Gesundheitsdesaster vorprogrammiert

Chirurg Dr. Paul Purea spricht Tacheles über das prekäre rumänische Gesundheitswesen

Reschitza - Dr. Paul Purea ist ein Chirurg, der rund dreißig Jahre in Deutschland (auch in verantwortlicher Stellung in einem Krankenhaus) gearbeitet hat und der als Rentner nach Rumänien zurückgekehrt ist. Hier beschäftigt er sich mit Regional- und Gesundheitspolitik und mit Schriftstellerei. Er ist Mitglied des Kreisrats Karasch-Severin und sitzt im Verwaltungsrat des Kreiskrankenhauses für Notfälle in Reschitza als Vertreter des Kreisrats, des Finanzierers desselben. In voller Corona-Krise und als aufmerksamer Beobachter des politisch-deklarativen Geschehens und Agierens der rumänischen Politiker im öffentlichen Raum, meldete sich Dr. Paul Purea dieser Tage zu Wort. Seine Meinung: Nur Gott ist es zu verdanken, dass die Infektionslage mit Covid-19 in Rumänien weniger akut ist als in China, Italien, Spanien oder den USA!

„Das Gesundheitssystem Rumäniens ist eines der prekärsten, ärmsten und unreformiertesten Europas“, sagte der pensionierte Chirurg, entschlossen, die Dinge endlich beim Namen zu nennen. „Die Spitäler sind alt und viel zu wenige. Sie sind unorganisiert, haben keine moderne Infrastruktur. Es fehlen ihnen die elementarsten Materialien, effiziente Apparatur, um sich dieser riesigen Covid-19-Pandemie stellen zu können. Fachärzte für eine solche Plage sind beängstigend wenige vorhanden. Ich war konsterniert, als ich erfuhr, dass Rumänien, laut offiziellen Angaben, über bloß 2500 Fachärzte für Intensivbehandlung verfügt, über bloß 2653 Krankenhausbetten für Intensivbehandlung und – Achtung! - über sage und schreibe nur 1300 Beatmungsgeräte, Monitore und Injektomate. Einverstanden: ein guter Facharzt für Intensivbehandlung kann, aber nur in außergewöhnlichen Situationen, 8-10 Kranke gleichzeitig betreuen, die künstlich beatmet werden müssen. Folglich kann Rumänien gleichzeitig bis zu 6000 Schwerkranke medizinisch betreuen. Das wäre auch eine ziemlich vernünftige Zahl. Nur: dafür sind bloß 1300 Geräte zur mechanischen Beatmung und Monitore vorhanden! Und nur 2653 Betten! Auch wenn nicht in jedem Einzelfall für jeden Kranken der Intensivstation ein Beatmungsgerät existieren muss – es kann nicht sein, dass es Krankenbetten in Intensivstationen gibt, die kein Gerät für die mechanische Beatmung und keinen Monitor haben! Covid-19 ist eine Krankheit mit schweren Lungenproblemen, die man ohne Beatmungsgerät nicht in den Griff kriegen kann! Ist sich da jemand wirklich dessen bewusst, was da los ist?!“

Die einzigen Schuldigen am beschriebenen Zustand des Systems der Gesundheitsbetreuung in Rumänien seien die Politiker, postulierte Dr. Paul Purea. Seit der Wende, seit mehr als 30 Jahren, hätten sie das Problem des Gesundheitswesens nicht nur als etwas Nebensächliches betrachtet. Die Gesundheit der Bevölkerung Rumäniens sei in ihren Augen „nicht der Rede wert“ gewesen, aber sie hätten aus dem Gesundheitswesen gleichzeitig eine Quelle persönlicher Bereicherung gemacht, eine Gelegenheit, das Volk mit Hohn und Spott zu überziehen.

Hingegen schätzt Dr. Paul Purea die Bemühungen von Innenminister Ion Marcel Vela als Sprachrohr des Krisenstabs, des SMURD-Gründers und Staatssekretärs Raed Arafat, aber auch der Immunologen, Bakteriologen und Intensivmediziner Rumäniens hoch ein: „Schande über die gesamte politische Klasse Rumäniens, die sich nach 1989 etabliert hat! “