Auf der Höhe der Zeit

Brandneue Theateragentur des TNRS

Intendant Constantin Chiriac bei der Vorstellung der neuen Theateragentur | Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt - „Dieser Raum hier hätte genauso gut auch eine Konditorei oder eine Krapfen-Verkaufsbude sein können“, bemerkte Architekt Dorin Ștefan Adam am Montagmittag, 31. Mai, im neuen Interieur der Theateragentur auf der Heltauergasse/Nicolae Bălcescu in Hermannstadt. Denn vom Essbaren und Materiellen alleine kann der Mensch nicht leben. Eine Gesellschaft, die für Kultur wenig oder gar nichts mehr übrig hat, steuert unweigerlich auf ihre Selbstverarmung zu. Im Gründer der bald zehn Jahre alten GmbH Mânădelucru SRL aber hat Constantin Chiriac, Intendant des Radu-Stanca-Theaters Sibiu (TNRS) und des Internationalen Theaterfestivals Hermannstadt (FITS), einen von zahlreichen Mitstreitern ausgemacht, denen die Welt ringsum weitaus mehr als nur ein Umschlagplatz für geldliche Überweisungen bedeutet. Die Agentur des TNRS auf der Heltauergasse Nummer 17 wurde für gut 380.000 Lei aus dem Stadthaushalt von Grund auf saniert und ist gestalterisch kaum wiederzuerkennen. Ab sofort machen das Reservieren und Bezahlen von Eintrittskarten über den klassischen Weg an der Vorverkaufskasse von Angesicht zu Angesicht wieder Freude.

Aus dem kalten und plumpen Innenraum all der vielen Jahre bisher ist ein Großraumbüro mit Bibliothek, Internetzugang, Toilette und Abstellkammer entstanden, das keinen einzigen Zentimeter hinter den Vorstellungen von Constantin Chiriac zurückbleibt. Dass die hochauflösenden Videobildschirme an den Seitenwänden links und rechts des Eingangs mit Best-Qualität der Marke Samsung gespeist werden, versteht sich von selbst. Nicht zu vergessen auch die sechs kleinen Klapptische mit Büroleuchten vor den Bibliotheksregalen, an denen die Studierenden der Theaterausbildung an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS) kostenlos im Online-Archiv des TNRS stöbern können werden. Doch auch Fans vom Recherchieren schwarz auf weiß gedruckter Informationen kommen hier voll auf ihre Kosten: nebst Literatur von Hölderlin, Herder, Kleist sowie deutschsprachigen Büchern von und über Brecht aus DDR-Zeiten liegen in den Bibliotheksregalen der neugestalteten TNRS-Agentur auch rumänische Schmöker von internationalen Kapazitäten wie George Banu und Octavian Saiu auf. Die dreibändige Monografie „Istoria Teatrului la Botoșani“ von Ștefan Cervatiuc in diesem Angebot geht wahrscheinlich auf Constantin Chiriac zurück, der selbst aus dem moldauischen Prisăcani im regionalen Nachbarkreis Jassy stammt.

Seit Dienstag, dem 1. Juni, darf das TNRS wie auch alle anderen Häuser Rumäniens seine Vorstellungen um bis zu 70 Prozent der maximalen Zuschauerkapazität ausverkaufen. Ginge es nach Chiriac, würden pünktlich zum FITS 2021 Ende August sämtliche Beschränkungen aufgehoben. Aber der umtriebige Intendant aus Hermannstadt scheut das Risiko vorschneller Freudenausbrüche und wird den Kartenvorverkauf für das zehntägige Fest absichtlich spät freischalten. Nicht einmal er weiß genau, welche pandemischen Inzidenz-Werte der Sommer zu bringen verspricht. Auf die ethisch nicht unproblematische Frage, ob der Zuschauerzugang zum FITS 2021 zwingend an die Covid-Schutzimpfung gebunden sein könnte, äußerte Constantin Chiriac einzig und allein den Wunsch, „nicht diskriminieren zu wollen.“