„Ich habe ja kein Problem mit Ausländern, aber…“

Migration in Deutschland und Rumänien: Auswirkungen auf die kulturelle und sprachliche Vielfalt

„Akzeptanz“, „Migration“, „Push- und Pull-Faktoren“ oder „Identität“ sind nur einige der Begriffe, die im 10-tägigen Hochschulsommerkurs in Klausenburg erläutert und diskutiert wurden. Dieser fand, organisiert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), vom 24. September bis zum 2. Oktober im „Tranzithouse“ statt. Während dieser Tage wurde ‚Migration‘, das aktuelle Lieblingsschlagwort vieler Politiker, aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Im Rahmen von Workshops beschäftigten sich die Teilnehmenden näher mit der Geschichte und Gegenwart der deutschen Minderheiten in Rumänien und der Migration nach Deutschland, mit Migrations- und Exilliteratur, mit Diskriminierung und Identität – wobei besonders die ‚Gastarbeiter‘, aktuelle Debatten um Arbeitsmigration aus Rumänien nach Deutschland und Integration im Fokus standen. Die eingeladenen Expertinnen und Experten kamen sowohl aus Deutschland als auch Rumänien und wandten zahlreiche interaktive Unterrichtsmethoden an, um ein Thema aus ihrem wissenschaftlichen Fachgebiet mit den Teilnehmenden zu erarbeiten. 

Ebenso vielfältig war deren Hintergrund: Manche kamen aus Klausenburg, viele waren eigens angereist – aus Großwardein, Bukarest oder gar Kasachstan, um sich die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik und die Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, nicht entgehen zu lassen. Niemandem war vorher bewusst, wie komplex und wichtig das Thema „Migration“ eigentlich ist – aber Workshops, Theaterstücke, Filme, Vorlesungen, Literaturvorträge, Debatten und Gespräche ermöglichten es, eine differenzierte Sichtweise darauf zu entwickeln. 

Am meisten regte der Workshop „Coloured Glasses“ zum Nachdenken an, in dem eigene Vorurteile und Diskriminierungserfahrungen thematisiert wurden. „Ich konnte mich sofort daran erinnern, dass mein Handy von einem Rom geklaut wurde, aber erst am nächsten Tag fiel mir ein, dass ich damals ja auch mit einer sehr netten Romni das Zimmer im Wohnheim geteilt habe“, war eine der Reaktionen auf den Workshop.
Neben dem Tagesprogramm fanden abendliche Kulturveranstaltungen statt. Da die meisten neu in Klausenburg waren, zeigte Roxana Stoenescu vom Departement für Europastudien in einem Stadtrundgang die wichtigsten Sehenswürdigkeiten – mit Fokus auf den Einfluss der deutschen Minderheiten. Gemeinsam sah man den Dokumentarfilm „Paşaport de Germania“, dank dem die Aktion „Rückgewinnung“ und die Ausreise vieler Angehöriger der deutschen Minderheiten in die BRD verständlich gemacht wurde. An einem weiteren Filmabend wurden zwei deutsche Komödien rund um das Thema Einwanderung gezeigt; der Kurzfilm-Klassiker „Schwarzfahrer“ aus den 1990er Jahren, gefolgt von „Almanya – Willkommen in Deutschland“, der die Erfahrungen von „Gastarbeitern“ in den 1970er Jahren aus der Perspektive einer türkischen Familie zeigt und Fragen zu Integration und der Identität der nächsten Generationen – also den sogenannten „Menschen mit Migrationshintergrund“ – aufwirft. 

Besonders überrascht hat ein Theaterstück mit dem Titel „Vi me som rom“ (zu Deutsch: „Auch ich bin Rom“), in dem ein Schauspieltrio aus Bukarest Szenen alltäglicher Diskriminierung inszenierte – in der Schule, bei der Wohnungssuche oder in der Familie. 

Die Diskussionen zu Themen wie Flucht oder Ausgrenzung von Roma, die im Landeskunde-Unterricht häufig aufkommen, hatten DAAD-Lektorin Franziska Schwantuschke motiviert, die Sommerschule zu organisieren – es war ihr ein wichtiges Anliegen, dass sich Studierende in einem intensiveren Rahmen und über einen längeren Zeitraum hinweg mit der Thematik beschäftigen konnten. Dem neuen DAAD-Sprachassistent Rik Kießling bot sich die Möglichkeit, gleich in seinen ersten Wochen in Klausenburg mit Studierenden ins Gespräch zu kommen. Die Teilnehmenden wiederum hatten ganz unterschiedliche Beweggründe: Lehrkräfte waren an einer intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gegenwart der deutschen Minderheiten in Rumänien, an Übersetzungsmöglichkeiten von Migrationsliteratur, wie auch an neuen, interaktiven Unterrichtsstrategien interessiert; die Studierenden dagegen zeigten großes Interesse am Migrationsthema, da dieses während des Hochschulstudiums nur oberflächlich angesprochen wurde. Sie wollten aber auch ihre Deutschkenntnisse verbessern, neue Kontakte knüpfen und neue Meinungen kennenlernen.

Zehn spannende Kurstage mit einer breiten Auswahl von Workshops, Lesungen und weiteren kulturellen Angeboten ließen sie mit vielen Eindrücken und teilweise sehr nachdenklich zurück. Besonders gefallen hatte ihnen die Lesung der österreichischen Autorin Verena Mermer zu ihrem Roman „Autobus Ultima Speranza“ – darin werden die Geschichten der Passagiere erzählt, die gemeinsam eine vorweihnachtliche Nacht im Bus von Wien nach Klausenburg verbringen.

In den 10 Tagen haben sich nicht nur die Sprachkenntnisse merkbar verbessert, sondern auch fachlich haben alle jede Menge dazugelernt. Besonders bereichernd war, dass in die Diskussionen deutsche, kasachische, österreichische und rumänische Perspektiven einflossen.

Der junge kasachische Deutschlehrer möchte neben den neu erlernten didaktischen Methoden vor allem in seinen Unterricht einfließen lassen, was er im Workshop zur Migrationsgeschichte in Deutschland gelernt hat: Dass nämlich „das deutsche Volk“ überhaupt nicht so einheitlich ist, wie man glaubt, sondern sich aus vielen Kulturen zusammensetzt und sich im Laufe der Zeit ständig verändert.