Die Kultur der Siebenbürger Sachsen in Theorie und Praxis

Brukenthalschüler gehen auf geschichtliche Erkundungsreise

Denisa Iuga (l.) und Adelina Constantinescu (r.) in Alzen beim Zusammenkleben der Keramik
Foto: der Verfasser

Hermannstadt - „Es war wie ein längere Geschichtsstunde und das war sehr schön“, so ein Schüler-Kommentar zur Projektwoche „Schule anders“, die an der Brukenthalschule vom 26. bis 30. März stattgefunden hat. 11 Schüler der Klasse 6D hatten in diesem Rahmen die Möglichkeit, tiefer in das Thema „Kultur der Siebenbürger Sachsen in Theorie und Praxis“ einzutauchen. Das taten sie beispielsweise in der Kirchenburg von Heltau/Cisnădie, wo sie am Montag, angeleitet vom Küster Bell, auf Erkundungstour gingen. Vorbereitet wurde diese durch einen von Ruth Istvan und Aurelia Brecht (Stiftung Kirchenburgen) gestalteten Stationen-Workshop in der Brukenthalschule. Anhand einer Karte mit deutschen und rumänischen Ortsnamen, sollten die Kleingruppen die Dörfer zu den ausgewählten Kirchenburgen suchen. An einer anderen Station wurde erprobt, wie Grundrisse und Gebäudezeichnung zusammenpassen – die Schüler ordneten insgesamt 10 Isometrien, die dem Grundlagenwerk von Hermann Fabini entnommen sind, ihren Kirchenburgen zu. Eine dritte Station veranschaulichte die verschiedenen Kirchenburgenarten und deren Charakteristika zu verschiedenen Zeiten. Auch das bereits bestehende Kirchenburgen-Memory sowie das Kirchenburgen-Quartett wurden in das Stationenlernen integriert.

Roxana Birlea, Adelina und Laurentiu Constantinescu, Antonia Dancu, Mara Frincu, Stefan Maxim, Sorana Mitricel-Sirbu, David Panaiot, Larisa Petru, Sara Toma-Thal und Denisa Iuga fuhren dann am Dienstagmorgen nach Alzen/Alțâna, wo Stefan Vaida einen Keramikworkshop vorbereitet hatte, bei dem die Jungen und Mädchen sächsische Kacheln säubern, zusammensetzen und zusammenkleben konnten. Der junge Restaurator hat auf einem Grundstück am Rübengraben/Riepengruawen ein altes Bauernhaus restauriert und dort das „Interethnische Museum des Harbachtals“ errichtet. In den drei Stuben, die von den Schülern auch besichtigt wurden, hat er einen Teil jener Exponate arrangiert, die er zusammen mit seinem Bruder Eugen in 15 Jahren Sammlertätigkeit aus 25 bis 30 Dörfern des Harbachtals zusammen getragen hat. Jede Stube ist einer Volksgruppe gewidmet. Es gibt ein sächsisches, ein rumänisches, ein ungarisches und ein Roma-Zimmer. Die meisten Exponate – darunter Stollentruhen, Kästen, Spinngerätschaften, Handwerkszeug, Fotos, Trachten und vieles mehr – haben die beiden gekauft, nur ein kleiner Teil stammt aus Schenkungen.

Mittwochmorgen forschten die Schüler dann im „Museum der Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ im Teutsch-Haus. Das Museum vermittelt, laut Eigendarstellung, einen detailreichen Gesamteindruck der Geschichte der Evangelischen Kirche A. B. im heutigen Rumänien sowie des Gemeinde- und des gottesdienstlichen Lebens der Siebenbürger Sachsen. Nach einer Einführung von Museumsdirektorin Heidrun König beschäftigten sich die Schüler in Kleingruppen mit dem Aufbruch der Sachsen nach Siebenbürgen, den Kirchenburgen, der Reformation, dem kirchlich begleiteten Leben, der Schule, den Pfarrern und Lehrern, der sakralen Kunst sowie mit der Zeit der Gegenreformation bis ins späte 20. Jahrhundert. Im Zentralarchiv der evangelischen Landeskirche, welches sich ebenfalls im Teutsch-Haus befindet, lösten die Teilnehmer anschließend einige Übersetzungsübungen „Sütterlin - Deutsche Normalschreibschrift“ bzw. „Fraktur - Deutsche Normaldruckschrift“. Von Archivar Andras Bandi lernten sie auch, dass das Zentralarchiv 2004 gegründet wurde, um das teilweise jahrhundertealte Schriftgut christlich-evangelischen Lebens in (Groß-)Rumänien, aber auch siebenbürgisch-sächsischen Lebens in Siebenbürgen, zu sichern und zu bewahren. Infolge der massiven Auswanderung von Kirchenmitgliedern wurden Gemeindearchive in großer Zahl aufgelöst bzw. ungeschützt zurückgelassen. Im Archiv werden diese kulturhistorisch bedeutsamen Kulturgüter seitdem systematisch gesammelt, erschlossen und für die wissenschaftliche Arbeit zugänglich gemacht.

Eines der schönsten Erlebnisse war für viele Schüler der „Honigtag“ am Donnerstag in Hahnbach/Hamba. Dort haben Willy Tartler und Anja Schneider das Pfarrhaus und die ehemalige Schule gepachtet und kümmern sich auch um die Kirche und den Friedhof. Im Garten gibt es eine Imkerei und die Schüler wurden mithilfe der Techniken Bienenbeobachtung, Honigverarbeitung und Honigernte für elementare ökologische Zusammenhänge sensibilisiert. Die Schüler erweiterten so ihr Wissen über die Honigbiene. Außerdem gab auch eine Honigverkostung und das weitläufige, urige Gelände der Hahnbacher Kirchenburg wurde ausgiebig durchkämmt.

Der Schauplatz des letzten Projekttages war das Historische Museum im Altemberger-Haus. Die Ausstellung, durch die die Teilnehmer geführt wurden, hat die Siedlungsgeschichte Südsiebenbürgens von der Steinzeit bis zum Mittelalter zum Inhalt. In chronologischer Reihenfolge erlebten sie von Saal zu Saal die Entwicklung menschlicher Habitate: eine Höhlenwohnung, dann die Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Hauses, es folgt die Kupfersteinzeit, dann die Bronzezeit und frühe Eisenzeit. Saal 6 beherbergt die Nachbildung eines dakischen Heiligtums. In Saal 7 wurde eine römische Wohnung aus Pappmaché nachgebildet, und im letzten Saal wird ein mittelalterlicher Wohnraum vorgestellt. Sergiu Chidesa und Florentin Pereanu vom Team des Museums hatten im Hof des Altemberger Hauses extra einen Sandkasten aufgebaut, in dem die Schüler, passend zum katholischen/protestantischen Osterfest, nach versteckten Tassen, Krügen, Scherben etc. auf archäologisch-wissenschaftliche Weise suchen konnten. „Mir hat es sehr gut gefallen und ich würde gerne wieder an einer solchen Projektwoche teilnehmen“, so Antonia Dancu in ihrem Fazit.