Zeitgenössische Literatur im Goethe-Institut

Julia Wolf und Bogdan Coşa im Gespräch mit Alexandru Şahighian

Bogdan Coşa, Julia Wolf, Alexandru Şahighian und die Leiterin des Goethe-Instituts, Dr. Evelin Hust (v.l.) in der Bukarester Bibliothek der Kulturinstitution
Foto: Aida Ivan

„Kaum etwas war meiner Laune zuträglicher als die Rennen, und wenn sie zu Ende waren, machte ich mich zum Spaziergang auf und lief durch die Gassen, bis mich der kalte Wind des Winters ermüdete und dazu brachte, mit stierem Blick Ausschau zu halten nach der nächsten Bar, in der ich mich an meine Liebe und an meine Träume erinnern wollte, die mich blödsinnigerweise verlassen hatten.“ Die Poesie, die von dem von Bogdan Coşa gelesenen Text ausgeht, schwebt in der Luft der Bukarester Bibliothek. Das zahlreiche Publikum befindet sich in einem modern ausgestatteten Raum, doch verweilt es im Geiste in den von den Autoren beschriebenen Räumlichkeiten, unter anderem in der dunklen Wohnung der Hauptfigur in einem der schlimmsten Bukarester Winter: Tudor Klein aus dem Roman Coşas durchlebt tiefste Depressionen und erzählt seine Geschichte. Der Schriftsteller liest gerade aus „Poker. Black Glass“.

Anfang letzter Woche hat in der Bukarester Bibliothek des Goethe-Instituts eine zweisprachige Lesung stattgefunden. Die Veranstalter haben sich zum Ziel gesetzt, zwei Gegenspieler-Autoren mit ähnlichen Befindlichkeiten, derselben Generation angehörend, zu präsentieren. Eingeladen wurden zwei Stipendiaten des Hessischen Literaturrats: die deutsche Autorin Julia Wolf und der rumänische Schriftsteller Bogdan Coşa. Nach dem Einführungswort, das die Leiterin des Goethe-Instituts, Dr. Evelin Hust, hielt, haben sich die Autoren mit dem Literaturübersetzer Alexandru Al. Şahighian über ihre Werke unterhalten.

Vor ungefähr zehn Jahren hat das Bundesland Hessen, das kulturelle Kontakte mit europäischen Partnerregionen pflegt, literarische Projekte auch mit Rumänien ins Leben gerufen. Rumänischer Partner ist die Stiftung für Poesie von Mircea Dinescu. Voriges Jahr wurde Julia Wolf Stipendiatin des Hessischen Literaturrats in Cetate (Kreis Dolj). Im Rahmen desselben Programms werden Stipendienaufenthalte in der hessischen Landeshauptstadt für literarisch Arbeitende vermittelt, so wie Bogdan Coşa vor zwei Jahren im Literaturhaus Wiesbaden zu Gast war. Beide Schriftsteller haben von ihren Erfahrungen in Cetate und in Wiesbaden berichtet: Für den rumänischen Schriftsteller war es das erste Mal, dass er ein Stipendium erhält. „Wiesbaden ist eine Art Sinaia, aber irgendwann wurde es würgend für mich. Ich besuchte manchmal Mainz, weil es eine ärmere Stadt war und ich es als mir näher empfand“, erklärte Coşa.

Julia Wolf las aus ihrem Debütroman „Alles ist jetzt“ (Frankfurter Verlagsanstalt 2015), der mit dem Kunstpreis Literatur 2015 der Brandenburg Lotto GmbH ausgezeichnet wurde. Die Autorin schreibt Prosa und Szenisches für Theater, Radio und Film, voriges Jahr wurde sie Stipendiatin in der MacDowell Colony in New Hampshire in den USA. Die Hauptfigur ihres Romans, Ingrid, durchlebt Schmerz und Leid, Enttäuschung und Verlorenheit. Schon als Kind hat Ingrid viel erlitten, immer noch wird sie mit den Wunden aus der Vergangenheit konfrontiert. Und trotzdem bringt sie ihre Gefühle nicht zum Ausdruck, sie scheint alles passiv zu erdulden.

Eine tiefe Einsamkeit erlebt auch Tudor Klein, die Hauptfigur in Coşas Roman. Diesen betrachet Şahighian als lakonisch und schwarz. Der Schriftsteller wurde 2010 mit dem Preis für den besten Debütroman des Verlags Cartea Românească ausgezeichnet sowie mit dem Preis für den besten jungen Schriftsteller 2013. Coşa erklärt, wie sein erster Roman entstanden ist: „Einer meiner Freunde hatte Geburtstag. Er war sehr reich und ich wusste nicht, was ich ihm schenken soll. Dann habe ich alles aufgeschrieben, was wir zusammen vor dem Studium erlebt haben. Ursprünglich war es ein Geschenk für ihn.“ 2013 folgte der zweite Teil, der Roman „Poker. Schwarzes Glas“. Im selben Jahr erschien auch der Gedichtband „O formă de adăpost primară“(Eine primäre Schutzform).

So wie Ursula Ackrill, eine Schriftstellerin, die unlängst zu einer Lesung ins Goethe-Institut eingeladen wurde (ADZ, 19.2.: „Ursula Ackrills Hommage an Bukarest“), ist Bogdan Coşa in Zeiden/Codlea geboren. Coşa studierte Literaturtheorie in Bukarest, vorher musste er sich zwischen einem Mathematikstudium und einem Studium der rumänischen Literaturwissenschaft entscheiden. Um die Beziehung des Schriftstellers zur Literatur hervorzuheben, zitiert Şahighian aus einem Interview mit Coşa: „Bei Literatur muss eine Bedingung erfüllt werden: Literatur muss im Mittelpunkt stehen, nur sie. Am Anfang war dieses Zentrum ein äußeres, es war die Hauptstadt. Ich kam hierher, um ein Masterstudium abzuschließen (...). Ohne zu wissen, dass das Zentrum umgezogen ist, konnte ich die Literatur in mir spüren, so wie ich sie in Kronstadt gefühlt hatte, in all den Jahren, in denen ich nichts geschrieben habe.“