Ungeschichtliches Drama

Zur Premiere von Dürrenmatts „Romulus der Große“ an der deutschen Bühne Hermannstadt

Daniel Plier spielt Romulus den Großen.

Romulus Pali Zeno, der Kaiser von Ostrom, wird von Pali Vecsei dargestellt.
Fotos: Andrey Kolobov

Der Wunsch der deutschen Abteilung des Hermannstädter Staatstheaters, ein Großprojekt auf die Bühne zu bringen, um damit an die Tradition der verflossenen Jahre anzuknüpfen und der rumänischen Sektion qualitätsmäßig zumindest in die Nähe zu rücken, wenn schon nicht ebenbürtig zu sein, ist berechtigt. Mehrere Inszenierungen der letzten Jahre deuteten darauf hin, dass man diesem Ziel nicht allzu fern ist. Zum Auftakt der Spielzeit 2013/2014 sollte mit der Aufführung von Friedrich Dürrenmatts „Romulus der Große“ ein weiterer Schritt getan werden. Grandios ist die Inszenierung – die Meinungen gingen auseinander, ob die eingeschlagene Richtung zum gewünschten Ziel führen wird.

Die Spielleitung lag in den Händen von Anca Bradu, deren Inszenierungen an der rumänischen Abteilung nicht alle überzeugen konnten. Sie wählte das 1949 uraufgeführte Stück von Dürrenmatt aus, der dieses selbst als „ungeschichtliche historische Komödie“ untertitelte, wegen der geschichtsfernen Behandlung des Themas um den Untergang des Römischen Reiches. Das Stück wird gern von Schüler- und Laientruppen aufgegriffen, weil es als historischer Stoff mit Aktualitätsbezügen lehr- und inhaltsreich ist und sich mit viel Schwung und Ironie auf die Bühne bringen lässt. Die Inszenierung an der deutschen Abteilung wirkte übertrieben ernst und konnte nur wenig Lachen auslösen. Aus der Komödie in vier Akten wurde ein in zwei Stunden (ohne Pause) gespieltes Drama. Die behandelte Problematik – die Kritik an Reichen (dem Römischen und dem Deutschen), die durch Er-oberungen entstanden, in denen Gewalt und Korruption an der Tagesordnung sind, deren Machthaber durch List oder Gewalt an die Macht kamen – kann diese Interpretation nahe legen. Wer das Stück jedoch mal als Komödie erlebt hat, war enttäuscht.

Das Anfang der 1990er Jahre totgesagte deutsche Ensemble hat derzeit 13 fest angestellte Mitglieder, fünf Gastschauspieler und in Anna Neam]u eine eigene Leitung, so das (diesmal gute und fast fehlerfreie) Programmheft. In der Romulus-Inszenierung wurde einmal mehr deutlich, welch reeller Gewinn die aus dem deutschsprachigen Ausland nach Hermannstadt gekommenen Schauspieler sind. Der Luxemburger Daniel Plier als Romulus war sprachlich – und er spielte in Deutsch, Französisch, Rumänisch und Italienisch – und vom Spiel her ein Genuss, der Österreicher Wolfgang Kandler überzeugte diesmal als Ämilian und der Deutsche Daniel Bucher stellte sowohl Innenminister Tullius Rotundus als auch Odoaker überlegen dar.

Zu loben der Einfall, Johanna Adam und die Schweizerin Nathalie Sigg als geishahaft trippelnde Kammerdiener mit Cleopatra-Perücke auftreten zu lassen, etwas zu lau hat der als Gast mitwirkende Ungarndeutsche Andrei Hansel den Hosenfabrikanten Cäsar Rupf gebracht, keine sehr glückliche Besetzung war der weitere Gast, Cristina Juks vom Theater aus Neumarkt/Tg. Mureş, die insbesondere sprachlich der Rolle als Julia, der Gattin von Romulus, nicht gewachsen war. Gut gespielt hat auch diesmal Anca Cipariu als Tochter Rea, gefallen haben die Ensemblemitglieder Renate Müller-Nica (Phylax), Iulia-Maria Popa (Theoderich) und Eva Ungvari (Koch) in kleineren Rollen.

Nur zum Teil gelungen ist der Griff von Regisseurin Anca Bradu, Mitglieder der rumänischen Abteilung in die Aufführung einzubeziehen. Überzeugend wirkt (auch diesmal) Pali Vecsei als Zeno, Kaiser von Ostrom, und das durchgängig von ihm, der aus dem Byzanz kommt, gesprochene Rumänisch war vertretbar. Dass mit dem Kunsthändler – dargestellt von Adrian Neacşu – Französisch parliert wurde, ging noch an, das Kauderwelsch von Cătălin Neghină (als Kriegsminister Mares) jedoch war unverständlich. Multikulti und Mehrsprachigkeit wurden leider  überstrapaziert.

Die grandiose Ausstattung und Aufmachung mit Lichtdesign sowie Gesang konnten über das mangelhafte (Regie)Konzept nicht hinwegtäuschen. Das Bühnenbild und die Kostüme suggerierten die Opulenz im Römischen Reich – selbst wenn Romulus auf seinem Landsitz lebt und Hühner züchtet. Diese waren in den weißen Tüll- und Federkostümen köstlich – und die als schwarze Hühner erscheinenden Germanen ein gelungener Kunstgriff. Insgesamt muss man jedoch die Frage stellen, ob die Botschaft des Stückes mit einfacheren aber witzigen Kniffen nicht besser herübergekommen wäre.