentin Radu dennoch zu einem berauschenden Erlebnis, das den Zuhörer in die Agilität und Bewegtheit einer großstädtischen Klangkulisse eintauchen ließ.

Den Abschluss des Konzertes im Bukarester Athenäum bildete die berühmte „Rhapsody in Blue“, die, wie das erste Stück des Abends, mit einem Klarinettensolo einsetzt, das als solches gewissermaßen die Synthese von Klassik und Jazz symbolisiert: die nach dem Anfangstriller aufsteigende Tonleiter geht in ein singendes Glissando über, auf das dann das berühmte, dem Blues nachempfundene Hauptthema in den Takten zwei bis fünf der Rhapsodie folgt. Auch bei der Uraufführung dieses Werkes saß Gershwin selbst am Klavier, wobei er keine Klavierstimme vor sich hatte, sondern nur eine Gesamtpartitur, in die der Dirigent immer wieder die Worte hineingekritzelt hatte: „Warte, bis ich dir zunicke!“ Auch der Dirigent des Bukarester Abends Valentin Radu nickte während der Darbietung dem Solisten Peter Donohoe des Öfteren zu: einmal wohlwollend, dann wieder bewundernd, mitunter auch in der Manier des Bandleaders den Rhythmen und Eingebungen des Solisten folgend, locker und entspannt, am Ende aber doch wohlig erschöpft und erlöst im Applause badend.