Wissenschaftlich neu, aber politisch wie gehabt ohne Aufsehen

Versuch einer Buchpräsentation als „Hermannstädter Gespräch“

Hermannstadt – Auch wenn sie es doch eigentlich nur gut mit ihrem Zielpublikum meint, kann Politik teuer zu stehen kommen. Stolze sechzig Euro kostet die Printausgabe des 284 Seiten dicken Sammelbandes „Das politische System Rumäniens. Entwicklung und He-rausforderungen in Europa“, den Prof. Dr. Astrid Lorenz und die aus Heltau/Cisnădie stammende Doktorandin Daniela-Maria Mariș von der Universität Leipzig im Verlag Springer VS Wiesbaden herausgegeben haben. Donnerstagabend, am 7. Juli, wurde er während eines verhalten besuchten „Hermannstädter Gespräches“ im akustisch geschickt gedämmten Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt/Sibiu (DFDH) vorgestellt. Darüber, dass für jenes druckfrische Buch in der Paperback-Ausgabe umgerechnet fast ganze 300 rumänische Lei hingeblättert werden wollen, staunte auch Rechtsanwalt Florin Albulescu, der sich neugierig als erster Zuhörer in die am Eingang ausliegende Teilnehmer-Liste eingetragen hatte. Stehen Erkenntnisse darin, die als Ergebnisse bislang noch nie gewagter Forschungen zu werten sind und genau deshalb einen so hohen Preis rechtfertigen, der einen erst einmal schlucken lässt? Dem ungefähren Durchschnittsalter des Publikums nach zu schließen, nahmen im Spiegelsaal mehrheitlich überwiegend Personen Platz, die in ihrem Heimatland Rumänien Jahrzehnte hindurch Diktatur und Politik erlebt oder sogar selber Politik betrieben haben. So ein Publikum vom Hocker zu reißen, ist schwierig. Das Podium muss es gespürt haben.

Moderator Winfried Ziegler, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS), räumte frei heraus ein, das Buch noch nicht gelesen zu haben. Es hebe sich jedoch von den „zu vielen Gesprächen an der Straßenecke“ und den „zu vielen Zeitungsartikeln“ zum Thema der Politik Rumäniens nach 1989/90 entschieden ab. Herausgeberin Daniela-Maria Mariș, Referentin für Begabten-Förderung und Kultur bei der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., erklärte zunächst die Wissenschaftlichkeit des Sammelbandes, ohne jedoch überraschende Schlüsse preiszugeben. Wen nimmt es 2022 eigentlich noch wunder, von Rumäniens „semi-konsolidierter“ Demokratie zu erfahren? Mit ihrem Hinweis auf das in Rumänien allgemein „monologisch“ statt „dialogisch“ verbreitete „Erinnern“ rückte Podiums-Teilnehmerin Dozentin Dr. Antonela Gyöngy von der Fakultät für Europa-Studien an der Babe{-Bolyai-Universität Klausenburg/Cluj-Napoca dem thematisch schwierigen Kern des „Hermannstädter Gespräches“ da schon etwas packender auf den Leib. Und am fesselndsten stellte es Dr. Roxana-Alice Stoenescu, Dozentin an derselben Fakultät, an: „Die Demokratisierungs- und Modernisierungs-Theorien“ betreffend eine betont „bürgerliche“ Gesellschaft wären „auf Rumänien nicht anwendbar.“ Im EU-Land, dessen orthodoxe Breitengesellschaft nicht viel auf die Vorzüge der Aufklärung als philosophische Errungenschaft der Vergangenheit gibt oder sie gar gänzlich ablehnt, sei die radikale AUR trotz ihrer rechtsextremen Ausrichtung dennoch auch als etwas zu verbuchen, das Rumänien dem „politischen Pluralismus“ näherbringt. „Die Wähler der AUR gab es schon vor der Partei.“ Außerdem würde „Macht, sobald sie empfindet, bedroht zu sein“, mit „rigoroseren und anti-modernen Strukturen“ reagieren. „Das erleben wir jetzt gerade.“