„Brüssel zu Realitätssinn aufrufen!“

Bürgermeister Popa fordert angesichts der Pandemie mehr Realismus in den Investitionsplanungen

Reschitza – Durch die Probleme, die alle Sektoren der Verwaltung und der Wirtschaft wegen der Pandemie zu bewältigen haben, muss der Plan der Stadt Reschitza, Straßenbahnen im Nahverkehr (wieder) einzuführen, um weitere fünf Monate aufgeschoben werden. Dies die Ankündigung, mit der der Reschitzaer Bürgermeister Ioan Popa in ein über virtuelle Kanäle stattgefundenes Rundtischgespräch mehrerer Bürgermeister mit dem Ministerium für Entwicklung, Öffentliche Arbeiten und Verwaltung sowie mit mehreren Regionalen Entwicklungsagenturen einstieg, das von Grațian Mihăilescu, dem Gründer und Leiter der Bürgerplattform „UrbanizeHub“ organisiert wurde.

Die Entwicklungsagenturen, seit nicht allzu lange zurückliegender Zeit eine Art „verlängerter Arm“ der Finanzierungsorganismen der EU, sollten gegenüber Brüssel entschlossener und unnachgiebiger auftreten, um das bisherige Abschlusssystem von EU-Projekten (das „Prinzip n+3“, das heißt, Fertigstellungstermine von EU-finanzierten Projekten können um maximal drei Monate überzogen werden, wenn sie von der EU verrechnet werden sollen, ansonsten geht das Geld aus Brüssel verloren und die Antragsteller müssen selber die Kosten tragen) an die „Sonderbedingungen der Arbeit unter Pandemiebedingungen“ anzupassen. Im Klartext: wegen der Pandemie treten Verzögerungen der Projektumsetzung auf, die – realistisch gesehen - niemand anzulasten, also objektiver Natur sind. Denen man also Rechnung tragen muss, wenn man die Dinge sowohl vom Standpunkt der Finanzierer, als auch der Projektausführer betrachtet. Fertigstellungstermine müssen „flexibilisiert“ werden.

Wenn die Nationalen Resilienz- und Wiederaufbauprogramme ihrer Mission als Wiederaufbauprogramme nach den Folgen der Pandemie gerecht werden sollen, müssen sie mit Flexibilität anzuwenden sein, forderte Ioan Popa, und meinte, ein solcher Standpunkt müsse von den (theoretisch) parteineutralen Entwicklungsagenturen – aber auch von den einschlägigen nationalen Ministerien – vor Brüssel mit Standfestigkeit und Entschlossenheit vertreten werden. Eine „Implementierung urbaner Politik“ – so das Thema des Rundtischgesprächs, zu dem UrbanizeHub aufgerufen hatte – laufe sonst an den Realitäten vorbei, die unter dem Druck von Verzögerungen durch die Folgen der Pandemie auftreten und niemand als „Schuld“ anzulasten sind.

„Ich finde, es ist kontraproduktiv, in dieser Causa gegenüber Brüssel allzu weich aufzutreten. Wenn wir uns in solcherlei Angelegenheiten wie die Umsetzung des Finanzierungszyklus 2014-2020 an die Europäische Kommission wenden, müssen wir dafür plädieren, dass unter Pandemiebedingungen „n+3” ad absurdum geführt wird. Diese Pandemie ist kein dummer Witz, war das nie. Enorm viele sind durch sie blockiert worden. Gerade deshalb ist doch das Resilienz- und Wiederaufbauprogramm auf die Beine gestellt worden. Damit soll einem wirtschaftlich-sozialen Niedergang innerhalb der EU Einhalt geboten werden. Wenn wir also Terminverlängerungen im Finanzzyklus 2014-2020 beantragen, gibt es dafür triftige Gründe. Dazu kommen die starken Verteuerungen der Baumaterialien und die ganze daraus resultierende Kaskade an Preiserhöhungen im Infrastrukturbau. Auch dem muss Rechnung getragen werden.“

Ioan Popa ging dann konkret auf die Ausschreibungsanullierung und die Neuausschreibung der Arbeiten für die Wiedereinführung des Straßenbahnverkehrs in Reschitza ein: „Wir hatten die Ausschreibung für die tiefgreifenden Infrastrukturarbeiten in Reschitza. Die Firmen um Strabag und Alstom haben beide überlizitiert: die eine wollte 39 Prozent mehr Geld, die andere 45 Prozent mehr, beide aufgrund genauer – und aktueller – Berechnungen. Das hat uns gezwungen, vom Projektanten eine Neuberechnung der Kostenvoranschläge zu fordern. Wir kamen auf ein Plus von 34 Prozent. Damit haben wir diese Woche die Neuausschreibung gestartet. Aber: statt jetzt, im September, den Ausführungsvertrag zu unterzeichnen, wird das frühestens im Januar-Februar 2022 geschehen. Das sind pandemiebedingte Verzögerungen, absolut objektiver Natur! Wie sollen wir dann den Fertigstellungstermin einhalten?! Sowas wirft uns in schwere Krisen.“