Traditionsverpflichtet und zukunftsorientiert

Internationale Tagung „60 Jahre Südostdeutsches Kulturwerk – 10 Jahre Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas“ in München

Im Internationalen Begegnungszentrum der Wissenschaft München fand vor Kurzem eine internationale Tagung aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums des Südostdeutschen Kulturwerks (SOKW) und des 10. Jahrestags der Gründung des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) statt. Der Leiter des IKGS, Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth, begrüßte die zahlreichen Gäste, darunter Sabine Deres, Ministerialrätin beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Dr. h.c. mult. Anton Schwob, Vorsitzender des SOKW sowie Leiter von Partnerinstitutionen und -einrichtungen in den südosteuropäischen Ländern. Sabine Deres überbrachte die Glückwünsche des Staatssekretärs Bernd Neumann zu beiden Jubiläen, hob die bemerkenswerten Leistungen und Verdienste des SOKW hervor, dessen Tätigkeit nach Gründung des IKGS im Jahre 2001 inhaltliche sowie kulturstrategische Neuerungen verzeichnete, und bekundete seitens der von ihr vertretenen ministeriellen Einrichtung die Fortsetzung der tatkräftigen Unterstützung für die nun an die Universität München als Forschungsinstitut angebundene Einrichtung.

In seinem Grußwort unterstrich Anton Schwob die vielfältigen Aktivitäten des 1951 gegründeten SOKW, dessen Auflösung er nun ankündigte, da die gesamten Aufgaben, die in der Erforschung und Pflege südostdeutscher Geschichts- und Kulturtraditionen bestanden, seit nun 10 Jahren vom IKGS erfolgreich übernommen und gemeistert wurden. Prof. Dr. h.c. mult. Andrei Marga und Prof. Dr. Lászlo Imré Komlósi sprachen über die Zusammenarbeit der Universitäten in Klausenburg/Cluj-Napoca und Fünfkirchen/Pécs mit den Münchner Einrichtungen, insbesondere über die in Zusammenarbeit geführten Stiftungsprofessuren. Stefan Sienerth bewertete die erneuernde Ausrichtung der qualitativen organisatorischen und fachlichen Tätigkeit des IKGS, die vor allem durch die Leistungen des nun in den Ruhestand wechselnden stellvertretenden Direktors des IKGS, Prof. h.c. Dr. Peter Motzan, geprägt gewesen sei, als erfolgreich. Durch seinen akkuraten Arbeitsstil und seine philologisch strengen Qualitätsansprüche habe dieser einen beachtlichen Beitrag zur Festigung des internationalen Rufs des IKGS geleistet. Er bleibe dem Institut als Mitherausgeber der „Spiegelungen“ erhalten. Direktor Sienerth verabschiedete sich von seinem Mitarbeiter und Freund und überreichte ihm einen schönen Blumenstrauß.

Seinerseits bedankte sich Peter Motzan in bewegenden Worten für die feierliche Verabschiedung aus seinem Dienst und dankte allen Mitarbeitern des Instituts für die hervorragende Zusammenarbeit bei der Durchführung von Tagungen und Konferenzen, bei der Herausgabe gehaltvoller Publikationen, die sich in der Fachwelt einer hohen Wertschätzung erfreuten. Daran schloss sich der erste Teil der wissenschaftlichen Tagung an. Unter der Moderation von Prof. Dr. Thomas Krefeld (Universität München) wurden die ersten zwei Bilanz ziehenden Vorträge zu Gehör gebracht: „Das ,Südostdeutsche Kulturwerk’ und die ,Südostdeutschen Vierteljahresblätter’ – Rückschau und Bilanz“ (Johann Adam Stupp / Möhrendorf) und „Eine halbe Dekade ,Spiegelungen’“ (Eduard Schneider / München). Dann hielt der stellvertretende Leiter des Instituts für deutsche Kultur in Ost-Mitteleuropa in Oldenburg, Prof. dr. h.c Konrad Gündisch, den Festvortrag „Ein Solitär in der ,Wissenschaftslandschaft’? Zur Verortung des ,IKGS’ in Wissenschaft und Gesellschaft“, in dem er auf die Einmaligkeit des IKGS in der institutionellen Kultur- und Wissenschaftslandschaft in Deutschland hinwies. Zwei weitere Vorträge befassten sich mit einer vom IKGS seit einigen Jahren neu angegangenen Forschungsthematik von aktueller Relevanz: Stefan Sienerth sprach über „Rumäniendeutsche Literatur im Spiegelbild und Zerrspiegel des rumänischen Sicherheitssdienstes ,Securitate’“ anhand des tragischen Schicksals des Dichters Georg Hopprich, während Peter Motzan über die wiederholten Anwerbungsversuche des rumänischen Geheimdienstes „Siguranta“ bzw. „Securitate“ um einen rumäniendeutschen Dichter jüdischer Herkunft aktenkundig berichtete: „Ein unsicherer Kantonist. Die Securitateakte des Dichters Alfred Margul-Sperber“.

