„Geist von Temeswar ist keine Selbstverständlichkeit“

Stadtfest in der Europäischen Kulturhauptstadt 2023

Anlässlich des Temeswarer Stadtfestes am 3. August fand am Domplatz eine militärisch-religiöse Zeremonie statt. | Foto: Bürgermeisteramt Temeswar

Temeswar – In feierlichem Rahmen kamen am Donnerstag, dem 3. August, die Vertreter der Kommunalbehörden im Capitol-Saal der Staatsphilharmonie „Banatul“, um das Temeswarer Stadtfest zu begehen. Zu diesem Anlass wurde vier Menschen der Titel eines Ehrenbürgers zuteil. Der 3. August wurde durch einen Kommunalratsbeschluss aus dem  Jahr 1999 zum Tag der Stadt Temeswar ernannt. Er markiert jenen historischen Tag, an dem die rumänischen Truppen am 3. August 1919 in Temeswar einmarschierten und hier die rumänische Verwaltung eingerichtet wurde.

In seiner Rede sprach Bürgermeister Dominic Fritz über den Geist von Temeswar, über den Erfolg des multiethnischen und -religiösen Stadtmodells, aber auch über den Erfolg der lokalen Wirtschaft, die von der Vielfalt der Stadt getragen wird – die Stadt und die Region ziehen weiterhin ausländische Investoren an. Der wohl bewegendste Moment des Nachmittags war jener, in dem Adrian Orza, dem langjährigen ehemaligen Vizebürgermeister von Temeswar, der Titel eines Ehrenbürgers posthum verliehen wurde. Die Laudatio auf Adrian Orza hielt der ehemalige Bürgermeister Gheorghe Ciuhandu, der teilweise auch sein Mentor war, da Orza lange Jahre die rechte Hand des Bürgermeisters gewesen war. Den Ehrenbürgertitel nahm die Mutter des Anfang Mai dieses Jahres verstorbenen Adrian Orza entgegen. Zu Temeswarer Ehrenbürgern wurden auch der Schriftsteller Petru Ilieșu, der Arzt Aurel Mogo{eanu und die Musikerin Alexandra Guțu ernannt.

„In diesem Jahr haben wir mit der Kulturhauptstadt Europas ein großes Geschenk bekommen. Wir sehen mehr als 2500 Temeswarer aller Altersgruppen und Berufe, die in Gelb gekleidet sind und die sich bei verschiedenen Veranstaltungen in der Stadt als Freiwillige engagieren, wir sehen Unternehmen, Glaubensgemeinschaften, die sich einbringen, und Anfang September erwarten wir hier Tausende von jungen Orthodoxen aus der ganzen Welt zu einem internationalen Treffen. Der Gemeinschaftsgeist erwacht erneut zum Leben, wir verleugnen unsere Unterschiede nicht, sondern wir brauchen ein gemeinsames Erbe an Werten und Visionen, die uns in einer Gemeinschaft zusammenhalten“, sagte Bürgermeister Dominic Fritz. Außerdem unterstrich er, dass der Kern der Identität der Stadt gerade in der Fähigkeit der Temeswarer Bürger liegt, die Welt mit den Augen des anderen zu sehen. „Die Quelle des Temeswarer Innovationsgeistes – auf den wir so stolz sind – ist genau diese Empathie. Das hat immer Innovation hervorgebracht und Innovation hat Wohlstand mit sich gebracht. 

Aber der Geist von Temeswar ist keine Selbstverständlichkeit. Er ist etwas, um das wir uns bemühen müssen, und wir müssen uns bemühen, immer wieder die Empathie für uns selbst zu entdecken, besonders in schwierigen Zeiten“, erklärte der Bürgermeister. 

In Anspielung auf die vor Kurzem in den sozialen Netzwerken gegen den deutschen Bürgermeister Dominic Fritz gerichtete ausländerfeindliche Hassrede eines Temeswarer Geschäftsmanns, die von mehreren Politikern und Journalisten vor Ort mit „Gefällt mir“ markiert wurde (die ADZ berichtete), veröffentlichte die Timi{oara-Gesellschaft einen Aufruf zu Anstand und Offenheit, die den Geist von Temeswar schon immer geprägt haben. „Im öffentlichen Raum unserer Stadt haben sich die Gewalt der Sprache, Aufstachelung zu interethnischem Hass, Unanständigkeiten, Beleidigungen, faschistische Gewaltaufrufe, Aggression, die bis auf physische Gewalt hindeutet, ihren Weg gebahnt. Wir sehen, wie sich diese Aggressionsausbrüche in sozialen Netzwerken, in verschiedenen Publikationen und Diskussionsforen verbreiten (…) Die fremdenfeindlichen, chauvinistischen oder trivialen Angriffe, die von Vertretern der lokalen Presse geäußert werden, schaden dem Bild einer zivilisierten, europäischen Stadt, die das Modell einer Europäischen Kulturhauptstadt sein könnte“, hieß es seitens der Timișoara-Gesellschaft.

Anlässlich des Temeswarer Stadtfestes fanden an mehreren Abenden im Rosenpark Konzerte statt, u.a. eines von „Pasărea Rock“ mit Mircea Baniciu, Josef Kappl und Ovidiu Lipan Țăndărică, ein Auftritt des Timișul-Ensembles und des Lira-Orchesters sowie gestern Abend (am Freitag) ein Konzert des Temeswarer Gemeinschaftschors mit den Musikern der Banatul-Staatsphilharmonie.