Dokumentarfilm über den siebenbürgisch-sächsischen Politiker mit Briefkontakt zu den Attentätern vom 20. Juli 1944

Bei der Filmprämiere. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Vier Tafeln in ebenso vielen Sprachen haften neben dem Eingang zur Hauptgeschäftsstelle des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) in dem südöstlichen Eckhaus am Großen Ring/Pia]a Mare in Hermannstadt. Obschon sie nicht pyramidal angeordnet sind, steht der Name von Advokat Hans Otto Roth unangefochten an der Spitze. Noch weiter als er hat es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kein anderer Präses aus der siebenbürgisch-sächsischen Welt gebracht. In zwölf Monaten werden 70 Jahre seit seinem Tod vergangen sein – eine Zeitspanne fast so lang wie ein Menschenleben und zwei, wenn nicht sogar drei Generationen umfassend. Was auf der Tafel links hoch am Eingang zum DFDR steht, hält für immer und ewig: „Bedeutendster sächs. Politiker der Zwischenkriegszeit; starb in einem kommunistischen Gefängnis.“

Wolfgang Köber in der Rolle des Regisseurs sowie Vorsitzender des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS) und Filmemacher Eduard Schneider aus Mühlbach/Sebe{ als Profi-Produzent hatten für Samstagnachmittag, den 26. März, in den Spiegelsaal des DFDR zur Weltpremiere ihres Dokumentarfilms „Das Leben und Wirken von Hans Otto Roth“ eingeladen und begrüßten dazu wie erwartet Hermannstadts politisch versammelte deutschsprachige Elite. Noch eine Reihe Stühle im Zuschauerfeld vor der weißen Leinwand – sie hing über dem geschlossenen August-Förster-Flügel – hätte keinen Platz mehr gehabt. Die Musik des etwa eine Stunde langen Streifens hat Pianist Ovidiu Pârjol als Interpret solistischer Literatur aus der Hand von Wunderkind und Tuberkulose-Opfer Carl Filtsch (1830-1845) eingespielt. 95 Jahre nach dessen tragischem Tod in Venedig erhielt Maria Luise Roth-Höppner in Hermannstadt an ihrem 10. Geburtstag ein schwarzweißes Fotoalbum von ihrem Vater Hans Otto Roth geschenkt. Es zeigt Porträts der Familie und macht den Anfang des gründlich recherchierten Dokumentarfilms über den, der anno dazumal in der reichen Kleinstadt Heltau/Cisn˛die den Hitlergruß verweigerte und als politischer Häftling im Rumänien unter Ministerpräsident Gheorghe Gheorghiu-Dej aus dem Leben schied.
Die Entscheidung, den Dokumentarfilm über Hans Otto Roth durch Blättern im Fotoalbum aus dem Erbschatz seiner Tochter beginnen zu lassen, sitzt. „Die Männer führten einen Stock. Nicht weil sie ein gebrochenes Bein hatten, sondern weil das so Mode war“, bemerkt die studierte Astronomin zu der großbürgerlichen Epoche Europas vor dem Zweiten Weltkrieg. „Als ich geboren wurde, war er bereits elf Jahre lang im Parlament. Ich habe ihn immer nur als ´Feriengast´ erlebt“, erinnert sich Maria Luise Roth-Höppner früh im Streifen an ihren Vater.

„Hans Otto Roth lebte mit allen Fasern für die Politik!“, schwärmt Theologe Dr. Ulrich Wien, Vorstandsmitglied des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg. Ihm haben Eduard Schneider und Wolfgang Köber, dem finalen Filmprodukt nach zu schließen, die meiste Redezeit vor der Kamera gegönnt. „Hans Otto Roth war kein Schönwetter-Landeskirchenkurator“, legt Dr. Ulrich Wien nach. Und setzt gegen Ende fort, dass Roth als Politiker nach dem 23. August 1944 gerettet habe, „was zu retten war.“ Damit ist auch Prof. Friedrich Philippi einverstanden: „Roth wollte keinen Nazi-Bischof, musste aber als Landeskirchenkurator die Bischofs-Wahl leiten“, sagt der aktuell amtierende weltliche Stellvertreter des Oberhirten der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) über seinen berühmten Vorgänger. Wilhelm Staedel als Bischof von Mitte Februar 1941 bis Herbst 1944 wird in der Geschichte der EKR immer ein brauner Fleck bleiben. Historiker vom Schlag etwa eines Dr. Harald Roth, Direktor des Potsdamer Deutschen Kulturforums Östliches Europa, und seines Landsmanns Dr. Konrad Gündisch, Mitglied des Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrates, denken darüber sicher nicht anders. Auch Pfarrer im Ruhestand Berthold Köber nicht.

Theologe Dr. Hermann Pitters urteilt, dass „Hans Otto Roth ein Christ war“ und „auch als Märtyrer verstanden werden kann.“ Damit gemeint ist selbstredend keine radikale Haltung, sondern vielmehr ein Feilschen um Nuancen, worin Roth zeitlebens ein Meister war. Am Ende seines Lebens jedoch wurde ihm nichts mehr geschenkt.

Dr. Ingrid Schiel, Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts auf Schloss Horneck, Gundelsheim, Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Historiker Dr. Vasile Ciobanu, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungs-Institut für Geisteswissenschaften an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS), und Bischof Reinhart Guib zählen mit zu den im Film Rückschau haltenden Kapazitäten. Auf den Punkt bringt es letztlich Ovidiu Ganț, Abgeordneter des DFDR im Parlament Rumäniens: „Hans Otto Roth wollte kein Nazi werden und hat sich auch dem kommunistischen Regime nicht gebeugt.“ Die Hoffnung Wolfgang Köbers, dass „wir uns an das Geschichtliche gehalten haben, wie es war“, erfüllen sein und Eduard Schneiders Film vorbildlich. Für die Dreharbeiten hat das DFDR geldliche Mittel vom Departement für Interethnische Beziehungen am Generalsekretariat der Regierung Rumäniens vermittelt.

Bleibt nur noch die Frage nach der Verbreitung des Films für seine Publikumskreise. Je größer, desto besser. „Roth hat mit seiner Art Politik zu treiben, Eliten angesprochen und Eliten gewonnen. Er war, scheint mir, kein Mann ´fürs Grobe´. Das aber waren seine Gegner. Muss ein Politiker auch fürs Grobe sein? Oder muss der Intellektuelle ein Team neben sich haben, das sein Denken ´ins Grobe´ zu übersetzen vermag? Roth war in einer Zeit, die auf Diktaturen zulief, durch und durch Demokrat. Verlangt die Demokratie die Übersetzung ´ins Grobe´?“, stellte Paul Philippi (1923-2018) als Ex-Ehrenvorsitzender des DFDR 2010 in Hans Otto Roth´s Geburtsort Schäßburg/Sighișoara pointiert hinterfragend in den Raum.