Sodann übernahm Peter Motzan die Moderation und kündigte die drei nächsten Vorträge an: „Ein kurzlebiger Erneuerungsversuch. Anmerkungen zur Czernowitzer Zeitschrift ,Wandlung’ – 1932“ (Prof. Dr. George Gutu / Bukarest), „Vom Land der ,Buche’ zum U-Topos. Landschaftsentwürfe in der Dichtung Paul Celans (Prof. Dr. Jürgen Lehmann / Freiburg und Erlangen) und „Überraschung (Unberechenbarkeit) und Provokation als poetische Maximen. Die Lyriker Franz Hodjak und Paul Wühr“ (Prof. Dr. Volker Hoffmann / München). Nach diesem kultur- und literaturwissenschaftlichen Part folgten drei linguistisch angelegte Vorträge, die Einblick in einige umfangreichere, vom IKGS initiierte oder geförderte Projekte gewährten: „Der Status des Deutschen und der Stand seiner Erforschung in Ostmittel- und Südosteuropa“ (Prof. Dr. Hermann Scheuringer / Regensburg), „Sprachliche Prägungen bei Minderheitensprechern am Beispiel der deutschen Sprachminderheiten in Ostmitteleuropa“ (Prof. Dr. Elisabeth Knipf-Komlósi / Budapest) sowie „Audio-Atlas Siebenbürgisch-Sächischer Dialekte“ (Prof. Dr. Thomas Krefeld, Dr. Thomas Lücke – beide München). Die Tagung wurde am nächsten Tag mit zwei weiteren Modulen fortgesetzt. Das erste von Jürgen Lehmann moderierte Modul gab folgenden Teilnehmern Anlass zu weiteren Vorträgen: Prof. Dr. András Balogh (Klausenburg) sprach über „Mehrsprachigkeit und Muttersprache in der deutschen Literatur aus Südosteuropa“, Prof. Dr. Mira Miladinovic-Zalaznik präsentierte „Anastasius Grün als Mäzen der Krainer Kulturszene. Dargelegt an einigen Fallbeispielen“, und Dr. Wolfgang Kessler (Herne) befasste sich mit der Frage „Im Abseits oder marginal? Die Deutschen in Jugoslawien als Thema südostdeutscher Kulturarbeit und Forschung nach 1945“.

Drei geschichtswissenschaftliche Vorträge ergänzten die Palette der Forschungsergebnisse und -ausrichtungen des IKGS: „Deutsche Staatsbürger im Königreich Ungarn im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft“ (Dr. Juliane Brandt / München), „Mehrheit, Minderheit, Migration? Die europäische Neuordnung nach dem Ersten Weltkrieg“, und „Das IKGS-Forschungsprojekt ,Totalitarismus in multiethnischen Regionen Südosteuropas’ – ein Abschlussbericht.“
All die genannten Vorträge gingen thematisch relevante und zu angeregten Diskussionen führende Forschungsaspekte an, die beim Publikum auf ungeteiltes Interesse stießen. Sowohl die Vorträge als auch die Diskussionsbeiträge wiesen sowohl auf eindeutig als gelungen anzusehende Forschungsleistungen als auch auf Defizite der zehnjährigen Tätigkeit des IKGS, vermerkten kritisch auch Mängel in der thematischen Erfassung des allerdings sehr großen geografischen Areals, mit dessen deutscher Kultur und Geschichte sich die nun zehn Jahre junge akademische und Forschungseinrichtung befasst.
Generell wurden die Existenz und die Leistung des IKGS im Rahmen eines umfangreichen Netzes von Kultur- und Forschungseinrichtungen in Deutschland, die jeweils verschiedene Aspekte des deutschen Kultur- und Spracherbes in Mittel-, Ost- und Südosteuropa erforschen, als hochwertig, aktuell und nützlich im Sinne der Bewahrung eines wechselvollen, oft tragischen, aber eindeutig zukunftsorientierten kollektiven Erinnerungsvermögens gewürdigt.