Zum 80. Geburtstag des bildenden Künstlers Mircia Dumitrescu

Ausstellung im Theodor-Pallady-Saal der Rumänischen Akademiebibliothek

Am 3. Juli ist der Maler, Zeichner, grafische und plastische Künstler Mircia Dumitrescu achtzig Jahre alt geworden. Geboren wurde er im Jahre 1941 in C˛scioarele im Kreis Ilfov. Nach seiner Gymnasialzeit in Bukarest studierte Mircia Dumitrescu von 1959 bis 1965 am Institut für Plastische Kunst „Nicolae Grigorescu“. Seine akademischen Lehrer waren Vasile Kazar, Eugen Schileru, Horia Teodoru, Gheorghe Ghiţescu, Stelian Panţu und Petru Achiţenie. Nach dem Studium arbeitete Mircia Dumitrescu als Kunstlehrer an einem Bukarester Gymnasium.

Im Jahre 1969 wurde Mircia Dumitrescu in den Verband der bildenden Künstler Rumäniens aufgenommen. Von 1975 bis 1990 war er Sekretär der Grafikabteilung dieses Verbandes. Unmittelbar nach der Wende wurde er Hochschullehrer an der Bukarester Kunstakademie, wo er von 1990 bis 2008 den Lehrstuhl für Grafik innehatte. Im Jahre 2013 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Rumänischen Akademie (Abteilung Kunst, Architektur und Audiovisuelles) gewählt.

Anlässlich des 80. Geburtstages von Mircia Dumitrescu ist während des gesamten Monats Juli im Theodor-Pallady-Saal der Rumänischen Akademiebibliothek (Eingang vom Bukarester Bulevardul Dacia her im ersten Gebäude rechts) eine Ausstellung mit Werken des Künstlers und Kunstprofessors zu sehen, die hauptsächlich in den letzten Jahren, auch noch nach Ausbruch der Pandemie, entstanden sind. Es handelt sich um Holzschnitte, Radierungen, Zeichnungen, Aquarelle sowie um Holzskulpturen.
Die Ausstellung ist den Eltern des Künstlers, B˛la{a und Atanase Dumitrescu, gewidmet. Eine farbige Zeichnung aus dem Jahre 2000, die im Theodor-Pallady-Saal zu sehen ist, zeigt die Mutter des Künstlers. Nach dieser Zeichnung hat Anna-Mária Orbán, Textilkünstlerin und -designerin, Hochschullehrerin an der Nationalen Universität der Künste Bukarest und Gattin des Jubilars, eine Tapisserie gewoben, die ebenfalls in der Ausstellung der Rumänischen Akademiebibliothek bewundert werden kann.

Die Bukarester Ausstellung mit dem Titel „Călătoria“ (Die Reise) reiht sich ein in eine Folge aktueller Ausstellungen, die allesamt dem Werk Mircia Dumitrescus gewidmet sind. Soeben ist im Nationalmuseum Cotroceni in Bukarest eine Ausstellung Mircia Dumitrescus zu Ende gegangen, die dem Andenken seiner Großeltern, Manda und Ion Dospina, gewidmet war und die den Titel „Rumänische Landschaft mit Menschen und Heiligen“ trug. Noch während des gesamten Monats Juli ist im Nationalmuseum Brukenthal in Hermannstadt eine Ausstellung mit dem Titel „Der Dialog der Techniken“ zu besichtigen, die zwei für Mircia Dumitrescu wichtigen Menschen gewidmet ist: seinem akademischen Lehrer, Eugen Schileru, sowie seinem Freund, dem Dichter Nichita St˛nescu. Und das Nationale Kunstmuseum Rumäniens eröffnet im Oktober unter dem Titel „Perspektiven“ eine weitere Ausstellung von Werken Mircia Dumitrescus, die das gesamte Schaffen des Künstlers unter die Lupe nimmt und dabei vor allem Parallelen zwischen dem Jugend- und dem Alterswerk zu ziehen unternimmt.

Man betritt die Bukares-ter Ausstellung mit dem Titel „Călătoria“ (Die Reise) durch einen schmalen Gang, in dem das von einer Holzskulptur geschmückte Ausstellungsplakat sowie zwei Holzschnitte aus dem Jahr 2020 („Zeichen 1“ und „Zeichen 2“) aufgehängt sind. Danach öffnet sich das abgewinkelte Foyer, das ebenfalls als Ausstellungsraum genutzt wird. Man sieht dort drei Holzschnitte aus dem Zyklus „Kosmische Einsamkeiten“ (2020) sowie über dreißig Kunstwerke, die zum Zyklus „Hommage an Peter Greenaway“ (2020) gehören. Der Titelvorschlag zu diesem Zyklus stammt nicht von ungefähr von einem Filmemacher, dem Regisseur und Universitätsprofessor Copel Moscu.

