Dinge, die ihn bewegt haben

Eine Feier zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Philippi

Der Jubilar während der Geburtstagsfeier. Die musikalische Gestaltung gewährleistete ein Quartett unter Leitung von Kurt Philippi (l.).

Zu den Gratulanten gehörte auch Klaus Johannis, einer der Nachfolger von Dr. Philippi im Amt des DFDR-Vorsitzenden.
Fotos: Hannelore Baier

Hermannstadt - „Sein waches Auge, sein reger Verstand, sein schlagfertiger Mund und seine spitze Feder sind auch heute kennzeichnend für den Jubilar.“ Das „auch heute“ sollte der Gefeierte einmal mehr unter Beweis stellen: Er brillierte in seinen Dankesworten, in denen er in an die Schmerzgrenze reichender Offenheit auf die 90 Jahre seines Lebens blickte, die er am 21. November erfüllt hatte. Der Jubilar war der Theologe, Historiker und Ehrenvorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Philippi.

In der Moderation von Dr. Paul-Jürgen Porr, dessen Charakterisierung eingangs zitiert ist, fand am Samstag eine „nicht alltägliche“ Geburtstagsfeier im Spiegelsaal des Forumshauses statt. Nicht alltäglich, weil es nicht Vielen vergönnt ist, den 90. Geburtstag zu feiern, im Deutschen Forum, denn zu den Gründungsmitgliedern der politischen Vertretung der Rumäniendeutschen nach 1989 hat der Geehrte gehört, war in der Zeitspanne 1992 bis 1998 dessen Vorsitzender gewesen und ist seither dessen Ehrenvorsitzender.

Gebeten hatte der Jubilar, bei der Feier auf Laudationes zu verzichten. „Der Alte wird von den Jüngeren mit Maßen gemessen, die nicht erfassen können, wie es wirklich gewesen ist, wie er [der Gewürdigte] wirklich gewesen ist“, erläuterte Dr. Philippi von Goethe als Motivation. Aus der Tätigkeit von Dr. Philippi als Forumsvorsitzender erwähnte Dr. Porr deshalb bloß das Durchsetzen des Paradigmas, über die deutsche Minderheit in Rumänien mit dieser zu verhandeln und zu beschließen, wenn es um deren Anliegen geht, statt dem bis dahin üblichen über ihre Köpfe Hinweggehen. Einen Blick auf die Geschichte der Siebenbürger Sachsen – die der Jubilar in ihrer Beispielhaftigkeit in vielen Schriften dargestellt hat – erbrachte als Geburtstagsgeschenk der Historiker Dr. Harald Roth, der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (e.V. Heidelberg). Es ist jener Kreis, den Dr. Philippi vor nunmehr über 60 Jahren mitbegründet hatte, um die Geschichte des sächsischen Volkes und die Entwicklung des Selbstverständnisses samt deren Fehlentwicklungen zu ergründen. Dr. Roth meinte als Schlussfolgerung seiner Ausführungen, dass die Sachsen ohne Siebenbürgen offenbar nicht vorstellbar sind und sie ein originär siebenbürgisches Phänomen seien. „Außerhalb“ werden sie gewissermaßen zu Allerweltsdeutschen, so dass sie das „Siebenbürger“ ihrem Namen hinzufügen müssen, um nicht unsichtbar zu werden. Damit unterstrich er eine von Dr. Philippi über Jahrzehnte nachdrücklich verteidigte These, dass nämlich sächsische Geschichte – aber auch Gegenwart – nur in Siebenbürgen denkbar ist. Um diese zu leben, hatte der Jubilar 1983 die Professur in Heidelberg aufgegeben und kam nach Hermannstadt. 

Eine „Lebensbilanz“ und keine „Leistungsbilanz“ des Gefeierten präsentierte Bischof emeritus D.Dr. Christoph Klein. Über Dinge sollte bei der Feier nachgedacht und gesprochen werden, die den Jubilar bewegt haben. Das war neben der „sächsischen Existenz in ihrer siebenbürgischen Verklammerung“ der „christliche Glaube in seiner kirchlichen Verwirklichung“. Von der Biographie des Jubilars ausgehend erläuterte Dr. Klein die Grundgedanken der theologischen Schriften und des Wirkens als Pfarrer und Professor am Theologischen Institut von Dr. Philippi. In seinen diakonischen Konzeptionen aber auch in ehrlicher theologischer und kirchlicher Verantwortung habe er grenzüberschreitend gedacht und gelehrt, sagte Dr. Klein.

Ihm komme es zu, zu danken, Gott dem Herrn, der ihm Zeit gegeben hat, ein klein wenig von dem abzustottern, was er nicht geleitstet habe, sagte der Jubilar. Unverblümt sprach er heikle Momente seiner Biografie an und räumte mit dem Mythos auf, er sei nach Siebenbürgen zurückgekehrt, weil er Bischof werden wollte. Dieses Gerücht hat ihm einen Rekord eingetragen: Er ist der erste und einzige Siebenbürger Sachse, der als qualifizierter Theologe in den Dienst seiner Kirche zurückgekehrt ist und in keinem einzigen Gremium dieser Kirche je Stimmrecht hatte.