„Wenn’s sein muss, dann gerne!“

Planspiel zur Zukunft der Deutschen Minderheit in Rumänien

Die „Achtberger Bürger“ am Sonntag nach dem Ende des Planspiels.
Foto: Alexander Nutz

Michelsberg – Willkommen in Achtberg, einem kleinen beschaulichen Städtchen am Fuße der Berge mit rund 125.000 Einwohnern. Gut ein Fünftel der Bevölkerung gehört der deutschen Minderheit an. Der Name der Stadt fand bereits 1148 erstmalige Erwähnung. Die alte Petrus-Kirchenburg ist Wahrzeichen und Stolz der Einwohner. Neuerdings beschäftigen ungewöhnliche Entwicklungen den Stadtrat und die Bewohner Achtbergs. Seit einigen Jahren erfährt die Region einen wirtschaftlichen Aufschwung. Nicht nur Investoren aus Deutschland, sondern auch sogenannte „neue Deutsche“ kommen zu Hunderten nach Achtberg, um sich dort niederzulassen und das Leben der traditionsbewussten Achtberger auf den Kopf zu stellen. Außerdem sorgt der ausgewanderte und nun wiedergekehrte Schlagerstar André Schall-May für Furore. Mit seiner Stiftung zur Förderung der deutschen Minderheit winkt ein großer Batzen Geld. Rund 1 Million Euro pro Jahr. Natürlich gibt es Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, ansonsten droht der Bau eines Scheidungszentrums.

So lautet das Ausgangs-Szenario des Planspiels zur Zukunft der deutschen Minderheit in Rumänien: „Wenn’s sein muss, dann gerne!“ Vorgestellt wurde es am vergangenen Freitag im Spiegelsaal des Hermannstädter Forumshauses. Samstag und Sonntag ist das Planspiel in Michelsberg durchgeführt worden. Eine fiktive Simulation, die an reale Gegebenheiten in Siebenbürgen anlehnt. So gibt es den Deutschen Konvent, der die Interessen der deutschen Minderheiten vertritt, einen Stadtrat, der sich aus Mitgliedern der rumänischen Parteien zusammensetzt, interessierte rumänische Bürger, eine deutsche Botschafterin und zahlreiche Nebenrollen, die dem Planspiel einen authentischen Charakter verleihen sollen. Bei der Rollenvergabe hat es sowohl freudige, überraschte, als auch misstrauische Gesichter gegeben. Wenn ein 80-jähriger Herr eine 20-jährige Studentin spielen soll, ist das erst mal gewöhnungsbedürftig, aber durchaus Sinn des Planspiels. Es geht nämlich darum, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, nicht die eigenen Interessen, sondern die der neuen Rolle zu vertreten. Pfarrer und Jugendzentrumsleiter Johannes Klein aus Fogarasch verkörperte Schlagerstar André Schall-May. „Ich konnte alles machen, was ich von Berufs wegen nicht tun darf, einmal auch das zu leben, was irgendwo in mir ist, aber wo man sich dann in der Realität zusammennimmt“, sagte Johannes Klein lachend.

Insgesamt 36 Teilnehmer im Alter von 17 bis 90 Jahren, Schüler, Rentner, Pfarrer, Philosophen, Studenten und Journalisten aus den unterschiedlichen Regionen Rumäniens, haben sich am Planspiel beteiligt. Zu ihnen gehörten der Vorsitzende des Deutschen Forums Hermannstadt, Dr. Hans Klein, und der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) Dr. Paul-Jürgen Porr. Obwohl nur teilweise und vor allem nicht bei der Schlussfolgerungsrunde dabei, empfand Dr. Porr es als eine gelungene Veranstaltung: „Alle haben mitgemacht, viele ihre Rolle sehr originell und geistreich gespielt.“ Initiiert wurde das Planspiel vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), dem Jugendzentrum Seligstadt und dem CIVIC – Institut für internationale Bildung. Die beiden ersten Ideenwerkstätten zur Erstellung des Planspiels wurden vom ifa (aus Mitteln des Auswärtigen Amtes) finanziert. Vor dem dritten und letzten Teil sollte diese Finanzierung storniert werden. So sei das Forum finanziell eingesprungen, erklärte Dr. Klein. Das Planspiel konnte in Zusammenarbeit und dank Förderung durch das DFDR und das Haus des Deutschen Ostens umgesetzt werden.

Was kann aus der Simulation in die Realität übertragen werden, welche Rückschlüsse können für das tatsächliche Leben der deutschen Minderheit in Rumänien gezogen werden? Mit Spiel und Spaß ist auch ein Lerneffekt verbunden. „Die Teilnehmer konnten sich ausprobieren und Methoden der Kommunikation ausloten. Wichtig ist die Erkenntnis: Nicht in jeder Hinsicht setzt sich das moralisch Hochwertigste durch, sondern auch Kompromissstrategien, die ihre Schattenseiten haben“, so Johannes Klein. Das Planspiel gibt neue Impulse. Geschäftsführer des Landesforums, Benjamin Józsa, erklärte, durch das Planspiel habe er wichtige Impulse für die anstehende Satzungsänderung im Forum erhalten. Eine Öffnung des Forums gegenüber ausgewanderten Rumäniendeutschen, Rückkehrern und Immigranten aus dem deutschsprachigen Raum nach Rumänien habe man zwar schon seit längerem im Visier, während des Planspiels habe er jedoch konkrete Anregungen erhalten.
 Das Planspiel hat die Feuertaufe überstanden. Perfekt ist es allerdings noch nicht. Die Anregungen und das Feedback der Teilnehmer werden aufgenommen. Das eine, oder andere wird noch mal überarbeitet und verfeinert. Die gesamten Planspiel-Materialien werden voraussichtlich in rund einem Monat auf der Webseite www.planspiel.ro veröffentlicht. Dort lassen sich ebenfalls weitere Informationen und Links zum Thema Planspiel finden.