Bei diesem Zyklus „Hommage an Peter Greenaway“ handelt es sich zunächst um acht Holzschnitte, die den Eindruck tiefer Schwärze hinterlassen. Als Kontrast dazu folgen dann zwei Dutzend Aquarelle, die alle in Rottönen gehalten sind und allesamt sexuelle Themen behandeln. Die in Vierergruppen eingeteilten figurativen Aquarelle tragen folgende Titel: Ehebruch, Prostitution, Pädophilie, Inzest, Voyeurismus und Nekrophilie. Der Schwerpunkt liegt hierbei aber nicht auf der Darstellung sexueller Perversionen, sondern auf dem Aspekt der körperlichen, seelischen, gesellschaftlichen und strukturellen Gewalt, die in diesen Akten sexueller Dominanz und Devianz zum Ausdruck kommt.

Betritt man dann den Theodor-Pallady-Saal, den dritten und zentralen Raum der Dumitrescu-Ausstellung der Rumänischen Akademiebibliothek, so fällt der Blick unmittelbar auf ein Holzgestell nach Art eines Lesefaltpultes, auf dessen zwei Meter langen schmalen Flügeln bedruckte Papierbänder ausgelegt sind. Auf dem linken Pultflügel erblickt man ein Gedicht von Nichita St˛nescu aus dem Jahr 1981 mit dem Titel „La călătoriile lui Mircia Dumitrescu“ (Über die Reisen des Mircia Dumitrescu), das man in der Ausstellung zudem in einer handschriftlichen Version (Bleistift auf Papier) bewundern kann. Auf dem rechten Pultflügel ist dann ein Blatt des Holzschnittzyklus „Nichita heute“ (1982-2008) zu sehen und man ist als Betrachter versucht, die darunter liegenden Holzschnitte aufzublättern, wenn es nur erlaubt wäre. Übrigens findet sich in der Ausstellung auch eine Bleistiftzeichnung von der Hand des Dichters Nichita Stănescu mit dem Titel „Mircia Dumitrescu zeichnend“.

Das Motiv der Reise, das ja auch der Ausstellung ihren Namen gegeben hat, kehrt im Zyklus „Der große Reisende“ (1981) wieder, von dem im Theodor-Pallady-Saal neun Zeichnungen und neun motivisch nahezu identische Radierungen zu sehen sind: je vier Landschaftsimpressionen (Blicke aus dem Busfenster), je vier Innenansichten aus Bussen sowie je ein Ganzkörperporträt en face, das aus drapierten Reisekleidungsstücken zusammengesetzt ist, wobei der „große Reisende“ sich aus seinen diversen Kleiderhüllen absentiert hat. Das Thema der Reise wird dann in dem Zyklus „Die Reise“ (2020) fortgeführt, von dem in der Ausstellung zwölf großformatige Farbzeichnungen zu sehen sind: Interieurs aus Stadtbussen und ein weit offenes Auge mit langen Wimpern.

Fünf Holzschnitte aus dem Zyklus „Die Stühle“ (2020-2021) sowie ein (teilweise fehlerhaft von Nicolae Breban ins Rumänische übersetztes) Gedicht von Rainer Maria Rilke, das Schlussstück „Der Tod ist groß“ aus dem „Buch der Bilder“, von dem man nicht genau weiß, wie es in die Ausstellung geraten ist, beschließen dann das Ensemble der Exponate an den Wänden und lenken die Augen des Betrachters zurück in die Saalmitte, wo einige der unnachahmlichen, unverkennbaren und un-übertrefflichen Holzskulpturen Mircia Dumitrescus aufgestellt sind: die Doppelskulptur „Mönch und Nonne“ (2016) aus ausgehöhlten Baumstämmen, aus denen nur die Hände und Köpfe der Ordensleute vorherragen; das Figurenensemble „Die Jakobsleiter“ (2020), bei der vor allem die beiden Hunde den Blick des Betrachters in ihren Bann ziehen; und schließlich die Skulptur „Tellurisch“ (2020-2021), die der Künstler „Selbstporträt in der Pandemie mit Karyatide und Drachenkopf“ untertitelt hat.

Wenn man dann den Theo-dor-Pallady-Saal wieder verlässt, kann man abschließend noch einen Blick auf eine im Foyer aufgestellte Holzfigurengruppe von Mircia Dumitrescu werfen. Hier sieht man Dulcinea, die Geliebte von Don Quijote, und hoch zu Ross thront dort der edle Ritter selbst, auch ein „großer Reisender“ auf der Gratwanderung zwischen Wirklichkeit und Illusion, von dessen Zügen, wie Kafka in seinem kurzen Prosastück „Die Wahrheit über Sancho Pansa“ schreibt, der Betrachter „eine große und nützliche Unterhaltung bis an sein Ende“ davontragen mag.